Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger
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Schrödingers Erben

Zeilinger knüpft mit Preis an Tradition an

Die Auszeichnung des österreichischen Quantenphysikers Anton Zeilinger mit dem Physiknobelpreis hat bei Vertretern von Wissenschaft und Politik für helle Freude gesorgt. Dem Standort Österreich kommt damit einmal mehr eine besondere Rolle in der weltweiten Forschung zu – denn der Beitrag des 77-Jährigen reiht sich in die Tradition weiterer Österreicher, die die Quantenforschung in der Vergangenheit maßgeblich beeinflusst haben, ein.

So gilt der 1887 in Wien-Erdberg geborene Erwin Rudolf Josef Alexander Schrödinger als einer der wichtigsten Begründer der Quantenmechanik. Auch er erhielt 1933, gemeinsam mit Paul Dirac, den Nobelpreis für Physik für die „Entdeckung neuer produktiver Formen der Atomtheorie“ – und machte mit seinem wohl bekanntesten Gedankenexperiment „Schrödingers Katze“ das Konzept der Quantenphysik auch einem weniger physikaffinen Publikum bekannt.

Und auch der 1900 in Wien geborene Wolfgang Ernst Pauli hat als einer der bedeutendsten Physiker des 20. Jahrhunderts (Quanten-)Geschichte geschrieben. Er formulierte 1925 das später nach ihm benannte Pauli-Prinzip, das eine quantenmechanische Erklärung des Aufbaus eines Atoms darstellt und auch für größere Strukturen weitreichende Bedeutung hat. 1945 wurde er für ebenjene Formulierung mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.

Physiknobelpreisträger Erwin Schrödinger
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Der Österreicher Schrödinger gilt als einer der Begründer der Quantenmechanik

In der Tradition der österreichischen Quantenforschung kann zudem der US-amerikanische Physiker österreichischer Herkunft Walter Kohn verortet werden. Der Sohn jüdischer Eltern gelangte während des Zweiten Weltkrieges mit einem Kindertransport nach England und bekam 1957 die US-Staatsbürgerschaft. 1998 wurde er für seine Entwicklung der Dichtefunktionaltheorie, deren Grundlage das Hohenberg-Kohn-Theorem ist, mit dem Chemienobelpreis ausgezeichnet.

TV-Hinweis

ORF III zeigt am Mittwoch um 22.20 Uhr die „Quantensprung"-Folge. Anton Zeilinger alias „Mr. Beam" steigt zu Andreas Jäger ins Cockpit. Ab 23.10 Uhr folgt eine Ausgabe „science.talk“ aus dem Jahr 2016, in der der Nobelpreisträger bei Barbara Stöckl zu Gast war.

„Offenheit für Grundsatzfragen in Wien“

Zeilinger führt den Fortschritt der österreichischen Forschung in dem Bereich unter anderem auf eine „historische Tradition" zurück. „Es gibt diese Offenheit für Grundsatzfragen, die in Wien etwas Einmaliges ist – das geht sicher auch auf die Wiener Schule zurück“, verwies Zeilinger am Dienstag in der ZIB2 auf den Einfluss neopositivistischer Philosophen Anfang der 1920er bis Ende der 1930er Jahre in Wien, die eine rational-empirische Weltsicht vertraten.

Diese Tradition sei etwas ganz Besonderes. Erst, als er Zeit in den USA verbracht habe, habe er erkannt, dass es „so etwas nicht überall gibt“, so Zeilinger, der dort unter anderem eine Gastprofessur am Massachusetts Institute of Technology (MIT) innehatte.

Zeilinger zur Quantenphysik

Der diesjährige Nobelpreis für Physik geht an den Franzosen Alain Aspect, an den US-Amerikaner John F. Clauser und an den österreichischen Quantenphysiker Anton Zeilinger. Der Oberösterreicher spricht unter anderem über die Quantenphysik sowie darüber, wie Schülerinnen und Schüler für Physik begeistert werden können.

„Sichtbares Zeichen“ für Forschungsstandort Österreich

Dass mit Zeilinger nach 24 Jahren nun wieder ein Österreicher den renommierten Preis mit nach Hause nehmen darf, gilt in der Branche auch als wichtiges Zeichen für die heimische Wissenschaft. So bezeichnete etwa der der Präsident der Industriellenvereinigung (IV), Georg Knill, den Nobelpreis für Zeilinger als „international sichtbares Zeichen für den Forschungsstandort Österreich“.

Von Zeilingers langjähriger Wirkungsstätte, der Universität Wien, kamen am Dienstag die herzlichsten Glückwünsche. „Dass in Österreich insgesamt eine blühende Landschaft für die Quantenforschung besteht, ist auch ein großes Verdienst von Anton Zeilinger. Mit seiner wissenschaftlichen Neugierde und Energie ist er eine Inspiration für alle Fakultätsmitglieder“, so Physikdekan Robin Golser. Als „große Stunde für die österreichische Physik, aber auch für die Universität Innsbruck“ bezeichnete Rektor Tilmann Märk die Ehrung, arbeitete Zeilinger doch von 1990 bis 1999 in Tirols Landeshauptstadt.

„Als Wissenschaftsminister bin ich stolz, dass ein Österreicher diese große Auszeichnung verliehen bekommt“, sagte auch ÖVP-Wissenschafts- und Forschungsminister Martin Polaschek. Amtsvorgänger Heinz Faßmann, nun als Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in dieser Funktion wiederum Nachfolger Zeilingers, erklärte, das Forschungsland Österreich habe „wieder an die internationale Spitze aufgeschlossen“. Auch vonseiten des Wissenschaftsfonds (FWF) und der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) kamen Glückwünsche.

Quantenphysiker Anton Zeilinger in einem Labor an der Fakultät für Physik der Universität Wien
APA/Hans Klaus Techt
Zeilinger ist seit 1999 an der Universität Wien tätig

Verschränkter Zustand lange großes Rätsel

Quantenmechanik beruht auf der Tatsache, dass zwei oder auch mehr Teilchen in einem gemeinsamen Zustand existieren, egal, wie weit sie voneinander entfernt sind. Physiker sprechen von Verschränkung. Ändert man den Zustand des einen Teilchens, ändert sich automatisch auch der des anderen. Albert Einstein, Physiknobelpreisträger von 1921, glaubte nicht an diese Möglichkeit und verspottete die Idee als „spukhafte Fernwirkung“.

Über die Natur dieses verschränkten Zustandes rätselten Experten noch lange nach Einstein. John Clauser (79), der unter anderem an der New Yorker Columbia University forschte, wurde neben Zeilinger vor allem für den experimentellen Nachweis geehrt, dass der verschränkte Zustand nicht durch irgendwelche unbekannten Parameter erzeugt wird – eine lange diskutierte Möglichkeit. Mit diesen Experimenten bestätigte er die Quantenmechanik.

Der zweite Preisträger und Kollege Zeilingers, der französische Physiker Alain Aspect (75) von der Universite Paris-Saclay und der Ecole polytechnique, verfeinerte die experimentellen Messungen von Clauser, sodass weiter bestehende Zweifel an der Theorie ausgeräumt werden konnten. Zeilinger wurde vor allem mit seinen erstmals 1997 vorgestellten Experimenten zur Quantenteleportation bekannt: Dabei wird ein Zustand von einem verschränkten Teilchen auf ein entferntes übertragen. Die Experimente trugen ihm in Anlehnung an die Serie „Star Trek“ den Spitznamen „Mr. Beam“ ein.

Forschung könnte bald Alltag beeinflussen

Obwohl die theoretischen Grundlagen der Quantenforschung den meisten Menschen auf den ersten – oder auch zweiten – Blick kaum verständlich sein dürften, werden die auf ihren Arbeiten basierenden Erfindungen das Leben vieler Menschen künftig beeinflussen. Sie sollen helfen, Quantencomputer zu bauen, eine abhörsichere Quantenkryptographie zu etablieren und Quantennetze als Grundstein für ein Quanteninternet aufzubauen. An diesen Anwendungen wird bereits intensiv geforscht, zum Teil werden sie auch schon in kleinem Maßstab erprobt.

Zeilinger: Man muss Spinnereien vertrauen

Zeilinger zufolge ist die Quantenkryptographie inzwischen das am meisten fortgeschrittene Feld seiner Arbeiten. Man solle ruhig seiner Intuition und auch seinen Spinnereien folgen, sagte der Physiker am Dienstagnachmittag in Wien – und warb für eine Forschung auch ohne direkt absehbare Anwendungen. Die bahnbrechenden Arbeiten, die ihm zusammen mit seinen Kollegen Clauser und Aspect den Nobelpreis einbrachten, wären ohne die Freiheit „Sachen zu machen, die nicht Mainstream waren“, nicht möglich gewesen.

Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger
AP/Theresa Wey
Zeilinger zeigte sich bei einer Pressekonferenz sichtlich gerührt

Ohne die Unterstützung seiner Familie sowie der „österreichischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler“ wären seine Erfolge nicht möglich gewesen, so der Nobelpreisträger in seinem Statement vor der Presse. Dank richtete Zeilinger zudem an all seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Uni Innsbruck sowie die Uni Wien und an seinen Physiklehrer im Gymnasium.

Vor allem aber sei es das wissenschaftliche Umfeld gewesen, das ihm Wien geboten und das letztlich zu seinem Erfolg geführt hätte. „An vielen anderen Orten wäre das nicht möglich gewesen“, so der 77-Jährige. In der Anfangsphase seiner Karriere sei er öfters gefragt worden, wofür das gut sein solle. „Ich kann Ihnen ganz stolz sagen: Das ist für nichts gut. Das mache ich nur aus Neugierde“, betonte Zeilinger.