Kühltürme des AKW Mochovce
APA/AFP/Vladimir Simicek
„Nicht nachvollziehbar“

Heimische Kritik an Mochovce-Entscheidung

„Wir haben immer wieder vor einer Inbetriebnahme gewarnt. Diese Entscheidung ist absolut nicht nachvollziehbar.“ Mit diesen Worten reagierte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Donnerstag auf die von der slowakischen Atomaufsichtsbehörde (UJD) bestätigte Betriebserlaubnis für den dritten Block des Kernkraftwerks Mochovce. Scharfe Kritik an der Vorgangsweise kommt unter anderem auch von der österreichischen Umweltschutzorganisation Global 2000, deren Berufung gegen die an sich bereits im Mai 2021 erteilte Betriebserlaubnis von der UJD zurückgewiesen wurde.

Gewessler will nun mit dem zuständigen slowakischen Minister Kontakt aufnehmen. „Atomkraft ist eine gefährliche und veraltete Technologie, die mit großen Risiken verbunden ist. Gerade angesichts des Krieges in der Ukraine wird das Sicherheitsrisiko noch einmal deutlicher“, so Gewessler, derzufolge grobe Baumängel immer wieder für Schlagzeilen und Verunsicherung gesorgt hätten.

Global 2000 kritisierte den Beschluss ebenfalls und verwies darauf, dass Mochovce bereits seit 37 Jahren in Bau ist. „Mit dieser Betriebserlaubnis könnte der Reaktor in wenigen Wochen in Betrieb gehen – falls dies technisch überhaupt möglich ist.“ Die Umweltschutzorganisation prangert seit Längerem technische Probleme in sicherheitskritischen Bereichen und Missmanagement beim überschuldeten Betreiber Slovenske elektrarne (SE) an. Zuletzt zeigte sie sich nach dem Fund minderwertiger Rohrleitungen besorgt. Global 2000 hatte die slowakische Atomaufsicht im Februar 2022 wegen bewusst unterlassener Kontrollen bei der slowakischen Kriminalpolizei angezeigt.

Dritter Reaktor in Mochovce ab 2023

Die Slowakei hat am Donnerstag die Betriebserlaubnis für den fertiggestellten dritten Block des Kernkraftwerks Mochovce in der Westslowakei bestätigt. Der neue 471-Megawatt-Block soll, wenn er vollständig in Betrieb ist, mehr als ein Zehntel des slowakischen Stromverbrauchs decken. Das ist voraussichtlich im kommenden Jahr der Fall.

UJD verweist auf Inspektionen

Nach Angaben der UJD gingen der Erteilung der Genehmigung umfangreiche Inspektionen und analytische Arbeiten von Spezialisten voraus. „Die zweitinstanzliche Entscheidung wurde erst nach einer gründlichen Auswertung aller unabhängigen Analysen und Gutachten erlassen, die die Behörde im Rahmen der Prüfung aller Eingaben erstellt hatte. Sie enthält eine umfassende Begründung für die Überprüfung der Bedingungen für die Inbetriebnahme des dritten Reaktorblocks des Kernkraftwerks Mochovce, wobei der nuklearen Sicherheit höchste Priorität eingeräumt wird“, so die Behörde laut slowakischer Nachrichtenagentur TASR.

Im etwa 150 Kilometer von Wien entfernten Mochovce sind seit Ende der 1990er Jahre zwei Reaktorblöcke in Betrieb. Die Fertigstellung der gesamten Anlage hat sich gegenüber den ursprünglichen Plänen erheblich verzögert, und das Projektbudget ist von ursprünglich 2,78 Milliarden Euro schrittweise auf mehr als das Doppelte gestiegen. Der vierte Block der Anlage ist noch nicht fertiggestellt.

„Buchstäblich allerletzte Chance“

„Die Bundesregierung muss jetzt die buchstäblich allerletzte Chance nutzen, um gegen die Inbetriebnahme vorzugehen“, fordert indes die SPÖ. Umweltsprecherin Julia Herr verweist per Aussendung auf die von Global 2000 aufgedeckten „besorgniserregenden, ja erschütternden Missstände“. Dass diese für die UJD „nicht ausreichen, um die Inbetriebnahme zu stoppen, ist hochproblematisch und ein Argument mehr für eine unabhängige internationale Untersuchung“.

Die österreichische Regierung hat sich die Nichtinbetriebnahme der neuen Reaktorblöcke zur Aufgabe gemacht. Gemäß Regierungsprogramm vom Jänner 2020 will die ÖVP-Grünen-Koalition dem Neu- und Ausbau von Kernkraftwerken in den Nachbarländern mit allen zur Verfügung stehenden politischen und rechtlichen Mitteln entgegenwirken. Insbesondere die Inbetriebnahme der slowakischen Reaktoren Mochovce 3 und 4 soll verhindert werden.