das olympische Dorf am 06. Semptember 1972
APA/AFP
Olympiaattentat 1972

Berlin erzielt Einigung mit Hinterbliebenen

Nach jahrzehntelangem Streit über die Entschädigung für die Hinterbliebenenfamilien des Münchner Olympiaattentats von 1972 hat die deutsche Regierung mit ihnen eine Einigung erzielt – unmittelbar vor dem 50. Jahrestag. Nun wollen die Familien der getöteten israelischen Sportler doch an der Gedenkfeier am Montag in München teilnehmen.

Das teilte die Witwe des bei dem Attentat getöteten israelischen Fechttrainers Andre Spitzer, Ankie Spitzer, am Mittwoch laut israelischen Medienberichten mit. Der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit hatte zuvor mitgeteilt, beide Seiten hätten sich geeinigt. Davor hatte bereits der frühere Innenminister Gerhart Baum (FDP) gesagt, dass es ein Übereinkommen gebe. Der Jurist hatte zusammen mit Kollegen einer Düsseldorfer Anwaltskanzlei die Hinterbliebenen in den Verhandlungen vertreten.

Hebestreit sprach in einer Mitteilung von einer „Gesamtkonzeption“ und erklärte: „Dazu zählen die Aufarbeitung der Geschehnisse durch eine Kommission deutscher und israelischer Historiker, die rechtskonforme Freigabe von Akten, die Einordnung und Übernahme von politischer Verantwortung im Rahmen der Gedenkveranstaltung sowie die Bereitstellung weiterer Anerkennungsleistungen durch den Bund, durch das Land Bayern und durch die Stadt München.“ Eine Summe für die Entschädigungsleistungen nannte er nicht.

Genaue Entschädigungssumme bleibt ungenannt

Wie die dpa aus Regierungskreisen erfuhr, war zuletzt ein Betrag von 28 Millionen Euro im Gespräch gewesen. Davon sollte der Bund 22,5 Millionen, das Land Bayern fünf Millionen und die Stadt München 500.000 Euro tragen. Nach israelischen Medienberichten müssen die Angehörigen im Rahmen der Vereinbarung eine Vertraulichkeitserklärung unterzeichnen. Sie dürften sich demzufolge nicht zur Höhe der Entschädigung äußern. Diese Erklärung solle am kommenden Dienstag während ihres Aufenthalts in Deutschland unterzeichnet werden, schrieb „Israel Hajom“.

Ankie Spitzer, Angehörige eines der Opfer und Sprecherin der Hinterbliebenen
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Die Sprecherin der israelischen Hinterbliebenen, Ankie Spitzer, forderte jahrzehntelang „eine gerechte Kompensation“

„Würdige Gedenkfeier ermöglicht“

Die Präsidenten Deutschlands und Israels, Frank-Walter Steinmeier und Izchak Herzog, zeigten sich „froh und erleichtert“ über die Vereinbarung. „Die Einigung kann nicht alle Wunden heilen. Aber sie öffnet eine Tür aufeinander zu“, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung. „Mit dieser Einigung bekennt der deutsche Staat seine Verantwortung und erkennt das furchtbare Leid der Ermordeten und ihrer Angehörigen an, dessen wir kommende Woche gedenken wollen.“

Anwalt Baum sagte: „Die Vereinbarung ermöglicht auch eine würdige Gedenkfeier am 5. September in Anwesenheit der Präsidenten Herzog und Steinmeier und vor allem in Anwesenheit der Hinterbliebenen, die sich unter den neuen Umständen bereit erklärt haben, an der Feier teilzunehmen.“ Sie enthalte nicht nur materielle und immaterielle Anerkennungsleistungen. „Ebenso wichtig ist den Angehörigen die Aufarbeitung des damaligen Geschehens – jetzt unter Offenlegung aller Quellen.“

Gedenktafel für die bei den olympischen Spielen 1972 ermordeten israelischen Athleten
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45 Jahre hatte es gedauert, bis im Münchner Olympiapark 2017 ein Erinnerungsort entstand

Am 5. September 1972 hatten palästinensische Terroristen bei den Olympischen Spielen in München die israelische Mannschaft überfallen. Elf Mitglieder des Teams und ein Polizist wurden bei der misslungenen Befreiungsaktion der Polizei am Fliegerhorst Fürstenfeldbruck bei München getötet. Die Sicherheitsvorkehrungen galten als mangelhaft. Um eine angemessene Entschädigung für die Hinterbliebenen der Opfer des Attentats wurde seit Jahrzehnten gerungen. Diese fordern auch eine Entschuldigung.

Klage scheiterte wegen Verjährung

1972 und 2002 hatte Deutschland rund 4,6 Millionen Euro als humanitäre Geste für die Betroffenen gezahlt. Hinzu kamen rund eine halbe Million Euro des Nationalen Olympischen Komitees und Spenden des Deutschen Roten Kreuzes. 1994 forderten Opferfamilien vor Gericht 40 Millionen Mark (rund 20,45 Millionen Euro) Schadenersatz und begründeten das mit drastischen Fehlern während des Polizeieinsatzes. Die Klage scheiterte wegen Verjährung.

Die Auseinandersetzung überschattete auch den am Sonntag beginnenden Staatsbesuch des israelischen Präsidenten Herzog in Deutschland. Er wäre ohne die Angehörigen wohl nicht zu der Gedenkveranstaltung gekommen. Nun dürfte er sie zusammen mit Steinmeier besuchen. Es wird erwartet, dass der Bundespräsident sich dabei zur Verantwortung Deutschlands für die Geschehnisse bekennen und die Hinterbliebenen um Entschuldigung bitten wird.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, betonte, die von deutscher Seite gemachten Fehler und Unzulänglichkeiten könnten und sollten nicht vergessen werden. „Aber es ist anzuerkennen, dass sich die politisch Verantwortlichen der Gegenwart der Verantwortung und den Fehlern der Vergangenheit gestellt haben.“