Xi Jinping
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20. KPCh-Parteitag

China stellt neue strategische Weichen

In Peking beginnt am Sonntag der 20. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh). Erwartet werden personelle Rochaden im innersten Führungskreis, vor allem aber eine Zäsur: Staatspräsident Xi Jinping will sich für eine dritte Amtszeit als Generalsekretär bestätigen lassen und damit Macht und Rückendeckung in der Partei weiter ausbauen. Geht seine Rechnung auf, könnte das auch deutliche geostrategische Folgen haben.

Xi ist seit 2012 Generalsekretär der KPCh, seit 2013 Präsident der Volksrepublik. Wird er als Chef der mächtigen Partei tatsächlich ein drittes Mal im Amt bestätigt, wäre das ein Novum und eine Abkehr von der bisher geltenden Begrenzung auf zwei Funktionsperioden. Außer Parteigründer und Langzeitherrscher Mao Zedong war noch kein chinesischer KPCh-Generalsekretär länger als zehn Jahre im Amt.

Eigentlich, hieß es zuletzt in einer Analyse der „Süddeutschen Zeitung“, stehe das Ergebnis des Parteitags bereits fest. Sollte Xi „nicht seine dritte Amtszeit bekommen, wäre das mehr als eine Überraschung“. Beobachter blickten „dennoch gespannt auf das Spektakel, das sich in der Großen Halle des Volkes abspielen wird“. Sie erhofften sich „Blicke hinter die Kulissen des undurchsichtigen Machtapparats“ und Hinweise auf strategische Weichenstellungen – politisch wie wirtschaftlich – der hinter den USA zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.

Volksrepublik „umgekrempelt“

Einige dieser Beobachter spekulieren auch, dass die dritte Amtszeit nur ein Schritt hin zum Machthaber auf Lebenszeit sei, allerdings ist das eben nur Spekulation, auch wenn Xi seine Macht in den letzten zehn Jahren deutlich ausgebaut und das Land, wie es in einer Analyse im Deutschlandfunk am Donnerstag hieß, völlig „umgekrempelt“ hat.

Beuscher vor einem Bild von Xi Jinping in einem Museum
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Xi Jinping (hier auf einem Bild in einem Museum) hat seine Macht kontinuierlich ausgebaut

Er entließ Beamte, die als illoyal galten, und besetzte Schlüsselfunktionen mit Vertrauten, riss wirtschaftspolitische Befugnisse an sich, verschärfte die Kontrolle über Sicherheitsapparat, Militär und Medien und den Druck auf Minderheiten und politisch Andersdenkende. Schließlich änderte er 2018 die Verfassung, um die Amtszeitbeschränkung für das Präsidentenamt aufzuheben.

„Krönungszeremonie für Xi und seine Ideologie“

Nun werde Xi in seiner Eröffnungsrede am Sonntag den Ton für die kommenden fünf Jahre – der Parteitag findet alle fünf Jahre statt – angeben, erwartet Analyst Nis Grünberg vom Mercator Institute for China Studies (MERICS).

KPCh-Parteitag: Einseitig einstimmende Parolen

ORF-Korrespondent Josef Dollinger über politische Parteiparolen in Peking, die vor dem 20. Volkskongress der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) auf großen Bannern in der Stadt zu sehen sind.

„Er wird seine Ziele bekräftigen: ideologiegetriebene Politik, mehr Autorität für die Partei und mehr internationale Schlagkraft und Selbstständigkeit für China.“ Der Parteitag werde zur „Krönungszeremonie für Xi und seine Ideologie“. Xi könnte außerdem die Chance nutzen, Führungsgremien mit loyalen Parteigängern zu besetzen. An dem Parteitag nehmen knapp 2.300 Delegierte, die die geschätzten 90 Mio. Mitglieder der KPCh repräsentieren, teil.

Junge „Loyalisten“ statt älterer Kader?

Das Institut mit Sitz in Berlin schätzt, dass er bis zu zwei Fünftel der Führungsspitze der KPCh austauschen könnte. Er werde voraussichtlich „eine Reihe jüngerer Loyalisten“ in die höchsten Gremien setzen. „Je mehr neue Gesichter Xi an Bord holen kann, desto fester dürfte sein Griff auf die KPCh werden – und desto eher könnte er signalisieren, welche dieser Kader seine Nachfolge antreten könnten“, analysiert das MERICS. Gilt die Altersbeschränkung von 68 Jahren für Führungskräfte im 25-köpfigen Politbüro weiter, müssten „mindestens“ zehn ältere Kader gehen und müssten ersetzt werden. Allerdings: Weil Xi viele Regeln geändert hat, seien Prognosen über den 20. Parteitag der KPCh „schwieriger als früher“.

Große Halle des Volkes
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Was beim Parteitag alle fünf Jahre besprochen wird, bleibt gewöhnlich hinter der Türen der Großen Halle des Volkes

Rochaden an den Spitzen von Partei und Staat

Das gilt auch für Prognosen zu personellen Rochaden. Gesucht wird jedenfalls ein Nachfolger für Ministerpräsident Li Keqiang. Als mögliche Kandidaten gelten der 67-jährige Wang Yang, Mitglied des Ständigen Ausschusses des Politbüros der KPCh und einer von vier Vizepremiers, und der 59-jährige Hu Chunhua, ebenfalls einer der vier Vizepremiers mit Erfahrung in der Verwaltung von Landwirtschaft bis Armutsbekämpfung. Als mögliche Kandidaten gehandelt werden auch Li Qiang und Ding Xuexiang, beide Gefolgsleute des Staats- und KPCh-Chefs. Li ist Parteisekretär der Metropole Schanghai.

Der in der Partei ranghöchste im möglichen Kandidatenkreis, Han Zengh, Vizepremierminister des Staatsrates, steht mit 69 Jahren eigentlich vor der Pensionierung. Li Keqiang könnte nach seinem Ausscheiden aus dem Amt des Ministerpräsidenten den Parlamentsvorsitz übernehmen und Vorsitzender des Nationalen Volkskongresses werden, hieß es zuletzt.

20. Parteitag der KPCh

Am Sonntag beginnt in Peking der 20. Parteitag der Kommunistischen Partei. Entgegen bisherigen Gepflogenheiten will sich Xi Jinping für weitere fünf Jahre als Parteivorsitzender wählen lassen.

Geopolitische Folgen

Die „Asia Times“ sah den chinesischen Präsidenten zuletzt bereits auf dem Weg zum Herrscher auf Lebenszeit und stellte die Frage, was eine vorerst dritte Amtszeit für Xi geopolitisch bedeuten könnte. Die Antwort: eine Art neuen Kalten Krieg, begründet mit dem Argument, dass Xi außenpolitisch sehr auf Konfrontation aus ist, vor allem gegenüber dem größten Rivalen USA, und der Ton zwischen beiden Ländern zuletzt aggressiver geworden sei.

Die Beziehungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt haben sich in den letzten Jahren sukzessive verschlechtert. Die „Asia Times“ verwies auf den ersten formalen strategischen Sicherheitsplan unter US-Präsident Joe Biden, in dem die Volksrepublik als die größte geopolitische Herausforderung der kommenden Jahre genannt wird. Beide Staaten stehen in einem starken wirtschaftlichen, technologischen und militärischen Konkurrenzverhältnis zueinander. China kämpft mit einer stark nachlassenden wirtschaftlichen Dynamik.

Die Folgen der pandemiebedingten Lockdowns, „ein durch sinkende Immobilienwerte zusätzlich geschwächter Konsum und der globale Konjunktureinbruch sollten das Wachstum in den Jahren 2022 und 2023 schwächen. Als zuverlässiger Motor der Weltkonjunktur fällt China aus", heißt es in einer aktuellen Analyse des deutschen Institute of East Asian Studies (IN-EAST) an der Universität Duisburg-Essen.

„Festung“ Peking und Massenfestnahmen

In Peking gelten für den Parteitag enorm strenge Sicherheitsvorkehrungen. „Die ‚Festung Peking‘ ist bereit“, schrieb die „Financial Times“ im Vorfeld. In einer schon seit Juni unter dem Ministerium für Öffentliche Sicherheit, der Leitungsebene der Polizei, laufenden „100-Tage-Operation“ seien im ganzen Land an die 1.400 Personen als mutmaßliche „Kriminelle“ festgenommen worden. Trotzdem gab es wenige Tage vor dem Parteikongress Berichte über vereinzelte kleinere Proteste in der Hauptstadt Peking.

Soldaten bei der Großen Halle des Volkes
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Patrouille im Gleichschritt auf dem Tiananmen-Platz im Zentrum Pekings

In Teilen des Landes, besonders in solchen mit einem hohen Anteil an Minderheiten, seien die – dort gewohnt ohnehin drastischen – Sicherheitsmaßnahmen noch weiter verschärft und Polizeieinheiten in Alarmbereitschaft versetzt worden. Die strengsten Sicherheitsvorkehrungen galten rund um die Große Halle des Volkes, wo der Parteitag stattfindet, und auf dem Tiananmen-Platz, auf dem die Halle steht – Symbol für die Demokratiebewegung und Schauplatz ihrer blutigen Niederschlagung im Juni 1989.