Flaggen vor der Europäischen Kommission
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Kommission empfiehlt Status

EU will Bosnien als Beitrittskandidaten

Die EU-Kommission hat sich am Mittwoch dafür ausgesprochen, Bosnien-Herzegowina den Status eines Beitrittskandidaten zu verleihen. Das schlug EU-Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi den 27 Staats- und -Regierungschefinnen und -chefs vor, die darüber entscheiden müssen. Erst im Sommer hatten die EU-Staaten der Ukraine und Moldawien den Kandidatenstatus zuerkannt.

Bosnien-Herzegowina hatte bereits Anfang 2016 einen Beitrittsantrag gestellt und gilt seit Jahren lediglich als „potenzieller Beitrittskandidat“. Laut Varhelyi ist die Empfehlung für Bosnien-Herzegowina an eine Reihe von Reformschritten in dem Land geknüpft. Die EU müsse nun das Momentum ergreifen, sagte unterdessen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: „Der Westbalkan gehört zu unserer Familie.“

„Die Empfehlung, den Kandidatenstatus zu gewähren, ist ein historischer Moment für die Bürger von Bosnien und Herzegowina“, so Varhelyi bei der Präsentation vor dem EU-Parlament. „Ich fordere die Führung des Landes auf, diese historische Chance zu nutzen und die in unserer Empfehlung genannten Schritte zügig einzuleiten. Das wird die Arbeit an den Reformen und die Erfüllung der 14 in der Stellungnahme der Kommission festgelegten Schlüsselprioritäten wieder in Gang bringen, die für die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen weiterhin von zentraler Bedeutung sind“, so der EU-Kommissar weiter.

EU-Staaten müssen einstimmig für Status stimmen

Brüssel hatte zuletzt auf Reformen bei Justiz und Verwaltung in dem Land mit mehr als drei Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern gepocht. Die 27 EU-Staaten müssen nun einstimmig für den Kandidatenstatus stimmen. Der Status alleine ändert jedoch noch nicht viel: Es ist der erste Schritt eines vielstufigen Beitrittsprozesses – für jede dieser Stufen benötigt es einstimmige Entscheidungen, der Beitrittsprozess kann viele Jahre dauern.

Vor allem Länder wie Österreich hatten im Zuge der Entscheidung für die Ukraine und Moldawien im Juni darauf gedrungen, bei Bosnien-Herzegowina ebenfalls diesen Weg zu gehen. Dem Land wurde bereits 2003 der EU-Beitritt in Aussicht gestellt, 2016 reichte es offiziell einen Aufnahmeantrag ein. In einem vorherigen Bericht kam die EU-Kommission zu dem Ergebnis, dass es zuletzt nur geringe Fortschritte gegeben hatte.

Empfehlung für Außenministerin „historisch“

Bosniens Außenministerin begrüßte die Entscheidung und bezeichnete sie als „historisch“. „Das ist eine starke Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger, auf die wir schon lange gehofft haben, dass unsere Zukunft ein Mitglied der (EU-)Familie ist“, so Bisera Turkovic auf Twitter.

Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) reagierte erfreut über den Vorstoß der Kommission. Es sei ein „historischer Schritt“ für das Land, so Nehammer auf Twitter. Er verwies darauf, dass Österreich „Tempomacher“ bei der Frage des Kandidatenstatus gewesen sei. Es sei „ein starkes Signal an die Bevölkerung im Land“, so Nehammer weiter.

EU will Bosnien als Beitrittskandidaten

Die EU-Kommission hat den Staats- und Regierungschefs vorgeschlagen, Bosnien und Herzegowina demnächst zum EU-Beitrittskandidaten zu erklären. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnte die EU-Botschafter zugleich vor den negativen Absichten der EU-Gegner gegenüber dem Westbalkan. „Es war so offensichtlich, dass unsere Gegner den westlichen Balkan als geopolitisches Schachbrett betrachten. Ihr Ziel ist es, einen Keil zwischen den Westbalkan und den Rest Europas zu treiben“, so von der Leyen.

Erst kürzlich Wahl in Bosnien

Erst Anfang Oktober wurde in Bosnien gewählt. Die Nationalisten erlitten Rückschläge, in der serbischen Teilrepublik werden unterdessen wegen des Vorwurfs des schweren Wahlbetrugs die Stimmen neu ausgezählt. Die Wahl galt als komplex – auch aufgrund des Staatsaufbaus, geregelt durch den Friedensvertrag von Dayton von 1995, der den Krieg beendet hatte.

Die Zentralregierung unterliegt einer dreiköpfigen Staatsführung – jeweils mit einem serbischen, kroatischen und bosniakischen Vertreter. Zudem ist das Land geteilt in zwei Entitäten, die Föderation Bosnien und Herzegowina mit einer mehrheitlich kroatischen und bosniakischen Bevölkerung und die serbische Republika Srpska – sowie den Distrikt Brcko als Sonderverwaltungsgebiet.

Mitspieler in der bosnischen Politik ist auch der beim Dayton-Vertrag eingeführte Hohe Repräsentant. Er soll die Umsetzung dieses Abkommens überwachen. Derzeitiger Amtsinhaber ist der Deutsche Christian Schmidt. Er darf in die Gesetzgebung eingreifen und gewählte Politikerinnen und Politiker absetzen.