Italien: Segre eröffnet Senat, Postfaschisten übernehmen

In wenigen Tagen jährt sich Benito Mussolinis Marsch auf Rom und damit die Machtergreifung der Faschisten in Italien zum 100. Mal – und daran hat bei der ersten Sitzung des neu gewählten italienischen Senats die Holocaust-Überlebende Liliana Segre mit eindrücklichen Worten erinnert.

Liliana Segre
AP/Gregorio Borgia

Die Senatorin auf Lebenszeit leitete heute vorübergehend die erste Senatssitzung, bei der dann mit Ignazio La Russa von der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia (FdI) ein bekennender Verehrer Mussolinis zum eigentlichen Senatspräsidenten gewählt und damit mit dem zweithöchsten Amt im Staat betraut wurde.

La Russa ist Mitbegründer der Partei Fratelli d’Italia, die bei der Parlamentswahl am 25. September die meisten Sitze gewann. Er setzte sich im erste Wahlgang mit 116 Stimmen durch. Der 75-Jährige, der Benito als zweiten Namen trägt, ist dafür bekannt, dass er in seiner Wohnung Erinnerungsstücke an den faschistischen Diktator Mussolini sammelt.

Standing Ovations

Segre eröffnete den Senat zuvor mit einer Brandrede gegen den Faschismus. Es obliege jemandem wie ihr, „in diesem Monat Oktober, in dem der 100. Jahrestag des Marsches auf Rom begangen wird, der die faschistische Diktatur einleitete“, den Vorsitz „dieses Tempels der Demokratie, des Senats der Republik, zu übernehmen“.

Segre sprach in diesem Zusammenhang von einem „zufälligen Umstand“ – aber auch von einem „symbolischen Wert“. Jenes Mädchen, das 1938 bei dem ebenfalls im Oktober begonnenen Schuljahr wegen ihrer jüdischen Herkunft noch gezwungen war, ihren Platz leer zu lassen, sitze nun auf der „angesehensten Bank des Senats“, so Segre in ihrer von Standing Ovations begleiteten Rede.

Selbst der später zum Senatsvorsitzenden gewählte La Russa, der von der ersten Reihe der Mitte-rechts-Bänke aus zuhörte, stand auf, so die Nachrichtenagentur ANSA. Deren Angaben zufolge sprang Segre für den emeritierten Staatspräsidenten Giorgio Napolitano ein, der an sich die Eröffnung der 19. Legislaturperiode im Senat hätte leiten sollen. Napolitano sagte aus gesundheitlichen Gründen ab.