Karoline Edtstadler, Bundesministerin für EU und Verfassung (ÖVP) in der ORF-„Pressestunde“
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Ermittlungsverfahren zeitlich befristen

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hat in der ORF-„Pressestunde“ am Sonntag einmal mehr auf eine Stärkung der Beschuldigtenrechte und eine zeitliche Befristung von Ermittlungsverfahren gepocht. Kritik kam von der Opposition.

Es könne nicht sein, dass Ermittlungsverfahren sieben, 13 oder sogar 14 Jahre dauern. Edtstadler schwebt eine Beschränkung auf zwei bis drei Jahre, in schwierigen Fällen maximal vier Jahre vor. „Alles andere ist ein Wahnsinn“, so die Ministerin.

Sie schließt sich damit der Forderung des neuen Präsidenten des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK), Armenak Utudjian, an. Dass sie einmal den Beschuldigtenstatus als „zivile Todesstrafe“ bezeichnet hat, bekräftigte Edtstadler und sprach sich neuerlich für eine Stärkung der Beschuldigtenrechte aus. Wenn sich Ermittlungen jahrelang hinzögen, würden viele Beschuldigte ihren Job verlieren und müssten mit der Ungewissheit über den Fortgang der Ermittlungen leben.

Edtstadler sieht darin auch einen Verstoß gegen Artikel sechs der Menschenrechtskonvention, der das Recht auf ein faires Verfahren festlegt. Laut Edtstadler gibt es auch mehrere Verurteilungen wegen zu langer Verfahren.

Vorstoß nicht wegen ÖVP-Causen

Sie bekräftigte erneut, das sei keine Sache für die ÖVP, sondern gehe darüber weit hinaus. Gegen mehrere aktuelle und ehemalige ÖVP-Politikerinnen und -Politiker oder deren Mitarbeiter laufen Ermittlungsverfahren der WKStA. Parallel beschäftigt sich der ÖVP-U-Ausschuss im Parlament mit der politischen Aufarbeitung verschiedener Causen, wie etwa der mutmaßlichen Finanzierung von Parteiumfragen durch das Finanzministerium.

Gefragt, ob ein wesentlicher Grund für die lange Verfahrensdauer nicht die Personalnot bei den Staatsanwaltschaften sei, meinte Edtstadler, das sei „zu kurz gegriffen“. Jede Behörde würde bejahen, dass eine bessere Ausstattung möglich wäre. Aber es sei auch möglich, die Effizienz innerhalb von Verfahren zu steigern. So könne man etwa weniger Beschuldigte in einem Verfahren zusammenfassen und dadurch schnellere Einstellungen ermöglichen.

Welche Pläne verfolgt die Verfassungsministerin bei der Neugestaltung der Weisungsspitze im Justizbereich?

Bundestaatsanwalt soll von Parlament bestellt werden

In der Diskussion über die Schaffung einer unabhängigen Bundesstaatsanwaltschaft wiederholte Edtstadler ihre Forderung nach einer parlamentarischen Kontrolle des Generalstaatsanwalts als Weisungsspitze. Sowohl Bestellung als auch Abberufung und laufende Kontrolle müssten durch das Parlament passieren, so die Ministerin in der „Pressestunde“. Am Mittwoch gab es ein erstes Abstecken der Positionen mit Justizministerin Alma Zadic (Grüne), nun werde weiterverhandelt. Edtstadler zufolge gibt es eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Justizministerin.

Auch die immer wiederkehrende Kritik aus der ÖVP an der Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) erneuerte die Ministerin. „Es kann niemand über der Kritik stehen. Kritik muss möglich sein.“ Schützenhilfe erhielt sie dafür am Wochenende vom neuen ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. „Wenn jemand wie ich im U-Ausschuss gesessen ist und keinen Bedarf für Veränderungen bei der WKStA erkennt, mache ich mir Sorgen“, sagte er in der ORF-Sendung „Hohes Haus“ und in der „Tiroler Tageszeitung“.

Stocker (ÖVP) zum U-Ausschuss

ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker nimmt Stellung zum aktuellen Stand im ÖVP-U-Ausschuss.

Gegen Alleingang bei Informationsfreiheitsgesetz

Zum seit Langem in Schwebe befindlichen Informationsfreiheitsgesetz wollte Edtstadler keine Prognose abgeben, ob es einen Beschluss noch in dieser Legislaturperiode geben wird. Sie unterstrich, man wolle das Ende des Amtsgeheimnisses, aber es müsse so gestaltet sein, dass Länder und Gemeinden es auch umsetzen können. Damit erteilte Edtstadler Aktivistinnen und Aktivisten für mehr Transparenz eine Absage. Diese fordern wegen des anhaltenden Widerstands von Ländern und Gemeinden, dass der Bund für sich im Alleingang das Informationsfreiheitsgesetz einführt – mit der Hoffnung, dass Länder und Gemeinden dann nachziehen werden.

Was hat sich seit dem Rücktritt von Sebastian Kurz in der ÖVP verändert?

Gefragt, was sich seit dem „Schritt zur Seite“ und dem späteren Rücktritt von Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz vor etwa einem Jahr geändert habe, betonte Edstadler vor allem unter Verweis auf den Ukraine-Krieg: „Es hat sich alles geändert“, praktisch nichts sei mehr so wie vor einem Jahr. Zugleich brach sie eine Lanze für den nunmehrigen ÖVP-Chef und Kanzler Karl Nehammer, der angesichts schlechter Umfragewerte immer wieder kritisiert wird. Dieser sei „der Richtige in dieser Situation“.

Kritik an Edtstadler kam von SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim insbesondere zu Edtstadlers Klage über lange Verfahren und ihrer Kritik an der WKStA. Die Justiz brauche keine „Grabenkämpfe und Krokodilstränen“, sondern die nötigen Mittel, um moderner und schneller arbeiten zu können. Es sei aber die ÖVP, die die Justiz diesbezüglich „seit Jahrzehnten im Würgegriff“ halte.

Die grüne Justizsprecherin Agnes Prammer wies die Kritik von Edtstadler und Stocker an der Justiz wegen langer Verfahren zurück. Eine Begrenzung, wie von Edtstadler gefordert, lehnt Prammer ab. Bereits jetzt müssten Ermittlungsverfahren nach drei Jahren einem unabhängigen Gericht zur Prüfung vorgelegt werden. Mit einer absoluten Begrenzung könnten komplexe Verfahren, etwa wegen Terrorismus und organisierter Kriminalität, möglicherweise nicht zu Ende gebracht werden, warnte Prammer.