Gorbatschow, einer der wichtigsten Wegbereiter der deutschen Einheit, starb am Dienstag im Alter von 91 Jahren. Ein Staatsbegräbnis gab es anders als nach dem Tod des russischen Präsidenten Boris Jelzin (1931–2007) nicht. Vor dem Haus der Gewerkschaften in Sichtweite des Kreml bildete sich über Stunden eine lange Schlange. Am offenen Sarg legten viele dann Blumen nieder.
In dem Gebäude lag der Leichnam des ehemaligen Staats- und Parteichefs in einem großen Raum mit Säulen im offenen Sarg – so war das schon bei früheren Sowjetführern nach deren Tod üblich. Gorbatschows Tochter Irina nahm schwarz gekleidet und mit dunkler Maske vor dem Mund Beileidsbekundungen entgegen.
Orban reiste nach Moskau
Der Sarg wurde von Ehrenwachen flankiert, aber die große politische Prominenz war nicht dabei. Putins Fehlen am Samstag wurde vom Kreml mit Terminproblemen begründet, er war allerdings schon am Donnerstag am Sarg. Gorbatschow kritisierte als Miteigentümer der kremlkritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“ unter anderem Beschränkungen der Pressefreiheit und andere autoritäre Machtzüge unter Putin.
Aus Russland kamen jedoch Ex-Präsident Dmitri Medwedew, der liberale Oppositionspolitiker Grigori Jawlinski und der Journalist Dmitri Muratow, ebenfalls Träger des Friedensnobelpreises. Auch Ungarns Regierungschef nahm an der Trauerfeier teil. Am Samstag kündigte er seine Reise nach Moskau an. Der als Freund von Putin bekannte Orban wurde von einer vierköpfigen Delegation begleitet.

Orban wird von seinen Kritikern und Kritikerinnen eine zu starke Moskau-Nähe vorgeworfen. Unter anderem hat Ungarn als einziges EU-Land seit Beginn des Ukraine-Krieges den Gasbezug aus Russland erhöht. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan würdigte in einem Telefonat mit Putin den verstorbenen Ex-Präsidenten Gorbatschow. Nach Angaben des Kreml verwies Erdogan in dem Gespräch auf dessen „bedeutende Rolle“ in Russlands jüngster Geschichte und in der Welt.
Politprominenz blieb Moskau wegen Angriffskrieg fern
Ohne den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wären wohl auch zahlreiche hochrangige Politiker und Politikerinnen nach Moskau gekommen, um Gorbatschow die letzte Ehre zu erweisen. Für viele Politiker westlicher Länder wie beispielsweise US-Präsident Joe Biden war eine Teilnahme nun auch nicht möglich, weil sie von russischer Seite als Reaktion auf die Sanktionen des Westens mit Einreiseverboten belegt wurden. Zudem ist der russische Luftraum für Flugzeuge aus „unfreundlichen EU-Staaten“ derzeit gesperrt.

Deshalb nahmen vor allem ausländische Botschafter und Diplomaten von Gorbatschow Abschied. Österreich ließ sich vom Geschäftsträger der Botschaft in Moskau vertreten. Das werde so auch von vielen anderen EU-Mitgliedsstaaten gehandhabt, verlautete es zuvor aus dem Außenministerium auf Anfrage. Gorbatschow fand auf dem Moskauer Prominentenfriedhof am Neujungfrauenkloster in der Nähe des Stadtzentrums seine letzte Ruhe – neben seiner Frau Raissa. Der Sarg wurde unter den Klängen der russischen Nationalhymne und mit Salutschüssen ins Grab gelassen, wie die Nachrichtenagentur Interfax meldete.
Trauerfeier für Gorbatschow in Moskau
In der russischen Hauptstadt Moskau fand heute die Trauerfeier für den ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow statt. Hunderte Menschen versammelten sich beim Haus der Gewerkschaften in Sichtweite des Kreml. Gorbatschow war am Dienstag im Alter von 91 Jahren nach langer schwerer Krankheit gestorben. Am frühen Nachmittag wurde der frühere Staats- und Parteichef auf dem Moskauer Prominentenfriedhof am Neujungfrauenkloster in der Nähe des Stadtzentrums neben seiner Frau Raissa bestattet.
„Gorbi“ genoss großes Ansehen, erntete aber auch Kritik
Gorbatschow galt als Wegbereiter für das Ende des Kalten Krieges und als einer der Väter der Deutschen Einheit. Unter seiner Führung schloss die Sowjetunion in den 1980er Jahren mit den USA wegweisende Verträge zur atomaren Abrüstung und Rüstungskontrolle. In seiner Heimat leitete er als Generalsekretär der Kommunistischen Partei mit seiner Politik von Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) einen beispiellosen Reformprozess ein.

Der politische Prozess führte letztlich zu einem Zusammenbruch des kommunistischen Imperiums. Viele Politiker und Bürger Russlands sehen Gorbatschow deshalb als „Totengräber der Sowjetunion“, der Russland damals ins Chaos stürzte. Vor allem im Osten Deutschlands genoss „Gorbi“ aber wegen der Öffnung des kommunistischen Systems und des von Moskau damals zugelassenen Mauerfalls großes Ansehen. Sein Tod löste international Trauer aus.