Michael Brunner, Gerald Grosz, Walter Rosenkranz, Heinrich Staudinger, Tassilo Wallentin, Dominik Wlazny bei „Im Zentrum“
ORF/Roman Zach-Kiesling
Debatte zur Hofburg-Wahl

Prüfung für sechs Kandidaten

Sieben Kandidaten werden am 9. Oktober bei der Wahl zum Bundespräsidenten auf dem Stimmzettel stehen. Sechs der Bewerber debattierten Sonntagabend in der ORF-Sendung „Im Zentrum“. Amtsinhaber Alexander Van der Bellen nahm die Einladung nicht an. Seine Herausforderer lieferten einander Debatten zur Neutralität, zum EU-Austritt und den Sanktionen gegen Russland. Alle sechs mussten sich einem Test in Verfassungsrecht über die Kompetenzen des Bundespräsidenten stellen.

Nicht ganz sicher waren sich manche Kandidaten bei Fragen wie zur Entlassung eines Regierungsmitglieds, zur Auflösung von Landtagen und der Verteilung von Ehrenzeichen. Wenig Verständnis für diese Fragen hatte Kandidat Gerald Grosz (früher FPÖ/BZÖ): „Machen wir doch keine Gouvernantenprüfung daraus. Wir können uns noch bis 9. Oktober einlesen.“ Verfassungsjurist Karl Stöger bescheinigte am Ende der Sendung jedenfalls, dass die Kandidaten bei der Diskussion „tatsächlich im Verfassungsbogen“ gewesen seien.

Die meisten Hofburg-Bewerber distanzierten sich deutlich von Van der Bellen und kritisierten dessen Absage an die Diskussion in „Im Zentrum“. Diese wurde vonseiten der Präsidentschaftskanzlei gegenüber dem ORF damit begründet, dass sich auch seine Vorgänger als Amtsinhaber keiner Diskussion gestellt hätten. Dieser Tradition wolle er zur Wahrung der Würde des Amtes folgen. Die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle kann diese Entscheidung nachvollziehen: „Manche Kandidaten wollen eine Denkzettelwahl. Van der Bellen will nicht Maßnahmen wie etwa zum Coronavirus verteidigen, mit denen er nichts zu tun hat.“

Michael Brunner, Gerald Grosz, Walter Rosenkranz, Heinrich Staudinger, Tassilo Wallentin, Dominik Wlazny bei „Im Zentrum“
APA/Tobias Steinmaurer
Sechs Kandidaten stellten sich der Diskussion (v. l. n. r.): Grosz, Wlazny, Rosenkranz, Wallentin, Brunner, Staudinger

Qualifikationen für die Hofburg

In Abgrenzung zu Van der Bellen hoben die Kandidaten während der Diskussion immer wieder ihre Nähe zur Bevölkerung hervor und begründeten damit auch ihre Qualifikation für das Amt des Bundespräsidenten. Er habe zu Menschen Kontakt und kenne ihre Probleme, sagte etwa FPÖ-Kandidat Walter Rosenkranz. Der Rechtsanwalt Tassilo Wallentin setzte auf „einfache Lösungen“. Auch Michael Brunner (MFG) sah sich für das Amt des Bundespräsidenten qualifiziert, weil er aus der Bevölkerung komme und diese kenne: „Wenn ich Bundespräsident werde, werde ich wenn nötig mit den Menschen wieder auf die Straße gehen.“

Sein breit gefächerter Lebenslauf – Arzt, Musiker, Unternehmer – qualifiziere ihn für die Hofburg, so Dominik Wlazny alias Marco Pogo: „Bundespräsident kann man nicht studieren.“ Der Unternehmer Heinrich Staudinger sah sich aufgrund seiner jahrzehntelangen Tätigkeit in der Realwirtschaft als Bundespräsident geeignet. Der Blogger Grosz begründete seine Kandidatur kurz und bündig: „Ich bin mutig und verstecke mich nicht.“

Uneinig in Sachen Neutralität

Auf keinen gemeinsamen Nenner kamen die Kandidaten beim Thema Neutralität. Während für Rosenkranz die Neutralität „in Waldviertler Granit gemeißelt“ ist und er einen „Wirtschaftskrieg“ als „Neutralitätsbruch“ bezeichnete, forderte Wlazny eine Sicherheitsdebatte: „Niemand traut sich zu sagen, dass wir das neu beleuchten müssen.“ Für Staudinger sei der Katastrophenschutz die „Hauptfunktion des Heeres“. Das sei gut. Es sei „hirnrissig“, wie jetzt aufgerüstet werde. Seine Vorbilder seien der Pazifismus und Mahatma Ghandi.

„Im Zentrum spezial“: Positionen zur Neutralität

Die Kandidaten diskutierten über die Neutralität und ihre Haltung dazu.

Brunner sah für Österreich eine Vermittlerrolle wie zu Zeiten von Bundeskanzler Bruno Kreisky (SPÖ). Grosz hingegen forderte eine bessere Ausstattung des Heeres als „Feuerlöscher auch für unsere Neutralität“. Wallentin forderte eine öffentliche Diskussion über die beschlossene EU-Eingreiftruppe. Eine Verlängerung des Präsenzdienstes und eine Verpflichtung von Frauen kam für keinen der Kandidaten infrage.

Debatte über EU-Austritt

Breit gefächert waren die Positionen gegenüber der EU. Es sei „sinnbefreit“, über einen Austritt aus der EU zu diskutieren, meinte Wlazny: „Da wird mir ganz schlecht, wenn ich nur daran denke.“ Staudinger bezeichnete die EU als Friedensprojekt, das aber Mankos habe. So sei etwa die Ökologie eine große Baustelle. Auch Wallentin sagte, er denke nicht an einen Austritt, sondern an eine Veränderung von innen. Es habe noch nie eine bessere Chance dazu gegeben. Die EU sei derzeit eine „reformbedürftige Umverteilungsmaschine Richtung Krisenländer“.

Grosz sagte, er halte nicht viel von Reformen. Er habe sich per Notariatsakt dazu verpflichtet, für eine Volksabstimmung zu arbeiten, um zu fragen, ob „dieses Konstrukt (die EU, Anm.) noch unser Europa“ sei. Auch Brunner hielt die EU für „nicht mehr reformfähig“. Er sprach sich für ein Ausstiegsszenario aus. Man müsse über einen Austritt gar nicht nachdenken, meinte hingegen Rosenkranz: „Ich habe den Verdacht, dass sich die EU selbst auflöst.“

Sanktionen: „Alternativlos“ bis „sinnwidrig“

Weniger heterogen waren die Meinungen zu den Sanktionen gegen Russland. Einzig Wlazny bezeichnete diese als „alternativlos“ und „moralische Verpflichtung“. Für Grosz ist das der „falsche Weg“ und „geheuchelter Humanismus“. Wallentin legte sich nicht eindeutig fest, sondern sagte, er wolle die Österreicher und Österreicherinnen über das Ende der Sanktionen abstimmen lassen.

Als „sinnwidrig“ bezeichnete Brunner die Sanktionen, Rosenkranz brachte in diesem Zusammenhang die Neutralität Österreichs ein. Staudinger meinte: „Unser Wohlstand gründet sich auf den Boden der Ausbeutung der Natur, auch der Tiere und auch der Menschen vor allem in der Dritten Welt.“

In Zweierkonfrontationen diskutierten Staudinger und Grosz über das Ausländerwahlrecht und kamen dabei genauso wenig auf einen grünen Zweig wie Wlazny und Brunner zum Thema Brückenbauen zwischen Geimpften und Ungeimpften. Es zeige sich deutlich, dass „vier Kandidaten im rechten Milieu fischen“, so Stainer-Hämmerle. Das habe sich besonders beim Duell Rosenkranz vs. Wallentin zum Thema Klimaschutz und Vorgehen bei einem potenziellen Konflikt mit dem Bundeskanzler gezeigt.

„Im Zentrum spezial“: Frauen als Wählerinnengruppe

Erstmals seit 1980 ist keine Frau unter den Antretenden. In der Schlussrunde beantworten die Kandidaten, warum Frauen sie dennoch wählen sollen.

„Wir müssen alle Feministen sein“

Da erstmals seit 1980 nur Männer bei einer Bundespräsidentschaftswahl antreten, mussten sich die Kandidaten der Frage stellen, warum Frauen sie wählen sollten. Staudinger begründete das mit seinem Einsatz für Alleinerziehende. Wallentin sagte, er kenne diese Problematik als alleinerziehender Vater ebenfalls. Brunner verwies auf den Wunsch seiner Partei, Mutter- und Vaterschaft als Beruf anzuerkennen.

Grosz wollte sich von Frauen und Männern „und alles, was dazwischen liegt“, wählen lassen, Rosenkranz als Bildungspolitiker sah sich mit diesem Thema im Fokus der Mütter, und Wlazny meinte insbesondere in Bezug auf die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern: „Ich bin Feminist. Solange diese Ungleichheit besteht, müssen wir alle Feministen sein.“