Anti-Regierungsproteste in Teheran
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Pattsituation im Iran

Regime stemmt sich weiter gegen Proteste

Die Angst vor der Religionspolizei im Iran scheint derzeit zu schwinden: Weiterhin gibt es laute Proteste nach dem Tod einer jungen Frau in Polizeigewahrsam. Präsident, Polizei und Armee wollen Härte demonstrieren, auch das Internet wurde beschränkt. Die Kluft zwischen dem restriktiven Regime und der Bevölkerung wird sichtbarer.

In der Nacht auf Sonntag starben bei Protesten Medienberichten zufolge 41 Menschen, die Zahlen sind allerdings nicht bestätigt. Seit Samstag gibt Teheran vorerst keine offiziellen Zahlen bekannt, es wurde nur bestätigt, dass es Tote gegeben habe. Zuletzt hatte der Iran vor drei Tagen 17 bis 20 Tote bestätigt. Laut einem örtlichen Polizeichef wurden allein am Samstag im Norden des Landes mehr als 700 Menschen festgenommen.

Polizei und Präsident bilden Front

„Wir haben 739 Krawallmacher, unter ihnen auch 60 Frauen, festgenommen und inhaftiert“, sagte der Polizeichef der Provinz Gilan, Asisiollah Maleki, am Samstag. Bei den Verhaftungen seien auch zahlreiche Waffen, Munition und Sprengstoffe sichergestellt worden, hieß es nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA. Die verhafteten Demonstranten sollen Maleki zufolge für die Verletzung von mehr als 100 Polizisten sowie Beschädigungen an öffentlichen Einrichtungen verantwortlich sein.

Internetunterstützung von außen

Die Gefährdung der Sicherheit sei eine rote Linie, daher werde man bei den Protesten konsequent durchgreifen, so der Polizeichef. Die örtlichen Behörden sind dabei einig mit der Führung des Landes. Der iranische Präsident Ebrahim Raisi sagte am Samstag, es müsse „entschlossen gegen diejenigen vorgegangen werden, die der Sicherheit und Ruhe des Landes entgegenstehen“.

Anti-Regierungsproteste in Teheran
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Gegen das restriktive Regime: Seit rund einer Woche gibt es Proteste im Iran

In der Folge wurde der Zugang zum Internet im Land stark eingeschränkt, auch soziale Netzwerke wurden gesperrt. Die USA kündigten daraufhin Maßnahmen an, um den freien Zugang zum Internet im Iran zu verbessern und einen freien Informationsfluss zu ermöglichen. Auch Tesla-Chef und SpaceX-CEO Elon Musk wird seinen Starlink-Satelliten-Breitbanddienst für die Menschen im Iran aktivieren, wie er auf Twitter schrieb. Musk hatte mitgeteilt, er wolle eine Ausnahme von den Iran-Sanktionen für seinen Starlink-Service beantragen. Es war noch nicht geklärt, ob er weiterhin eine Sondergenehmigung braucht.

Der iranische Journalistenverband wies darauf hin, dass mehrere einheimische Reporter wegen der Berichterstattung über die Proteste in Haft seien, und forderte die sofortige Freilassung. „Diese Kollegen sind nur ihrer Arbeit nachgegangen und müssen daher umgehend freigelassen werden“, erklärte am Samstag der Verband. Mindestens neun Reporter seien entweder inhaftiert oder müssten sich demnächst bei den Behörden melden. Das sei in höchstem Maße schädlich für das Ansehen aller iranischer Medien, kritisierte der Journalistenverband laut einer Meldung der Nachrichtenagentur ILNA.

Demonstranten bleiben hartnäckig

Die Demonstrantinnen und Demonstranten wollen trotz der Repressionen nicht klein beigeben. Seit dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini vor mehr als einer Woche gehen die Wogen hoch. Die Proteste richten sich nicht nur gegen die Religionspolizei, sondern auch allgemein gegen die Einschränkung persönlicher Freiheitsrechte durch das Regime. Videos im Internet zeigten zahlreiche Proteste und auch Versuche von Gegnern, diese zu unterbinden. Am Freitag konterte die Regierung mit staatlich organisierten Kundgebungen regierungstreuer Demonstranten in mehreren Städten.

Pro-Regierungsprotest in Teheran
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Am Freitag wurde auch staatlich organisiert demonstriert: Für die Kleidungsvorschriften und das Regime

Amini war wegen Verstößen gegen die strenge islamische Kleiderordnung verhaftet worden, sie soll ihr Kopftuch nicht angemessen getragen haben. Wenig später war sie tot, die Polizei gab an, Amini habe Herzprobleme gehabt. Menschenrechtsaktivisten zufolge erlitt die junge Frau einen tödlichen Schlag auf den Kopf.

Weiter Streit über Todesursache

Nach Angaben des iranischen Innenministers wurde Aminis Tod nicht von der Polizei verursacht. „Die medizinischen Untersuchungen und jene der Gerichtsmedizin zeigen, dass es weder Schläge (seitens der Polizei) noch einen Schädelbruch gegeben hat“, sagte Minister Ahmad Wahidi laut der Nachrichtenagentur IRNA am Samstag. Die voreiligen Schlüsse in diesem Fall und die darauf folgenden Proteste seien daher auf der Basis von falschen Interpretationen entstanden, so der Minister.

Aminis Vater kritisierte den Bericht der Gerichtsmedizin vehement. Seine Tochter habe keinerlei Herzprobleme gehabt und könne daher auch nicht an Herzversagen gestorben sein.

Mehr als 700 Festnahmen bei Protesten im Iran

Im Iran gehen die Demonstrationen weiter – und auch die Opferzahl steigt. Mindestens 35 Menschen sind bisher getötet, mehr als 700 festgenommen worden. Auslöser für die Proteste war der Tod einer jungen Frau, die nach ihrer Festnahme durch die Religionspolizei gestorben ist.

Geheimdienst: Bombenanschläge vereitelt

Der Iran behauptet, dass die Demonstrationen vom Ausland und iranischen Exilgruppen gesteuert würden, um das Land zu schwächen oder gar die Regierung zu stürzen. Der Fall Amini sei nur eine Ausrede. „Proteste ja, Unruhen nein“, sagte Präsident Raisi. Er werde nicht zulassen, dass Randalierer und „vom Ausland bezahlte Söldner“ die Sicherheit des Landes gefährdeten. Daher sollten Polizei, Armee, Revolutionsgarden und auch die Justizbehörde konsequent durchgreifen. Die Demonstranten, hauptsächlich Frauen, weisen diese Behauptungen zurück.

Der iranische Geheimdienst gab am Samstag auch an, bei den Protestdemonstrationen mehrere Bombenanschläge vereitelt zu haben. Die Anschläge seien von Anhängern der Monarchie und Mitgliedern der Volksmudschaheddin in der Stadt Tabris im Nordwesten des Landes geplant worden, hieß es in einem Geheimdienstbericht laut der Nachrichtenagentur Mehr. Die Tatverdächtigen seien festgenommen worden.