John Malkovich auf dunkler Bühne
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Herbstgold-Festival

Die Abrechnung des John Malkovich

Die mittlerweile größten Kunstwerke der Welt waren in der Zeit ihrer Entstehnung oft alles andere als Erfolge. Genüsslich zerrissen wurden sie von der Kritik. „The Music Critic“ heißt ein Projekt aus der Feder des Musikers und Comedian Aleksey Igudesman, das im Rahmen des Herbstgold-Festivals zu erleben sein wird. Malkovich zerreißt dabei die größten Werke von Ludwig van Beethoven bis zur Gegenwart. Doch Musiker wie Geiger Julian Rachlin wehren sich und schlagen, künstlerisch, zurück.

In die zweite Saison geht der umtriebige Violinist und Netzwerker Rachlin mit seinem Herbstgold, das am Sonntag mit einer konzertanten Version von „Bastien und Bastienne“ in eine Saison startet, die unter dem Motto „Leidenschaft“ in allen Spielarten steht. Heuer hat das Paar Cornelius Obonya und Carolin Pienkos die konzertante Oper für den Haydn-Saal im Schloss Esterhazy gestaltet und kombinierte Mozarts „Operetta“, also die kleine Oper, mit dem Text „Le devin du village“, von Jean-Jacques Rousseau. Mit Hilfe eines Dorfwahrsagers findet in dieser Umsetzung ein zänkisches Paar, das das Leidenschaftsthema in einen anderen Kontext getragen hat, wieder zusammen.

Und dem Zank um die wahre Kunst hat man sich bei dem Festival, das heuer wieder in und um das Schloss Esterhazy bis 25. September läuft, auf einer anderen Ebene gewidmet. Was, wenn sich die Kritik, aber auch die Kolleginnen und Kollegen auf dem Boden der Musik geirrt haben mit ihren Anfangseinschätzungen zu Werken oder auch Personen, die sich letzten Endes als Große in ihrem Fach durchsetzen konnten.

„The Music Critic“, einst uraufgeführt auf dem Festival von Dubrovnik, ist ein großes Satirestück über die Irrtümer in der Einschätzung von Kunst, das der in Wien lebene Musiker Igudesman, bekannt auch durch die YouTube-Serie „Igudesman and Joo“ dem US-Schauspieler Malkovich auf den Leib geschrieben hat. Am 24. September erlebt das Stück, das schon auf einigen Festivals gefeiert wurde, seine Österreich-Premiere. Gemeinsam mit Rachlin (Violine), Igudesman (Violine), Sarah McElravy (Viola), Boris Andrianov (Violoncello) und Hyung-ki Joo (Klavier) werden große Werke der Klassik zerlegt und auch durch die Brille der Zeitgenossen betrachtet.

Kultur aus der Vogl-Perspektive: Julian Rachlin

Vom 11. bis zum 25. September findet in Eisenstadt das Klassikfestival Herbstgold statt, und das zum zweiten Mal unter der künstlerischen Leitung von Stargeiger Julian Rachlin – Teresa Vogl hat sich ins Burgenland aufgemacht, um den Weltstar in der imposanten Kulisse von Schloss Esterhazy zum Interview zu bitten.

„Wie der Liebling von Papageien“

„Von vorne sieht er aus wie ein genialer Fotograf; von hinten lässt ihn seine Art, sein Haar zu frisieren, aussehen wie eine Sonnenblume, der Liebling der Papageien und Schrebergärten. Grieg mag ein vorzüglicher Komponist sein, wenn er die Volksmusik seines Landes interpretiert, aber ansonsten ist er nicht mehr als ein schlauer Musiker, der sich nur um Effekte und nicht um echte Kunst kümmert.“ Das etwa hielt Claude Debussy über seinen nordischen Zeitgenossen Edward Grieg fest. Die Musik darf solchen Feststellungen kontern und dem Publikum überlassen, die Einschätzungen geteilt oder widerlegt zu sehen. Auch Malkovich und Rachlin selbst lassen die schrecklichsten Kritiken über die eigene Arbeit an diesem Abend über sich ergehen.

Julian Rachlin als Dirigent im Vorjahr
Andreas Tischer / OTS
„Herbstgold soll Europas führendes Boutique-Festival werden.“ Hier ein Bild aus dem Vorjahr im Haydn-Saal.

Flankiert eine Performance wie diese auch durch Einführungsveranstaltungen, etwa eine durch den gerne austeilenden Kritiker, „Kronen Zeitung“- und „News“-Autor Heinz Sichrovsky, der sich im Vorfeld erinnert, wie er über manchen seiner Zeitgenossen geurteilt hat. „Meine erste Kritik über den Debütanten Tobias Moretti am Wiener Volkstheater zeichnet das Bild eines unbegabtem unfreiwilligen Selbstparodisten, dem ich damals erklärt habe, er sollte doch dringend eine Berufswahl überdenken“, erinnert sich Sichrovksy gegenüber ORF.at. Und Rachlin lacht heute, wenn er an eine seiner ersten Kritiken denkt, manchen galt er als Wunderkind an der Geige, andere, so erinnert er sich, „wollten dieses Möchtegernbubi wieder von der Bühne schicken“.

Chamber Orchestra of Europe als Gast in Eisenstadt

Elf Konzerte gibt es jedenfalls beim Herbstgold-Festival, das für Leiter Rachlin das „führende Boutique-Festival in Europa“ werden soll, zwischen 11. und 25. September zu hören und erleben. Das Chamber Orchestra of Europe, eines der zwei führenden Kammermusikorchester in Europa, konnte als Residenzorchester verpflichtet werden, was angesichts eines Budgets von 600.000 Euro als Sensation gelten mag. Wie Rudolf Buchbinder nutzt Rachlin seine Kontakte und das Setting, das er in Eisenstadt anbieten kann, um große Namen verpflichten zu können. „John Malkovic kenne ich eigentlich über meine Rolle in Gerard Depardieus ‚Napoleon‘-Film, wo man sich am Set kennengelernt habe. Späte habe Malkovich für ihn völlig überraschend die Einladung zum ‚Music Critic‘-Projekt angenommen, einfach weil er auch aus Passion gern auf der Bühne steht“, erinnert sich Rachlin im Gespräch mit ORF.at. Ohne diese Kontakte wäre die Liste der Stars, etwa auch Andras Schiff, der in diesem Jahr zu hören sein wird, kleiner.

Julian Rachlin bei Willkommen Österreich
Hans Leitner / First Look / ORF / picturedesk
„Ich komm zu euch, ihr kommt’s zu mir“: Rachlin im Vorjahr bei „Willkommen Österreich“. Heuer kommen Sterman & Grissemann nach Eisenstadt und präsentieren Loriot unter dem Motto „Das Ei ist hart“.

Rachlin setzt auf ausgewählte, manchmal auch sehr schräge Zugänge. Johann Sebastian Bachs legendäre „Goldberg“-Variationen gibt es in Eisenstadt etwa als Streichtrio zu hören, was, so schwärmt Rachlin über die Bearbeitung des russischen Geigers und Dirigenten Dmitri Sitkovetski, „die Mathematik dieser 30 Variationen erst zu ihrem eigentlichen Sinn führt“. Alles sei in diesem Werk Bachs durch drei dividiertbar, schwärmt der 1974 in Vilnius zur Welt gekommene Rachlin. Und alle Loriot- und Stermann-&-Grissemann-Fans dürfen sich auch freuen: Zum Finale gibt es den legendären Loriot-„Ring“, einst auf der Grundlage der Karajan’schen Wagner-Einspielung produziert, in der Version des österreichisch-deutschen Duos. „Das Ei ist hart“, heißt ihre Bearbeitung dieses Klassikerstoffes zur klassischen Klassik wie zur klassischen Comedy.