Fall Tina: Karner-Aussagen lassen Grüne reagieren

Der ZIB2-Auftritt von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) am Dienstag hat offensichtlich Justizministerin Alma Zadic (Grüne) auf den Plan gerufen. Ohne den Innenminister bzw. das Innenministerium zu nennen, schrieb sie auf Twitter, dass höchstgerichtliche Entscheidungen in einem demokratischen Rechtsstaat „von allen zu respektieren und einzuhalten“ seien – „natürlich auch von staatlichen Behörden“.

Karner hatte sich zur rechtswidrigen Abschiebung im Fall Tina geäußert und gesagt, dass man die Letztentscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH), der eine Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) zurückgewiesen hatte, „anders interpretieren“ könne.

Der Entscheid, „das sagen die Juristen bei uns im Haus, lässt beide Interpretationsspielräume offen“, so der Innenminister. Weiterhin werde er sich dafür einsetzen, dass Außerlandesbringungen durchgeführt werden, wenn das BFA einen negativen Bescheid ausstellt – wie eben im Fall der abgeschobenen Familie von Tina, ihrer Mutter und ihrer jüngeren Schwester.

„Gerade im Asylbereich“

Justizministerin Zadic schrieb auf Twitter, dass die Einhaltung höchstgerichtlicher Entscheidungen „gerade im Asylbereich selbstverständlich sein“ müssten. Denn hier gehe es um nicht weniger als das Wohl, die Chancen und die Zukunft von Kindern, so die Ministerin. Damit gibt es bereits einen Hinweis auf den Fall Tina.

Auch der Asylsprecher der Grünen, Georg Bürstmayr, äußerte sich ähnlich, freilich ohne Namen zu nennen. Er vermisse eine „Fehlerkultur im Innenministerium schmerzlich – und zwar nicht erst seit gestern, sondern seit Jahrzehnten“, wird Bürstmayr in einer Aussendung zitiert.

Wenn ein Gericht rechtskräftig festgestellt, dass ein bestimmtes Behördenhandeln rechtswidrig war, dann dürfe nicht einmal der Eindruck entstehen, „dass wir diese Entscheidung nicht akzeptieren oder einfach ignorieren“.

SPÖ übt scharfe Kritik

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch kritisierte Karner hingegen namentlich scharf und bezeichnete den Auftritt des Innenministers als „unsäglich“. Karners „hartnäckige Weigerung, höchstgerichtliche Entscheidungen anzuerkennen, zeigt einmal mehr, dass die ÖVP ein Problem mit dem Rechtsstaat hat“, so Deutsch.

Die Asylsprecherin von NEOS, Stephanie Krisper, bezeichnete Karner auf Twitter als „gefährlich“. „Denn er ist so inkompetent, dass die verzweifelten ÖVP-Spindoktoren ihn dazu bringen, ohne besseres Wissen höchstgerichtliche Entscheidungen infrage zu stellen und schwerste Rechtsbrüche anzukündigen. Umsetzung des Irrwitzes beobachten wir mit Argusaugen.“

Revision zurückgewiesen

Die Abschiebung Tinas und ihrer Familie nach Georgien hatte für großes Aufsehen gesorgt und erfolgte unter Protesten – inklusive Sitzblockaden vor dem Familienabschiebezentrum. Im Dezember 2021 war Tina wieder nach Wien zurückgekehrt und hatte später ein Schülerinnenvisum erhalten. Seit ihrer Rückkehr nach Wien lebt sie bei einer Gastfamilie. Ihre Schwester und die Mutter sind in Georgien geblieben.

Gegen die fremdenpolizeiliche Abschiebung am 28. Jänner 2021
wurde eine Maßnahmenbeschwerde eingebracht. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) war die Außerlandesbringung rechtswidrig. Daraufhin legte das zuständige BFA eine Revision ein. Der VwGH wies die Revision Mitte August dieses Jahres zurück, weil die Entscheidung des BvWG vertretbar war.