Ausgetrocknetes Bachbett ebi Altenwörth
APA/Helmut Fohringer
Bilanz

Hitzesommer bot Blick in die Zukunft

Der Sommer 2022 geht als einer der heißesten in die österreichische Geschichte ein. Er war geprägt von zahlreichen Hitzewellen und starken Gegensätzen: Während große Landesteile von Dürre betroffen waren, kämpften andere immer wieder mit Starkregen. Fachleute sind sich einig, dass extreme Hitzesommer wie der heurige die Regel werden.

Mit dem 31. August – dem Mittwoch – endet der meteorologische Sommer. Er verlief in Österreich über weite Strecken trocken und heiß. Die Klimakrise hat sich dabei erneut deutlich gezeigt: Noch vor zwanzig Jahren wäre dieser Sommer hierzulande der mit Abstand heißeste überhaupt gewesen, angesichts hoher Temperaturen in der jüngeren Vergangenheit war es der viertwärmste, heißt es von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG).

„2022 setzt den Trend zu immer heißeren Sommern fort“, so Klimatologe Alexander Orlik von der ZAMG. Die Monate Juni, Juli und August waren dabei um 1,6 Grad wärmer als im Schnitt der Jahre 1991 bis 2020. Die Abweichung zum Mittel der 30 Jahre davor beträgt sogar 3,4 Grad. Es zeigt sich: Das Klima ändert sich rasend schnell. Ohne entschiedene Klimaschutzmaßnahmen wird ein Sommer wie der heurige in wenigen Jahrzehnten zu den kühleren zählen.

Der bisher heißeste Sommer der Messgeschichte Österreichs war jener des Jahres 2003, gefolgt von 2019 und 2015. Knapp dahinter landet jener des laufenden Jahres. An manchen Stationen, etwa Lienz und Klagenfurt, war 2022 bis Mitte August noch auf Kurs für den heißesten Sommer, ehe er auch im Süden etwas zurückgefallen ist.

Die Belastung für Mensch und Natur war deswegen nicht geringer. So führen Hitzeperioden in der Regel auch zu mehr Sterbefällen. Das war auch heuer so: Daten der Statistik Austria zeigen, dass die Zahl der Todesfälle in den besonders heißen letzten zwei Juliwochen um 20 Prozent höher lag als im Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019.

Höhepunkt der Hitze: 38,7 Grad

Fünf Hitzewellen rollten heuer über Österreich. Sie verwandelten durch ausbleibende Niederschläge ganze Landstriche in Steppen, die Blätter der Bäume verfärbten sich wie im Herbst. Vor allem der Osten war davon betroffen. Dabei wurde ein selbstverstärkender Prozess tragend – denn wenn die Böden einmal ausgetrocknet sind, kann sich die Hitze noch weiter steigern.

Die höchste Temperatur des Sommers wurde in Seibersdorf (Niederösterreich) gemessen, am 5. August zeigte das Thermometer dort 38,7 Grad. An 17 Tagen wurden an mindestens einer Wetterstation des Landes über 35 Grad erreicht. Einen neuen Juni-Höchstwert gab es in Feldkirch (Vorarlberg), wo 36,5 Grad verzeichnet wurden.

Trockenheit in Seibersdorf
ORF/Manuel Oberhuber
Die Wetterstation Seibersdorf, gezeichnet von der großen Trockenheit

Am anderen Ende der Skala steht der Brunnenkogel, wo sich auf 3.437 Metern die höchste Wetterstation im Messnetz der ZAMG befindet. Dort wurden am 10. Juni minus 6,7 Grad gemessen. Kalt war es im Sommer aber selbst im Hochgebirge nur selten, auf den Gletschern schmolz extrem viel Eis. Die kühlste Sommertemperatur in bewohntem Gebiet unterhalb von 1.000 Metern Höhe wurde in Ehrwald (Tirol) verzeichnet, hier herrschten in den Morgenstunden des 11. Juni nur 4,0 Grad.

Der Jamtalferner nahe Galtür
Österreichische Akademie der Wissenschaft
Die Hitze setzt den Gletschern zu

Deutlich mehr Hitzetage als normal

Durch die vielen Hitzewellen war auch die Anzahl an Hitzetagen mit mindestens 30 Grad weit überdurchschnittlich. In Ferlach (Kärnten) etwa wurden ganze 41 Tage mit einer Höchsttemperatur über 30 Grad registriert, der langjährige Schnitt der Jahre 1991 bis 2020 liegt bei 23. Die Station mit den meisten „Dreißigern“ war heuer Bad Deutsch-Altenburg (Niederösterreich) mit 45 Hitzetagen.

Auch in den Landeshauptstädten war der Klimawandel spürbar und der Trend der Zunahme an heißen Tagen setzte sich fort. Eisenstadt und Innsbruck kamen jeweils auf 33 Hitzetage, Klagenfurt auf 31. Besonders auffällig war Bregenz: 17 Hitzetage entsprechen einer Verdoppelung gegenüber der Periode 1991 bis 2020 und sogar einer Verfünffachung gegenüber der Periode 1961 bis 1990.

Auch zahlreiche Tropennächte

Zudem gab es zahlreiche Tropennächte – von diesen spricht man, wenn es in der Nacht nicht unter 20 Grad abkühlt. Solche Nächte belasten den menschlichen Kreislauf genauso wie besonders heiße Tage, sie kosten auch viele Menschen den Schlaf. Betroffen ist davon mehrheitlich die urbane Bevölkerung, denn Städte sind Hitzeinseln.

30 Tropennächte erlebte etwa die Wiener Innenstadt. Das waren zwar weniger als in den Rekordjahren 2018 und 2019 mit 41 Tropennächten, aber doppelt so viele wie etwa in den 1990er Jahren. Graz verzeichnete Ende Juni sogar die wärmste Nacht seit Beginn der Aufzeichnungen – mit einem Tiefstwert von 23,4 Grad in Strassgang und 22,5 Grad an der Universität. Die Messungen in Graz reichen bis ins Jahr 1894 zurück.

Tropennächte haben sich in diesem Sommer aber nicht nur auf die Ballungszentren beschränkt, selbst in Litschau im Waldviertel und in Wolfsegg am Hausruck gab es außergewöhnlich warme Nächte. Studien zeigen, dass sich Nächte durch die Klimaveränderung stärker aufheizen als die Tage.

Schon seit einem Jahr zu trocken

Die Trockenheit fiel regional gravierend aus. In manchen Orten in Unterkärnten, etwa in Klagenfurt und in Feistritz ob Bleiburg, hat es im Juni, Juli und August nicht einmal halb so viel geregnet wie normal. Extrem trocken war es lange Zeit auch in der südlichen Steiermark, im Innviertel und im Flachgau, hier hat der Regen der letzten Tage aber zu einer Linderung geführt.

Österreichweit beträgt das Regendefizit des Sommers zwar nur etwa 15 Prozent. Die Folgen waren aber allseits sichtbar, weil schon Winter, Frühling sowie der letzte Herbst zu wenig Niederschlag brachten. Damit herrscht bereits seit vier Jahreszeiten zu große Trockenheit. Eine Trockenheit auf ähnlichem Niveau gab es zuletzt vor 46 Jahren.

Das zeigt sich in der Umwelt. Die Kombination aus viel Sonnenschein und Hitze führt bei Pflanzen zu höherer Verdunstung. In einem wärmeren Klima benötigt die Natur somit mehr regelmäßigen Niederschlag, um den zusätzlichen Wasserverbrauch auszugleichen. Selbst bei gleichbleibender Regenmenge steigt damit die Wahrscheinlichkeit für sommerliche Trockenheit.

Seen und Flüssen fehlt Wasser

Auch die Wasserstände von Flüssen und Seen sanken teils dramatisch. Sinnbild des Dürresommers war der ausgetrocknete Zicksee im Burgenland, wo massenhaft Fische verendet sind. Zu Fischsterben kam es auch in der Thaya, dem Grenzfluss zwischen Niederösterreich und Tschechien. Dort stieg die Wassertemperatur so deutlich, dass sich Blaualgen vermehrten und die Sauerstoffkonzentration auf einen kritischen Wert für die Fische sank.

DOK1 Lokalaugenschein am Zicksee
ORF/Neuland Film
Der völlig ausgetrocknete Zicksee im Burgenland

Der Neusiedler See weist bis heute den tiefsten Wasserstand seit Messbeginn 1965 auf, der jüngste Regen hat kaum Linderung gebracht. Dem Bodensee fehlte in diesem Sommer zeitweise fast ein Meter Wasser, der Wolfgangsee war Mitte August so niedrig wie seit mindestens 1990 nicht mehr. Im Einzugsgebiet des Flusses Mattig im Innviertel waren einige Zubringer zeitweise ausgetrocknet.

Die Grundwasserstände gingen im Flachgau (Salzburg) sowie in Teilen Niederösterreichs und im Nordburgenland auf einen Rekordtiefststand zurück. Im Grazer Becken war der Grundwasserspiegel nur noch zehn Zentimeter vom historischen Tiefststand entfernt.

Weniger Stromproduktion, Schäden in Landwirtschaft

Die Trockenheit hatte auch Folgen für die Stromproduktion in Österreich. Im Juli wurde um 31 Prozent weniger Strom aus Wasserkraft gewonnen als im Vorjahresmonat, Österreich musste dreimal mehr Strom importieren als im Schnitt der vergangenen Jahre, so der Übertragungsnetzbetreiber APG – mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

In der Landwirtschaft belaufen sich die Trockenschäden dieses Sommers in Österreich auf 100 Millionen Euro, so die Hagelversicherung. Sie übersteigen damit die Hagelschäden in diesem Sommer um das Dreifache.

Trockenheit auf der Donauinsel in Wien
ORF/Daniel Schrott
Birken im Hitzestress: Die Wiener Donauinsel Mitte August

Von Dürre zu Überschwemmungen

Besonders an diesem Sommer war auch das teils rasche Umschlagen von einem ins andere Extrem. In Vorarlberg etwa klagten die Almbäuerinnen und -bauern auf den Bergen über versiegte Quellen, in Langen bei Bregenz ging Mitte August gar das Trinkwasser aus. Dann brach plötzlich ein historischer Regen über Vorarlberg herein. Binnen eines Tages fielen in Bregenz 214 Liter pro Quadratmeter, davon 204 Liter in nur zwölf Stunden. Noch nie dagewesene Mengen, die vor allem im Rheintal zu Überschwemmungen und Vermurungen führten.

Überschwemmung nach Starkregen hat in Vorarlberg
APA/Dietmar Stiplovsek
Überflutungen im Rheintal

Auch in Kärnten hieß es Land unter. Im Juli brachte eine Gewitterlinie in Treffen und Arriach über 100 Liter Regen pro Quadratmeter, das ist mehr als normalerweise in einem ganzen Monat fällt. Die Folgen: Muren gingen ab, Bäche traten über die Ufer, Ortschaften waren von der Außenwelt abgeschnitten.

Wärmeres Klima als Beschleuniger

Wärmere Luft kann mehr Wasser bzw. Wasserdampf aufnehmen, mit jedem Grad Erwärmung sind es sieben Prozent mehr. Niederschlagsereignisse in einem wärmeren Klima können dementsprechend stärker ausfallen als in einem kühleren Klima.

„Wetterlagen, die solche Starkregenereignisse im Alpenraum begünstigen, haben in den letzten 30 Jahren um 20 Prozent zugenommen“ so ZAMG-Klimaforscher Georg Pistotnik.

Zahlreiche heftige Gewitter

Unwetter gingen im Sommer auch in Tirol und im Salzburger Land nieder. Im Raum Ellmau fiel Anfang Juni rekordverdächtig großer Hagel mit einem Durchmesser von bis zu zehn Zentimetern. Im Stubaital verursachte im Juli ein Murenabgang Millionenschäden.

Eine starke Gewitterzelle traf im Juli im Pinzgau den Bereich von Wald bis Mittersill. Der viele Regen richtete große Schäden an. Mitte August fielen in Saalbach bei einem Unwetter 80 Liter Regen auf den Quadratmeter, ein neuer Tagesrekord für den Monat.

Folgenschwerstes Unwetter mit fünf Toten

Das folgenschwerste Unwetter ging erst vorletzte Woche nieder. Bei einem Gewittersturm mit Windböen bis über 140 km/h starben fünf Menschen in Kärnten und Niederösterreich. In der Steiermark waren zeitweise 85.000 Haushalte ohne Strom, in den Wäldern entstanden durch Windwurf Schäden in Millionenhöhe.

Zerstörung nach Unwetter in Niederösterreich
APA/FF Gederdorf
Folgen des heftigen Unwetters in Niederösterreich

Der Sommer hat gezeigt: Es ist ein schmaler Grat zwischen Dürre und Rekordregen. Solche Gegensätze passen in das Narrativ der Klimatologen und Klimatologinnen, die in der Zukunft eine weitere Zunahme der Extreme erwarten. Ausgetrocknete Wiesen und Seen, herbstlich verfärbte Blätter schon im Juli und dazwischen immer wieder Überschwemmungen zeigten sich heuer also bereits als „Klimagespenster“ der Zukunft – diese wird von der Gegenwart allerdings bereits eingeholt.