Zuvor war in dem Palast bei einer Sitzung des Thronfolgerats, dem Hunderte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens angehören, das Proklamationsdokument ausgefertigt worden. Zu den Unterzeichnern zählten unter anderem Charles’ ältester Sohn William – der neue Thronfolger –, seine Gattin Camilla und Premierministerin Liz Truss. Die Zeremonie wurde von dem Ruf „Gott schütze den König!“ begleitet. Charles erklärte: „Für die Verrichtung der schweren Aufgabe, die mir auferlegt ist, und der ich nun das widme, was mir von meinem Leben bleibt, bete ich um die Anleitung und Hilfe des allmächtigen Gottes.“
Faktisch ist der 73-Jährige bereits seit dem Tode Elizabeths II. König. Sie war am Donnerstag im Alter von 96 Jahren gestorben. Erst kürzlich hatte sie ihr 70. Thronjubiläum gefeiert. Die britische Regierung rief den Beginn einer nationalen Trauerphase aus, die bis zum Staatsbegräbnis am 19. September dauern soll. Das Datum gab der Palast am Samstagabend bekannt.
Auch eine Krönung steht noch an – der Termin dafür ist aber noch offen. Die Krönung von Elizabeth II. fand 1953 statt – 16 Monate, nachdem sie nach dem Tod ihres Vaters Königin geworden war.
Charles verweist auf „inspirierendes Vorbild“
„Ich bin mir des großen Erbes und der Pflichten und schweren Verantwortung des Monarchen, die mir nun übertragen wurden, zutiefst bewusst“, sagte Charles III. am Samstag. Die Regentschaft seiner am Donnerstag im Alter von 96 Jahren gestorbenen Mutter sei unübertroffen gewesen in Länge, Hingabe und Ergebenheit. Er werde sich bemühen, „dem inspirierenden Vorbild, das mir gegeben wurde, zu folgen, indem ich die Verfassung hochhalte und Frieden, Harmonie und Wohlstand der Völker dieser Inseln, der Commonwealth-Gebiete und Territorien auf der ganzen Welt anstrebe“.
Zusätzlicher Feiertag und Sargaufbahrung
Zum Staatsbegräbnis werden Staatsoberhäupter und andere hochrangige Gäste aus aller Welt erwartet, darunter US-Präsident Joe Biden und der japanische Kaiser Naruhito, nach Großbritannien reisen. Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Ratschef Charles Michel haben ihr Kommen zugesagt. Am Tag der Beisetzung sollen die Menschen in Großbritannien freibekommen. Charles III. genehmigte einen zusätzlichen Feiertag.
Der Leichnam der Queen soll nach ihrer Überführung nach London in der kommenden Woche vier Tage lang im Palace of Westminster aufgebahrt werden. Der Sarg solle ab Mittwoch in der Westminster Hall des Palastes stehen, bestätigte der Palast am Samstag. Dort soll auch die britische Öffentlichkeit die Möglichkeit haben, der Queen einen letzten Besuch abzustatten und zu trauern.
Charles offiziell zum König ernannt
In London hat sich der Thronfolgerat getroffen und am Vormittag formell König Charles III. ausgerufen. Die Nachricht der Proklamation wird nun im gesamten Vereinigten Königreich verkündet.
Blumenmeer vor Buckingham-Palast
Am Buckingham-Palast riss indes auch am Samstag der Strom an Trauernden nicht ab. Schon in der Früh fanden sich Tausende Menschen ein, um Blumen oder Karten niederzulegen, Kerzen anzuzünden oder innezuhalten. Trotz der Menschenmassen war die Atmosphäre ruhig und respektvoll, wie die britische Nachrichtenagentur PA meldete. Etliche Trauernde reisten auch von weiter entfernt an.
Damit das Anwesen im Londoner Regierungsviertel Westminster nicht unter dem Blumenmeer versinkt, dürfen alle Sträuße zwölf Stunden lang davor liegen, bevor sie in den angrenzenden Green Park gebracht werden. Darauf weist auch ein Schild am Zaun des Palastes hin.
William, Harry, Kate und Meghan reden mit Trauernden
Erstmals seit dem Tod der Queen zeigten sich die beiden Enkelsöhne Prinz William und Prinz Harry und ihre Ehefrauen Kate und Meghan in der Öffentlichkeit. Die beiden Paare tauschten sich am Samstagnachmittag mit Trauernden und Schaulustigen aus, die sich an der großen Allee bei Schloss Windsor versammelt hatten, und schauten sich Blumen und persönliche Botschaften an, die vor dem Anwesen niedergelegt worden waren.
Versprechen der Queen erneuert
Charles III. hatte sich bereits am Freitag erstmals als König an seine Untertanen gewandt. Er erneuerte feierlich jenes Versprechen, das auch seine Mutter als junge Frau einst gab: sein Leben dem Dienst an seinem Volk zu widmen. Das sei mehr als ein Versprechen gewesen, sondern auch eine persönliche Verpflichtung, die sie eingegangen sei und gehalten habe. Nun wolle er es ihr gleichtun.
King Charles’ erste Ansprache
Der neue König Charles III. erneuerte das Versprechen seiner Mutter zum lebenslangen Dienst an seinem Volk. Zudem ernannte er in seiner ersten Ansprache als König seinen Sohn und Thronfolger William zum neuen Prinzen von Wales und dessen Ehefrau Kate zur Prinzessin von Wales.
Neue Titel für William und Kate
Charles verkündete zudem, dass sein älterer Sohn William ihm nun als Prince of Wales nachfolgen werde, dessen Frau Catherine werde den Titel Princess of Wales tragen. Er sei sich sicher, dass die beiden weiterhin die britische Gesellschaft inspirieren und nationale Debatten anführen würden. Er wandte sich auch an seinen jüngeren Sohn Harry und dessen Frau Meghan, das Paar hatte die Pflichten der Königsfamilie niedergelegt und war in die USA ausgewandert. „Ich möchte auch meine Liebe zu Harry und Meghan zum Ausdruck bringen, während sie ihr Leben im Ausland weiter aufbauen“, sagte Charles.
Er dankte der britischen Bevölkerung auch für ihre Anteilnahme: Die öffentliche Unterstützung bedeute ihm mehr, als er ausdrücken könne. Dafür sei er ehrlich dankbar. Am Ende der Zeremonie in der St.-Paul’s-Kathedrale wurde erstmals seit Jahrzehnten bei einem offiziellen Anlass die britische Nationalhymne mit der geänderten Zeile „God Save the King“ (dt.: „Gott schütze den König“) gesungen.
Schaltungen nach London und Balmoral
ORF-ReporterInnen Jörg Winter und Eva Pöcksteiner berichten aus London bzw. Balmoral in Schottland über die Proklamation von König Charles III. und die Stimmung im Vereinigten Königreich nach dem Ableben der Queen.
Schweres Erbe
Charles tritt nun ein schweres Erbe an, die Queen stand über 70 Jahre lang für Beständigkeit und Pflichtbewusstsein. Während ihrer Regentschaft gab es 15 Premierministerinnen und -minister und freilich viele Krisen. Doch der Zeitpunkt, an dem Charles nach Jahrzehnten als Thronfolger nun König wird, ist besonders heikel.
Seit dem Brexit-Votum 2016 befindet sich die britische Politik gleichsam in einer Dauerkrise. Die Pandemie ging direkt über in eine schwere, durch den Ukraine-Krieg hervorgerufene Versorgungskrise. Die Inflation in Großbritannien liegt derzeit bei über zehn Prozent und dürfte weiter ansteigen. Auch ist nun die Sorge im Königshaus groß, es könnten sich in den Staaten des Commonwealth weitere Unabhängigkeitstendenzen verstärken.