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APA/AFP/John Macdougall
„Das Schlimmste kommt noch“

Düstere IWF-Prognose für Weltwirtschaft

Hohe Inflation, der russische Angriffskrieg in der Ukraine und die Folgen der Coronavirus-Pandemie lasten schwer auf der Weltwirtschaft. Der Internationale Währungsfonds (IWF) senkte am Dienstag seine globale Wachstumsvorhersage für 2023 auf 2,7 Prozent. Ein Drittel der Weltwirtschaft dürfte bis dahin in eine Rezession rutschen. „Das Schlimmste kommt erst noch, und für viele Menschen wird sich 2023 auch wie eine Rezession anfühlen“, sagte IWF-Ökonom Pierre-Olivier Gourinchas.

Die Weltwirtschaft stehe vor riesigen Herausforderungen, weil die Inflation hartnäckiger sei als gedacht und auch China an Zugkraft verliere. Die Prognose sei die schwächste seit rund 20 Jahren – mit Ausnahme der Vorhersagen während der Pandemie und der Weltfinanzkrise. Entscheidend sei nun, ob mit strenger Geldpolitik die Inflation zurückgehe, hieß es. Allerdings könnten die hohen Zinsen eine Schuldenkrise in einkommensschwachen Ländern auslösen.

In seiner neuen Prognose rechnet der IWF in diesem Jahr mit einem globalen Wachstum von 3,2 Prozent – das ist keine Veränderung zu der Vorhersage im Juli. Das prognostizierte Wachstum im Jahr 2023 ist mit 2,7 Prozent aber um 0,2 Prozentpunkte geringer als noch im Sommer angenommen. Im Euro-Raum solle das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im kommenden Jahr nur noch um 0,5 Prozent wachsen – eine deutliche Herabstufung im Vergleich zur vorigen Prognose.

Stagnation in USA, EU und China

Mehr als ein Drittel der Weltwirtschaft werde 2023 schrumpfen, warnte der IWF. In den drei größten Volkswirtschaften – den USA, der Europäischen Union und China – werde das Wachstum stagnieren. „Während sich Gewitterwolken zusammenbrauen, müssen die politischen Entscheidungsträger eine ruhige Hand bewahren“, so Chefvolkswirt Gourinchas.

Grafik zur IWF-Wirtschaftsprognose
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: IWF

„Für die Jahre 2023 und 2024 wird eine Abkühlung der Inflation erwartet“, heißt es weiter in dem Bericht. In diesem Jahr rechnet der IWF in den Industriestaaten mit einer Teuerungsrate von 7,2 Prozent, also 0,6 Prozentpunkte mehr als noch im Sommer angenommen. Für das kommende Jahr prognostiziert der IWF dann eine Inflationsrate von im Schnitt 4,4 Prozent – das ist ebenfalls deutlich höher als bisher vorhergesagt.

In Schwellen- und Entwicklungsländern soll die Inflationsrate in diesem Jahr im Durchschnitt 9,9 Prozent betragen, ein Plus von 0,4 Prozentpunkten. Auch im kommenden Jahr wird dort eine hohe Teuerungsrate von 8,1 Prozent erwartet.

„Anfällige“ Energiepreise

Der IWF warnt, dass mehrere Faktoren eine Abschwächung der Inflation verlangsamen könnten. Sollte es noch weitere Schocks bei den Energie- und Lebensmittelpreisen geben, könnten die Verbraucherpreise längerfristig hoch bleiben. „Die Energiepreise sind und bleiben besonders anfällig mit Blick auf den Verlauf des Krieges in der Ukraine und das mögliche Aufflammen anderer geopolitischer Konflikte“, schreiben die Autorinnen und Autoren des Berichts. Wichtig sei bei der Inflation auch die Rolle der Zentralbanken. Diese müssten sich auf die Eindämmung der Inflation konzentrieren.

Notenbanken vor schwierigen Entscheidungen

Die US-Notenbank Fed hatte sich zuletzt mit mehreren kräftigen Zinserhöhungen gegen die extrem hohe Teuerungsrate gestemmt. Fed-Chef Jerome Powell hatte deutlich gemacht, dass weitere Erhöhungen des Leitzinses zu erwarten sind. Die EZB hatte nach langem Zögern im Juli die Wende hin zu höheren Zinsen eingeleitet.

Hier besteht laut IWF sowohl das Risiko, zu wenig zu machen, als auch jenes, zu viel zu tun. Zu kräftige Zinserhöhungen könnten das Wachstum über die Maßen abwürgen, ein zu langes Zögern die Inflation nicht bändigen. Es gehe dabei auch um die Glaubwürdigkeit der Zentralbanken. Die Finanzpolitik sollte in der Energiekrise vor allem den Schwächsten der Gesellschaft zeitlich befristet helfen.

Doch eine weitere Straffung der Geldpolitik in den Industriestaaten erhöhe den Druck auf Kreditkosten in einkommensschwächeren Staaten, so der IWF. Das wäre für die von der Pandemie sowieso schon schwer getroffenen Länder fatal – und hätte auch weltweite Folgen. „Eine sich ausweitende Schuldenkrise in diesen Volkswirtschaften würde das globale Wachstum stark belasten und könnte eine weltweite Rezession auslösen.“

Rezession für Deutschland?

In Europa spürt Deutschland die Auswirkungen des Krieges und der starken Energieabhängigkeit von Russland besonders deutlich. Anders als etwa Frankreich, Spanien und Großbritannien rechnet der IWF für Deutschland 2023 mit einer schrumpfenden Wirtschaftsleistung – konkret von minus 0,3 Prozent. Damit wurde die Schätzung aus dem Juli um 1,1 Prozentpunkte reduziert. Auch Italien dürfte nächstes Jahr ins Minus rutschen.

Die USA werden 2022 und 2023 um 1,6 und 1,0 Prozent wachsen. Dabei wurde die Schätzung für dieses Jahr deutlich zurückgenommen. Für China sind die IWF-Experten ein Tick pessimistischer und rechnen 2022 und 2023 nun mit Wachstumsraten von 3,2 und 4,4 Prozent – wenig für chinesische Verhältnisse.

Viele Unsicherheitsfaktoren

Der IWF betont, dass die Prognosen außerordentlich unsicher seien. Die zukünftige Entwicklung der Weltwirtschaft hänge entscheidend von der Geldpolitik, dem Verlauf des Krieges in der Ukraine und möglichen weiteren pandemiebedingten Störungen – etwa in China – ab. Die weitere Aufwertung des US-Dollars dürfte außerdem zu weiteren Spannungen führen. Die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges könnten Europa weiter belasten. Ein Wiederaufflammen der Coronavirus-Pandemie oder neue globale Gesundheitsängste könnten das Wachstum weiter bremsen.