Aleksandar Vucic, Viktor Orban und Karl Nehammer
Reuters/Bernadett Szabo
Migrationsgipfel

Länderkooperation für „neue“ Asylpolitik

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), der serbische Präsident Aleksandar Vucic und der ungarische Regierungschef Viktor Orban sind am Montag in Budapest zu einem Migrationsgipfel zusammengekommen. Der Grund seien, so die Regierungschefs, die steigenden Flüchtlingszahlen über die Balkan-Route. Dem wollen Österreich, Ungarn und Serbien nun mit nationalen Maßnahmen entgegentreten. Die Länder wollen eine Kooperation für eine „neue“ Asylpolitik eingehen – und nicht zuletzt auch ein deutliches Signal an Brüssel senden.

Es sei ein gutes Eröffnungstreffen einer „längeren Reihe“ gewesen, sagte Orban zu Beginn. Im Zentrum standen Beratungen zum „vernachlässigten Thema“ Migration, seien Ungarn, Österreich und Serbien doch am härtesten davon betroffen. Und weiter: „Wir haben ein Migrationsproblem.“ Denn zu den Grenzübertritten aus dem Süden kämen nun auch noch die Geflüchteten aus der Ukraine.

Die Zusammenarbeit der Länder benötige daher eine neue Dimension. In einem ersten Schritt wurden gegenseitige Absichten erklärt, bei einem weiteren Treffen in Belgrad sollten konkrete Schritte in Rechtsform gegossen sowie finanzielle Fragen geklärt werden. Ein drittes Treffen soll in Wien stattfinden, sagte Orban.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban
Reuters/Bernadett Szabo
Orban schoss hart gegen die Migrationspolitik der EU

Flüchtlingszentren außerhalb der EU gefordert

Auf die Frage, wie die Route über den Westbalkan konkret entlastet werden könne, zählte Orban drei Punkte auf: Zuerst gelte es, die „Verteidigungslinie“ weiter in den Süden zu rücken. Derzeit liege diese an der serbisch-ungarischen Grenze. Auch bedürfe es besserer Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern.

Der „schwierigste Bereich“ sei aber, externe Hotspots, also Flüchtlingszentren außerhalb der EU einzurichten und dort Asylanträge zu bearbeiten. Davor gebe es keinen Zutritt zur EU. Doch dafür müsste die Rechtsordnung angepasst werden, so Orban.

Kritik an Brüssel

Der ungarische Regierungschef teilte hier einmal mehr gegen Brüssel aus: Die Regeln der EU seien lebensfremd, man habe noch nie irgendwelche Hilfeleistungen erhalten, etwa für den Bau einer Grenzmauer.

Im Gegenteil: „Wenn wir die Regeln verwenden, die funktionieren, kommt Brüssel mit irgendwelchen Verfahren gegen die Menschlichkeit und Rechtsstaatlichkeit, und wir werden vor Gericht gezerrt“, so Orban, der hier eine „neue Flüchtlingspolitik“ forderte. Zwar würde er sich über eine europäische Lösung freuen, doch nationale Lösungen seien es, die nun gefragt seien.

Orban verfolgt eine harte Linie gegen Migration – der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das Land dafür wiederholt verurteilt, NGOs beklagen seit Jahren Misshandlungen von Asylsuchenden und Zurückweisungen (Pushbacks) nach Serbien.

Bundeskanzler Karl Nehammer
Reuters/Bernadett Szabo
Für Nehammer ist Migration immer auch eine Frage der Sicherheit in der EU

Nehammer für „echten Außengrenzschutz“

Ähnlich äußerte sich Nehammer: „Das Asylsystem der EU ist gescheitert, das ist die Ursache, und die Folgen müssen wir als Mitgliedsstaaten tragen.“ Nun seien Schritte und Kooperationen auch über die Grenzen der EU hinaus notwendig, um „echten Außengrenzschutz“, schnelle Asylverfahren und schnelle Rückführungen zu garantieren.

Die EU sollte als Gemeinschaft gegenüber den Herkunftsländern auftreten und gemeinschaftliche Rückführungsabkommen abschließen. Durch wirtschaftliche Kooperation und „Zusammenarbeit auf Augenhöhe“ könnte man dabei eine „Win-Win-Situation schaffen“, sagte der Kanzler. Weiters müsse der europäische Grenzschutz verstärkt werden,. Gleichzeitig erteilte Nehammer der Verteilung von Asylwerbern innerhalb der EU erneut eine Absage.

Verstärkte polizeiliche Zusammenarbeit

Schließlich sei „irreguläre Migration“ auch eine „zentrale Frage für die Sicherheit der EU“ sowie eine „Frage der sozialen Stabilität in der Gesellschaft“. Und: Österreich habe ein hohes Interesse daran, dass die Westbalkan-Staaten als strategische Partner näher an die EU herangeführt werden.

Bei der neuen Kooperation verwies Nehammer auf die „lange Tradition der Zusammenarbeit“. Verstärkte polizeiliche Zusammenarbeit beim Grenzschutz solle dabei helfen, den „großen Migrationsdruck“ zu reduzieren.

Der Kanzler wurde auch auf jüngste Berichte angesprochen, wonach sich österreichische Polizisten an der Misshandlung von Migranten an der serbisch-ungarischen Grenze beteiligt hätten. Nehammer antwortete darauf, bei Vorwürfen werde immer ermittelt: „Es gilt abzuwarten und das Ergebnis zu prüfen.“

Serbiens Präsident Aleksandar Vucic
Reuters/Bernadett Szabo
„Wir können uns gegenseitig helfen“, so Vucic

Serbien will Visaregeln ändern

Seitens Serbiens gab es indes die Zusicherung, mit 1. Jänner die Visapolitik an jene der EU anzupassen – sodass es Geflüchteten schwerer gemacht werde, in westliche Länder weiterzureisen. Die Verschärfung der Visaregeln betreffe jene Länder, aus denen viele „illegale Geflüchtete“ in die EU kommen.

Vucic sagte dazu: „Serbien sollte nicht ausgenützt werden von jenen, die nicht wegen beruflicher Angelegenheiten kommen, sondern für illegale Migration Richtung Westen.“ Und: „Durch Maßnahmen, die wir planen, können wir Teile Europas (vor Migration, Anm.) bewahren. Serbien wird ein zuverlässiger Partner sein“, sagte der serbische Präsident.

Österreich hatte im heurigen Jahr einen starken Anstieg von illegalen Einreisen aus einigen nicht europäischen Staaten verzeichnet, deren Bürger derzeit ohne Visum nach Serbien reisen können. Konkrete Angaben, welche Herkunftsländer mit Jahreswechsel von den strengeren Visaregeln Serbiens betroffen sein würden, gab es bei der Pressekonferenz zwar nicht. Es hieß aber im Umfeld, dass eine verschärfte Regelung für die besonders betroffenen Länder wie Indien und Tunesien in Aussicht stehe.

Zusammenarbeit auch in anderen Bereichen

Er habe keinen Zweifel, dass die Zusammenarbeit zu Migration funktionieren werde – aber auch bei Themen wie Energie, Grasreserven und Versorgungssicherheit könne es in Zukunft eine engere Kooperation geben. Denn „wir können uns gegenseitig helfen, das ist der Kernpunkt“, so Vucic.

Serbien hat bereits den EU-Kandidatenstatus erhalten und verhandelt seit 2014. Doch Vucic orientiert sich seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine stärker an Russland als zuvor – und hatte etwa auch Sanktionen gegen Russland eine Absage erteilt.

Karner fordert aktivere EU-Rolle bei Außengrenzschutz

Unterdessen fand in Bratislava ebenso ein Treffen zu Migration statt – diesmal auf Ministerebene. EU-Grenzüberschreitende Kriminalität brauche grenzüberschreitende Zusammenarbeit, das kurzfristig zusammengerufene Arbeitstreffen mit Amtskollegen sei daher absolut notwendig und richtig. Das sagte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in Bratislava, wo er an Gesprächen mit den Amtskollegen der Slowakei, Ungarns und Tschechiens teilnahm.

Geladen zum Treffen zu den erneut gestiegenen Flüchtlingszahlen in Europa hatte der slowakische Innenminister Roman Mikulec, nachdem Tschechien und im Anschluss auch Österreich vergangene Woche aufgrund des vermehrten Schlepperaufkommens vorübergehend Kontrollen an der Grenze zur Slowakei eingeführt hatten.

Einigkeit bei Migrationskonferenz

Die Außengrenzen der EU müssen gestärkt werden, darauf haben sich die Slowakei, Österreich, Tschechien und Ungarn bei der Migrationskonferenz in der slowakischen Hauptstadt Bratislava geeinigt. Auch die Binnengrenzen sollen gestärkt werden.

Karner: Künftige Maßnahmen besprochen

Laut Karner habe man in den Gesprächen wichtige Maßnahmen und Schritte für die Zukunft besprochen, die von den beteiligten Ländern, einer Art „Allianz der konsequenten vier“, in Blick genommen werden.

Eines der wichtigsten gemeinsamen Signale sei eine weitere Stärkung der Außengrenzen der EU, damit es einen „robusten“ Außengrenzschutz gibt, meinte er. Hierzu sollen auch Polizistinnen und Polizisten aus allen vier Ländern an der ungarisch-serbischen Grenze eingesetzt werden.

„Politischer Druck“ auf EU-Kommission

Da Schengen allen Beteiligten ein wichtiges Anliegen sei, seien aber „in besonderen Situationen“ manchmal auch Kontrollen an Binnengrenzen notwendig, räumte Karner ein. Österreich tut das etwa in Richtung Slowenien und Ungarn, Deutschland wiederum in Richtung Österreich. Entscheidend sei auch hier eine abgestimmte und gemeinsame Vorgangsweise, so der Ressortchef.

Als weitere wichtige Punkte der Gespräche nannte Karner einen „klaren politischen Druck auf die Europäische Kommission“ in Richtung Visapolitik auf dem Westbalkan, eine intensive polizeiliche Zusammenarbeit im Kampf gegen die Schlepper sowie funktionierende Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern der Flüchtlinge.