Gebäude in welchem Putin und Xi Jinping am Gipfel teilnehmen
AP/Foreign Ministry of Uzbekistan
Xi und Putin

Erstes Treffen seit Kriegsbeginn steht bevor

Erstmals seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine wollen die Präsidenten Russlands und Chinas persönlich zusammenkommen. Wladimir Putin und Xi Jinping nehmen am zweitägigen Gipfel der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) in Usbekistan teil, der am Donnerstag beginnt. Gespannt wird erwartet, wie sehr Xi Putin im Ukraine-Krieg den Rücken stärken wird.

Im Mittelpunkt der Begegnung von Putin und Xi steht nach russischen Angaben der Ukraine-Konflikt. Beide Präsidenten hatten sich kurz vor Beginn des Krieges zur Eröffnung der Olympischen Winterspiele Anfang Februar in Peking getroffen und ihre „grenzenlose“ Freundschaft beschworen. China hat Russland seither mehrfach Rückendeckung gegeben – auch vor dem Hintergrund seiner eigenen Konflikte mit den USA und Taiwan. Gleichzeitig agiert Peking bei der Bewertung des Ukraine-Krieges mit Vorsicht.

Es gilt allerdings als symbolischer Akt, dass Xi auf seiner ersten Auslandsreise seit Ausbruch der Pandemie just mit Putin zusammentrifft. Wegen des Coronavirus hatte der Machthaber die Volksrepublik nicht mehr verlassen und auch kaum ausländische Staatsgäste in Peking empfangen. Im November will er nach indonesischen Angaben auch am Gipfel der großen Industrienationen (G-20) auf Bali teilnehmen; ob Russland daran teilnimmt, ist noch unklar.

Archivfoto des russischen Präsidenten Wladimir Putin und des chinesischen Präsidenten Xi Jinping
AP/Sputnik/Kremlin Pool Photo/Alexei Druzhinin
Putin und Xi kurz vor Eröffnung der umstrittenen Winterspiele

Chinas diplomatischer Drahtseilakt

Im Vorfeld hatte Chinas Präsident die „umfassende strategische Partnerschaft“ beider Staaten gepriesen, die aus seiner Sicht auf dem richtigen Weg sei und nicht nur den Menschen beider Völker, sondern auch Frieden, Stabilität und Wohlstand in der Region diene, wie ihn die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua zitierte.

China hatte sich in den vergangenen Monaten bezüglich Pekings Haltung zum Krieg in einem Drahtseilakt geübt. Einerseits vermied man Kritik an Russland und bezeichnete den Krieg nicht als solchen, andererseits blieb man bei jenen Signalen betont zurückhaltend, die als mögliche Unterstützung Russlands gelesen werden könnten. Stattdessen hatte Peking „alle Beteiligten“ zu einer Einstellung der Feindseligkeiten aufgefordert.

Durch Dialog solle ein Weg gefunden werden, der die „legitimen Sicherheitsinteressen“ aller Parteien in Einklang bringe, sagte Außenamtssprecherin Mao Ning: „Die internationale Gemeinschaft sollte auch daran arbeiten, die Bedingungen und den Raum dafür zu ermöglichen.“

Putin und Xi in Usbekistan

Das erste Treffen zwischen Xi und Putin seit Kriegsbeginn wird international mit Spannung erwartet.

Ein Treffen, zwei Protokolle

Die ambivalente Haltung zeigte sich erst diese Woche. Russlands Parlament hatte vermeldet, dass der hochrangige Außenpolitiker Li Zhanshu gegenüber russischen Abgeordneten „Verständnis und Unterstützung für Russland, besonders bezüglich der Ukraine“, geäußert habe.

Chinas Präsident Xi Jinping bei der Ankunkt am Flughafen
AP/Xinhua/Yao Dawei
Der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew (r.) empfängt Xi

„Wir sehen, dass die USA und die NATO ihre Präsenz nahe der russischen Grenze ausgeweitet haben und damit die nationale Sicherheit und das Leben der russischen Bevölkerung bedrohen“, heißt es in dem Protokoll. Man könne „alle russischen Maßnahmen nachvollziehen, mit denen Russland seine eigenen Interessen schützen will, und stellen Unterstützung zur Verfügung“.

Diese Worte wären die klarste Unterstützung des russischen Angriffskrieges, die China bisher artikuliert hätte. Allerdings war in den chinesischen Protokollen des Treffens davon nichts zu lesen. In diesen äußerte sich Li gar nicht zur Ukraine. Fachleute stellten daher die Frage in den Raum, inwieweit der Passus mit Moskau abgeklärt wurde.

Doppelte Strategie mit Handel

Bisher hat sich China nicht nur bei seiner öffentlichen Unterstützung zurückgehalten, es vermeidet nach Angaben von ausländischen Fachleuten auch Verstöße gegen internationale Sanktionen, um nicht selbst zur Zielscheibe von Strafmaßnahmen zu werden. Gleichwohl hat der Handel zwischen beiden Ländern stark zugenommen, da chinesische Produkte die sanktionsbedingten Marktlücken in Russland füllen und China deutlich mehr Energie aus dem Nachbarland bezieht, seit der Westen russische Lieferungen boykottiert.

Analyse: Putins Interessen an China

ORF-Korrespondent Paul Krisai berichtet über das bevorstehende Treffen von Wladimir Putin und Xi Jinping in Usbekistan. Vor allem Russland will die wirtschaftliche Zusammenarbeit künftig intensivieren.

Iran wird aufgenommen

Die SCO-Gruppe wurde 2001 von China und Russland ins Leben gerufen, um ein Gegengewicht zu den USA zu schaffen. Nun findet ihr Gipfel erstmals seit 2019 wieder in persönlicher Anwesenheit der Staatsführer statt. Außer China und Russland gehören Indien, Kasachstan, Kirgistan, Pakistan, Tadschikistan und Usbekistan der Gruppe an. All diese Staaten spielen eine wichtige Rolle in Chinas gigantischem Infrastrukturprojekt, der „Belt and Road Initiative“ (BRI) – auch bekannt als „Neue Seidenstraße“. Putin will am Freitag eine Rede über seine Vision von der Zukunft der Organisation halten.

Spezialeinheiten für die Sicherheit der Gipfelteilnehmer
APA/AFP/Alexander Nemenov
Strenge Sicherheitsvorkehrungen herrschen auf dem Gipfel

Als neuntes Mitglied soll nun der Iran aufgenommen werden, der bisher Beobachterstatus hatte. Der iranische Präsident Ebraim Raisi zählt in Smarkand zu den Gipfelgästen und traf sich bereits mit Putin. Der russische Staatschef versicherte dem Iran in der Folge eine rasche SOC-Aufnahme.

Angesichts der Spannungen mit dem Westen und des Streits über das iranische Atomprogramm hat das Land seine Außenpolitik neu ausgerichtet. Um westliche Sanktionen zu neutralisieren, wirbt Teheran bei China und Russland um ökonomische und militärische Kooperation.

Erdogan ebenfalls Gast

Auch Belarus, das wie die Mongolei Beobachterstatus hat, hat eine Mitgliedschaft beantragt. Als Partnerländer eingestuft sind Armenien, Aserbaidschan, Kambodscha, Nepal, Sri Lanka und die Türkei. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wollte ebenfalls zu dem Gipfel reisen und unter anderen mit Putin zu Gesprächen zusammenkommen. Der Präsident des NATO-Mitglieds Türkei hat sich bereits mehrfach als diplomatisches Bindeglied zwischen Kiew und Moskau präsentiert. In Usbekistan soll es um die Umsetzung des Getreideabkommens gehen, das Erdogan vermittelt hat.

Auch der indische Premierminister Narendra Modi wird in Samarkand erwartet. Erstmals seit den tödlichen Konfrontationen zwischen Soldaten Indiens und Chinas an der strittigen Grenze beider Länder im Himalaya 2020 wurde eine Begegnung zwischen Modi und Xi erwartet.