Sebastian Kurz im ÖVP Untersuchungsausschuss
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„Bin bereit“

ÖVP-U-Ausschuss befragt Ex-Kanzler Kurz

Im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss wird der frühere Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) befragt. Er sei sich sicher, dass alle Vorwürfe gegen ihn aufgeklärt werden, sagte er am Mittwoch. Die ÖVP kündigte an, genau auf die Fragen der anderen Fraktionen zu achten. Kurz hingegen wolle Fragen beantworten: „Ich bin bereit.“

Schon zu Beginn war klar, wohin die Reise gehen wird. Es war noch keine Frage gestellt, da meldete sich bereits ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger zur Geschäftsordnung und kritisierte nicht nur die Ladung, sondern zitierte aus den bisherigen Befragungen von Kurz im „Ibiza“-U-Ausschuss. Viele Fragen seien damals unzulässig gewesen, urteilte Hanger. Man werde genau darauf achten, ob sich die Befragung im Untersuchungsgegenstand befinde. Über die Zulässigkeit entscheidet der Vorsitzende – nach Rücksprache mit dem Verfahrensrichter.

Nach einer weiteren Wortmeldung durch SPÖ-Fraktionschef Kai Jan Krainer, der wiederum Hangers Wortmeldung kritisierte, gab Kurz eine schnelle einleitende Stellungnahme ab: „Ich bin bereit.“ Zuvor hatte er sich den Medien gestellt und sich sichtlich erfreut über die zahlreichen Journalisten und Journalistinnen gezeigt. Er sei sich sicher, dass alle Vorwürfe aufgeklärt werden, es seien auch bereits viele Verfahren eingestellt worden.

Sebastian Kurz im ÖVP Untersuchungsausschuss
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Auch Kurz – wie viele amtierende und ehemalige Regierungsmitglieder – verweigerte einen Kameraschwenk

Fragen zu Sideletter

Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl begann seine Befragung mit den publik gewordenen Sidelettern. Kurz gab an, dass das langjährige Praxis gewesen sei. Es werden Vereinbarungen zu Budget- und Personalfragen erstellt. „Mit den Sidelettern wird das Ziel verfolgt, dass Themen, die auf die Regierung zukommen, geregelt werden.“ In den Sidelettern (zwischen ÖVP und FPÖ bzw. ÖVP und den Grünen) wurde beispielsweise geregelt, welche Personen für Posten am Verfassungsgerichtshof infrage kommen.

Kurz äußerte sich ausführlich zu den Fragen des Verfahrensrichters. Angesprochen auf eine Äußerung des früheren ÖVP-Ministers und Verfassungsrichters Wolfgang Brandstetter, der es „komisch fand“, selbst in einem Sideletter vorzukommen, meinte der Ex-Kanzler: Brandstetter sei nicht Teil des Verhandlungsteams gewesen, weshalb dieser darüber nichts wissen könne.

Der frühere Justizminister Brandstetter habe aber Interesse am Amt des Verfassungsrichters gezeigt. Ob er mit ihm darüber gesprochen habe, wisse er nicht mehr. Es habe wohl eine Abstimmung gegeben, sagte Kurz.

Zig Wortmeldungen – Zeit läuft weiter

NEOS-Fraktionschefin Stephanie Krisper bohrte nach und wollte wissen, wie es sein kann, dass sich Parteien schon im Vorfeld Postenbesetzungen ausmachen, obwohl es gesetzliche Regeln zu den Besetzungen gebe. Die ÖVP wendete umgehend ein, dass die Frage nicht konkret sei. Verfahrensrichter Pöschl bat um eine Konkretisierung und widersprach einer weiteren ÖVP-Wortmeldung, wonach die Frage unzulässig sei. Nichtsdestrotz beharrte Ausschussvorsitzender Friedrich Ofenauer (ÖVP) – er vertritt Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) – auf einer weiteren Konkretisierung.

Andreas Hanger (ÖVP)
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ÖVP-Fraktionschef Hanger meldete sich gleich mehrmals zur Geschäftsbehandlung – das kostet auch Zeit

Weil sich Hanger nochmals zu Wort meldete, folgte eine etwas längere Stehung, in der offenbar vereinbart wurde, nach mehreren Meldungen zur Geschäftsordnung gleich zu unterbrechen. Eine Unterbrechung bedeutet, dass die Zeit gestoppt wird – das erfolgt bei Wortmeldungen nicht, weshalb insbesondere die Opposition eine Verzögerungstaktik der ÖVP beklagte. Die ÖVP attestierte den anderen Fraktionen aber, sich nicht im definierten Untersuchungsgegenstand zu bewegen.

Über Gasprom-OMV-Deal „informiert“

Kurz erläuterte anschließend ausführlich, warum Nominierungsrechte für bestimmte Posten während Regierungsverhandlungen vereinbart werden. SPÖ-Fraktionschef Krainer ortete ein „Abschweifen von der Fragestellung“, was Hanger wieder auf den Plan rief, um die Antwort der Auskunftsperson zu verteidigen. FPÖ-Fraktionschef Christian Hafenecker konnte die ganze Debatte nicht nachvollziehen. Krisper schwenkte auf eine Russland-Frage um – doch auch hier sah die ÖVP eine Unzulässigkeit, gehe es doch um Privatwirtschaft und nicht um Regierungshandeln.

Stephanie Kriser (NEOS)
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Krispers Fragen wurden wegen der Wortmeldungen verzögert beantwortet

Verfahrensrichter Pöschl riet dem Vorsitzenden, die Frage zuzulassen, wenn sie anders gestellt wird. So fragte Krisper „zur Klärung“, warum Kurz bei der Vertragsunterzeichnung zwischen OMV und Gasprom auf einem Foto zusammen mit Russlands Präsident Wladimir Putin zu sehen ist. Für Pöschl war die Frage unzulässig. Sie betreffe nicht den Untersuchungsgegenstand, sagte der Verfahrensrichter.

Ex-Kanzler Kurz im ÖVP-U-Ausschuss

Im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss ist am Mittwoch Ex-Kanzler Sebastian Kurz geladen. Etwa ein Jahr nach seinem Ausscheiden aus der Politik soll er den Abgeordneten Rede und Antwort stehen.

Kurz erläuterte allerdings, dass er immer einen guten Austausch mit der OMV-Spitze gehabt habe. Im Großen und Ganzen sei er als Kanzler über die Strategie des teilstaatlichen Konzerns informiert gewesen. Den Vertrag, wonach Österreich sich bis ins Jahr 2040 ans russische Gas bindet, habe er nicht verhandelt, er kenne aber die Grundzüge. Das Foto sei seiner Meinung nach nichts Außergewöhnliches gewesen. In vielen Fällen wüsste er nicht, was zwischen Unternehmen abgeschlossen wird – in diesem Fall sei er informiert gewesen.

„Mantra: Ich muss an allem schuld sein“

Die OMV beschäftigte auch den weiteren Verlauf der Befragung. Der damalige Chef, Rainer Seele, habe gute Beziehungen zu Russland und anderen Staaten, sagte die Auskunftsperson. Das hätten die Beteiligten gewusst und das sei wohl auch als Vorteil gesehen worden. Er habe mit der Bestellung von Seele im Jahr 2015 allerdings nichts zu tun gehabt, betonte Kurz. Das sei weder in seiner Zuständigkeit gewesen (damals war Kurz Außenminister) noch mische er sich in privatwirtschaftliche Entscheidungen ein.

Sebastian Kurz im ÖVP Untersuchungsausschuss
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Äußerst redselig zeigte sich Kurz vor den Medienvertretern

Er kenne „das Mantra, dass ich an allem schuld sein muss“, sagte Kurz. Aber mit diesen Entscheidungen habe er nichts zu tun gehabt. Berichte, wonach westliche Geheimdienste vor einer zu engen Beziehung zu Russland warnten, habe er keine wahrgenommen. Wenn er es als Kanzler für nötig befunden hätte, wäre er auch eingeschritten. „Aber Entscheidungen und Strategien sind von Unternehmen getroffen worden“, betonte er. „Ich habe nichts gegen Rainer Seele gehabt. Er war nicht meine Erfindung. Die Vertragsverlängerung war unspektakulär.“

SPÖ und FPÖ sprechen von zentraler Figur, ÖVP von Farce

Im Vorfeld der Befragung sagte die Grünen-Fraktionschefin Nina Tomaselli, sie glaube nicht, dass es ausführliche Antworten geben werde, sie erwarte, dass sich Kurz immer wieder entschlage bzw. durch lange Antworten verzögere. NEOS-Fraktionschefin Krisper fragte sich wie Tomaselli im Vorfeld, ob sie auch Fragen stellen könnte, also ob genug Zeit für sie bleibe. Sie wolle wissen, wie es so weit kommen könne, dass es um Posten etwa für die „ÖVP-Familie“ ging unter Kurz, der selber einen „neuen Stil“ versprochen habe.

Platz der Auskunftsperson beim Ibiza Untersuchungsausschuss
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Am Mittwoch waren zahlreiche Medienvertreter im U-Ausschuss

Kurz sei die wichtigste Auskunftsperson, so SPÖ-Fraktionschef Krainer, denn der Ausschuss beschäftige sich ja unter anderem mit dem Aufstieg Kurz’ etwa durch das „Projekt Ballhausplatz“. Er glaube „an das Gute im Menschen“, sagte er mit Blick auf die ÖVP, und dass die Befragung heute gut ablaufen könne. Kurz sei „die zentrale Schlüsselfigur“, es gebe weiterhin mehr Fragen als Antworten, sagte FPÖ-Abgeordneter Wolfgang Zanger. Unter den Auswirkungen seiner Kanzlerschaft leide die Republik noch heute.

ÖVP-Fraktionsführer Hanger erklärte den Ausschuss zur „absoluten Farce“, es gebe ein heilloses Durcheinander bei den Beweisthemen und den Auskunftspersonen, für Außenstehende sei es nicht nachvollziehbar, was im Ausschuss geschehe. Er sieht den Fehler auch beim Verfahrensrichter bzw. der Verfahrensrichterin: Die ÖVP werde „ausschließlich“ Fragen zulassen, die vom Untersuchungsgegenstand auch gedeckt seien.