Proteste im Iran halten weiter an

Bei den seit Wochen anhaltenden systemkritischen Protesten nach dem Tod einer jungen Frau im Iran haben Protestierende heute in der Hauptstadt Teheran Molotow-Cocktails eingesetzt. Augenzeugen zufolge warfen sie die Benzinbomben in der Nähe und vor der Teheraner Universität auch auf Polizei- und Sicherheitskräfte. Die staatliche Nachrichtenagentur IRNA bestätigte Benzinbomben gegen öffentliche Gebäude, nicht aber gegen die Beamten. Dem Bericht zufolge skandierten die Protestierenden erneut Slogans gegen die islamische Politelite.

Auch vor der Eliteuniversität Scharif sei es wieder zu Auseinandersetzungen gekommen, hieß es. Die Polizei setzte gegen die Protestierenden Tränengas ein. Es sollen auch Schüsse gefallen sein. Die Auseinandersetzungen führten erneut zu Staus auf einigen Hauptstraßen in Teheran. Dabei sollen Autofahrer die Protestierenden mit Hupkonzerten unterstützt und systemkritische Slogans gerufen haben.

Präsident spricht erneut von Verschwörung

Präsident Ebrahim Raisi besuchte die Universität al-Sahra in Teheran und sprach dort erneut von ausländischen Verschwörungsoperationen gegen die Islamische Republik. „Auch in den Universitäten wollen die Feinde nun ihre Ziele umsetzen“, behauptete der Kleriker. Aber die iranischen Studenten und Professoren würden dafür sorgen, dass all diese Verschwörungen scheiterten, so der Präsident laut Nachrichtenagentur ISNA. Der oberste geistliche Führer des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, hatte die regierungskritischen Proteste zuvor ebenfalls als ausländische Verschwörung bezeichnet.

„Digitale Revolution“

Die Proteste gegen das islamische System gehen ab diesem Samstag in ihre vierte Woche. Laut Beobachtern werden sie nun landesweit verstärkt in Form von zivilem Ungehorsam weitergeführt. Andere sprechen auch von einer „digitalen Revolution“, weil die aufgenommenen Videos der Protestaktionen im Land in sozialen Netzwerken gepostet werden. Damit erreichen die Demonstranten Millionen im In- und Ausland. Diese Strategie erschwert es Polizei- und Sicherheitskräften, die Proteste zu unterdrücken.

Seit dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini Mitte September demonstrieren im Iran zahlreiche Menschen. Die Sicherheitskräfte gehen auch mit Gewalt gegen Demonstrantinnen und Demonstranten vor. Beobachtern zufolge sind Dutzende Menschen im Zusammenhang mit den Protesten getötet worden, viele weitere wurden verletzt.

Amini war am 13. September in Teheran festgenommen worden, weil sie gegen die Regeln zum Tragen eines Kopftuchs verstoßen haben soll. Drei Tage später starb sie. Zu den Umständen ihres Todes gibt es widersprüchliche Angaben. Nach staatlichen Angaben kam ein Gerichtsmediziner zu dem Schluss, Amini sei nicht durch Schläge in Polizeigewahrsam, sondern infolge einer Vorerkrankung gestorben.

Eltern bestreiten Vorwürfe

Aminis Eltern hatten in den letzten Wochen mehrmals eine Vorerkrankung bei ihrer Tochter dementiert. Sie sei bis zu ihrer Verhaftung durch die Religionspolizei völlig gesund gewesen, und alle gegenteiligen Behauptungen seien gelogen, so die Familie.

Der Tod der jungen Kurdin hat eine landesweite Protestwelle losgetreten, die sich längst auch gegen die Führung des Landes und die Einschränkung der Freiheitsrechte insgesamt richtet.