die brititsche Premierministerin Liz Truss
AP/Kirsty Wigglesworth
Antrittsrede

Truss will „gemeinsam Sturm überstehen“

Die neue britische Premierministerin Liz Truss hat in ihrer Antrittsrede eine bessere Zukunft für das Vereinigte Königreich angekündigt. „Unser Land wurde von Menschen aufgebaut, die Dinge erledigen. Wir haben gewaltige Reserven an Talent, Energie und Entschlossenheit“, sagte Truss am Dienstag vor ihrem Amtssitz in der Londoner Downing Street.

„Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam den Sturm überstehen, unsere Wirtschaft wieder aufbauen und zu dem modernen, hervorragenden Großbritannien werden, von dem ich weiß, dass wir es sein können.“ Als Prioritäten nannte die bisherige Außenministerin die Wirtschaft, die Energiepreise und den Gesundheitsdienst NHS.

Sie werde dafür sorgen, dass Straßen, Wohnungen und schnelle Internetverbindungen gebaut werden. „Natürlich wird es nicht einfach, aber wir schaffen das. Wir werden Großbritannien in eine aufstrebende Nation verwandeln“, sagte Truss. „So stark der Sturm auch ist, ich weiß, dass die Briten stärker sind.“

Truss will „gemeinsam Sturm überstehen“

Die neue britische Premierministerin Liz Truss hat in ihrer Antrittsrede eine bessere Zukunft für das Vereinigte Königreich angekündigt.

„Wohl britischste Machtübergabe aller Zeiten“

Bis zuletzt war offen, ob Truss ihre Antrittsrede wie geplant vor dem Eingangstor oder innerhalb von Downing Street 10 halten wird. Hintergrund waren starke Regenfälle, die erst unmittelbar bei der staubedingten verspäteten Ankunft der neuen Regierungschefin wieder nachgelassen haben. „Es regnet und Truss steht im Stau“, twitterte dazu „Guardian“-Journalistin Gaby Hinsliff, weswegen es sich „wohl um die wohl britischste Machtübergabe aller Zeiten“ gehandelt habe.

Queen Elizabeth II und Liz Truss
APA/AFP/Jane Barlow
Amtsantritt in königlicher Sommerresidenz: Die Queen empfing Truss auf Schloss Balmoral in Schottland

Amtsantritt auf Sommerresidenz der Queen

Die 47-Jährige war zuvor von Queen Elizabeth II. im schottischen Schloss Balmoral zur Nachfolgerin von Boris Johnson ernannt worden, der unter schwerem Druck seiner Fraktion zurückgetreten war. Truss lobte Johnson. „Die Geschichte wird ihn als äußerst konsequenten Premierminister würdigen“, sagte Truss. In der Downing Street verfolgten Dutzende Abgeordnete und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Antrittsrede.

Die Konservative Partei hatte Truss zuvor zur Vorsitzenden gewählt, was ihr wie in Großbritannien üblich auch den Posten als Regierungschefin bescherte, da die Torys derzeit im Unterhaus in der Mehrheit sind. Truss ist nach Margaret Thatcher und Theresa May die dritte Frau an der Spitze der britischen Regierung.

Johnson-Abschied mit „Trägerrakete“ und Cincinnatus

Der formelle Wechsel an der Regierungsspitze wurde am Vormittag mit einer Abschiedsrede Johnsons eingeleitet, in der er die Mitglieder der Konservativen Partei noch einmal dazu aufrief, sich hinter Truss zu stellen. In seiner mit „Well, this is it folks“ (in etwa „Nun, das ist es, Leute“) eingeleiteten Rede äußerte sich Johnson aber auch zweideutig zu Spekulationen, wonach er bereits an Plänen für ein politisches Comeback arbeitet.

„Lassen Sie mich sagen, dass ich nun wie eine dieser Trägerraketen bin, die ihre Funktion erfüllt hat und sanft wieder in die Atmosphäre eintritt und unsichtbar irgendwo in einem entfernten Teil des Pazifiks versinkt“, wie Johnson in diesem Zusammenhang sagte. Der studierte Historiker Johnson verglich sich in seiner Abschiedsrede allerdings aber auch mit einem römischen Machthaber: „Wie Cincinnatus kehre ich auf meinen Acker zurück.“ Lucius Quintus Cincinnatus (519–430 v. Chr.) war nach erfolgreicher Schlacht zur Feldarbeit zurückgekehrt – übernahm aber erneut die Alleinherrschaft, als er darum gebeten wurde.

der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson
AP/Justin Tallis
Johnson bezeichnete sich bei seiner Abschiedsrede als „Trägerrakete“ – und erinnerte auch daran, nicht freiwillig zu gehen

Johnson war nach zahlreichen Skandalen zum Rückzug gezwungen worden, ist aber bei der Parteibasis noch immer beliebt. Er sitzt weiterhin als normaler Abgeordneter im Parlament. Mit „sie haben die Regeln auf halbem Weg geändert“, erinnerte Johnson in seiner Abschiedsrede daran, dass er nach 1.140 Tagen sein Amt nicht freiwillig verlässt, sondern von seinem Kabinett dazu gezwungen wurde. Was folgte, war die Amtsübergabe ganz nach Protokoll: Nach seiner Abschiedsrede reiste Johnson nach Schottland und reichte bei Elizabeth II. seinen Rücktritt ein, die in direkter Folge das Regierungszepter an Truss übergab und diese mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragte.

Etliche offene Baustellen

Seine Nachfolgerin bezog die Downing Street in einer kritischen Phase: Großbritannien ist mit einer galoppierenden Inflation konfrontiert und droht in eine Rezession zu stürzen. Millionen Britinnen und Briten haben Angst, im bevorstehenden Winter ihre Strom- und Gasrechnungen nicht mehr bezahlen zu können. Hinzu kommen Unsicherheiten durch den Krieg in der Ukraine, die Coronavirus-Pandemie und den Brexit.

Truss hat Steuerkürzungen versprochen und angekündigt, als eine ihrer ersten Maßnahmen einen Plan zur Bewältigung der Energiekrise vorzulegen. Konkrete Details nannte die neue Premierministerin bisher nicht öffentlich. Medienberichten zufolge will sie Unternehmen mit einem Hilfspaket im Umfang von 40 Milliarden Pfund (46,32 Mrd. Euro) unter die Arme greifen.

Im Gespräch ist auch eine Deckelung der Energiekosten, um einen Anstieg der Rechnungen zu stoppen. Die Umsetzung eines solchen Vorhabens könnte nach Angaben eines Insiders bis zu 100 Milliarden Pfund kosten, wobei die Frage der Finanzierung laut britischen Medienberichten wohl noch zu klären sei.

Ernüchternde Umfrage

Lobende Worte für ihren „Freund“ Johnson fand Truss bereits am Montag unmittelbar nach ihrer Kür zur neuen Parteichefin. Johnson habe den Brexit erledigt, die Labour Party abgewehrt, für die schnelle Einführung des Coronavirus-Impfstoffs gesorgt und sich gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin gestellt. Die bisherige Außenministerin zeigte sich zudem überzeugt, dass die Ziele ihrer Partei von der Mehrheit der Britinnen und Briten unterstützt würden.

Dabei genießt Truss selbst in ihrer eigenen Partei keinesfalls eine uneingeschränkte Unterstützung. Das erhöht den Druck auf Truss, umgehend bei den Wählerinnen und Wählern einen positiven Eindruck zu hinterlassen.

Bisher gelang ihr das – zumindest mit Blick auf eine am Montag durchgeführte Blitzumfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov – noch nicht: Vielmehr waren 50 Prozent der Befragten enttäuscht, dass Truss ihre Premierministerin werden soll. Nur 22 Prozent zeigten sich zufrieden. Ähnlich schlecht sehen derzeit die Umfragewerte der Konservativen im Verhältnis zur oppositionellen Labour-Partei aus.