Donald Trump
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Seltene Eskalation

Ausschuss zu Kapitol-Sturm lädt Trump vor

Der Untersuchungsausschuss zum Angriff auf das US-Kapitol im Jänner 2021 hat am Donnerstag Ex-Präsidenten Donald Trump vorgeladen. Es ist eine selten vorkommende Eskalation der Untersuchungen. Zuvor versuchte der Kongressausschuss, Trump mit neuen Beweismitteln stärker für die Attacke verantwortlich zu machen. Die „New York Times“ („NYT“) bezeichnete die Vorladung als „aggressiven Schritt“, der wohl erfolglos sein werde.

Die Attacke auf das Kapitol ereignete sich direkt nach einem Auftritt Trumps am 6. Jänner 2021, bei dem der damalige US-Präsident die Menge seiner Anhänger mit falschen Behauptungen aufgewiegelt hatte, dass ihm der Wahlsieg gegen Herausforderer Joe Biden gestohlen worden sei. Im Kapitol war der Kongress zusammengekommen, um den Wahlsieg von Biden bei der Präsidentenwahl formal zu bestätigen. Infolge der Krawalle kamen fünf Menschen ums Leben.

Derartige Anweisungen des Kongresses – „subpoena“ genannt – sind strafbewehrt. Nach US-Bundesrecht kann eine Haft zwischen einem und zwölf Monaten angeordnet werden, wenn ihnen nicht Folge geleistet wird. Wenn Trump der Vorladung für eine Aussage unter Eid nicht folgt, könnte das Repräsentantenhaus ihn wegen Missachtung des Kongresses beim Justizministerium anzeigen. Trumps ehemaliger Berater Steve Bannon zum Beispiel wurde deswegen bereits verurteilt.

Allerdings wird die Zeit knapp: Am 8. November wird ein neues Repräsentantenhaus gewählt. Bis zum Jahresende – bevor im Jänner das neugewählte Repräsentantenhaus seine Arbeit aufnimmt – muss der Ausschuss seine Arbeit abgeschlossen haben. Auch wenn Trump der Vorladung folgen sollte, kann er die Aussage verweigern.

Trump-Unterstützer im Kapitol
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Bei dem Sturm auf das Kapitol wurden fünf Menschen getötet und über 140 Polizeibeamte verletzt

Trump kritisiert Zeitpunkt der Vorladung

In einer ersten Reaktion äußerte sich Trump nicht dazu, wie er vorgehen wolle, sondern kritisierte lediglich den Zeitpunkt für die Vorladung. Warum habe ihn der Ausschuss nicht schon vor Monaten um Aussage gebeten, sondern bis zum Schluss damit gewartet, fragte er in einem Beitrag in seinem hauseigenen Onlinenetzwerk Truth Social. Zugleich wiederholte er seine von vielen Gerichten widerlegten Behauptungen über „massive Fälschungen“ bei der Präsidentenwahl – „der Grund dafür, was am 6. Jänner passierte“.

Cheney: „Nicht nur Fußsoldaten bestrafen“

Aus dem Ausschuss übergebenen Nachrichten geht auch hervor, dass der Secret Service bei seiner Überwachung feststellte, dass viele der anwesenden Trump-Anhänger bei dem Auftritt bewaffnet gewesen seien. Dennoch hätten das Weiße Haus und Trump nicht versucht, den Auftritt oder den Marsch auf das Kapitol zu stoppen. „Wir sind verpflichtet, Antworten direkt von dem Mann einzufordern, der das alles in Gang gesetzt hat“, begründete die republikanische Abgeordnete Liz Cheney die Vorladung.

„Er schickte sie zum Kapitol in dem Wissen, dass sie wütend sind, in dem Wissen, dass sie bewaffnet sind“, sagte Cheney. Man müsse sicherstellen, dass nicht nur die „Fußsoldaten“ bestraft würden, die das Parlamentsgebäude in Washington gestürmt hätten, betonte sie. „Mit jedem Versuch, das Verhalten des Ex-Präsidenten zu entschuldigen oder zu rechtfertigen, untergraben wir die Grundfesten unserer Republik.“

Liz Cheney
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Man könne Trumps Verhalten nicht entschuldigen, sagte Cheney

„Er muss sich für seine Taten verantworten“, sagte auch der demokratische Abgeordnete Bennie Thompson am Ende der möglicherweise letzten öffentlichen Sitzung des Ausschusses. „Er muss sich vor den Polizeibeamten verantworten, die ihr Leben und ihren Körper aufs Spiel setzen, um unsere Demokratie zu verteidigen.“

Neues belastendes Videomaterial

Zudem spielte der Ausschuss ein neues Video hinter den Kulissen des Kapitols ab, das die Kongressabgeordneten Nancy Pelosi und Senator Chuck Schumer zeigt, die ungläubig auf die Berichte über die Gewalt im Kapitol reagieren und Gouverneure und Spitzenbeamten der Regierung aufforderten, die Nationalgarde bzw. andere Sicherheitsdienste zu rufen.

Während eines Telefonats mit dem damals amtierenden Generalstaatsanwalt fragte Pelosi etwa: „Warum bringen Sie den Präsidenten nicht dazu, ihnen zu sagen, dass sie das Kapitol verlassen sollen, Herr Generalstaatsanwalt?“

Neue Videos zeigen Sturm auf das Kapitol

Das Komitee, welches sich mit dem Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner 2021 beschäftigt, hat bisher nicht gezeigtes Videomaterial veröffentlicht. Es zeigt unter anderem, wie Abgeordnete in Sicherheit gebracht werden und sich die Demonstrierenden langsam Zugang zu dem Gebäude verschaffen.

„Lass uns direkt zur Gewalt übergehen“

Bei der Sitzung wurden unter anderem Videoaufnahmen von Trumps langjährigem Vertrauten Roger Stone gezeigt, einem berüchtigten Politikberater. Stone sagt darin vor der Präsidentschaftswahl vom November 2020, er wolle nicht auf die Auszählung aller Wählerstimmen warten. „Lasst uns direkt zur Gewalt übergehen.“

Verwiesen wurde auch auf die Verbindungen von Stone zu den Extremistengruppen „Oath Keepers“ und „Proud Boys“. Mitglieder dieser Gruppierungen wurden nach der Kapitol-Erstürmung wegen aufrührerischer Verschwörung angeklagt. Die Abgeordnete Zoe Lofgren sagte, Trump habe von Anfang an geplant, sich am Wahlabend zum Sieger zu erklären – „egal, was das tatsächliche Ergebnis ist“.

NYT: Langwieriger Rechtsstreit möglich

Der U-Ausschuss des Repräsentantenhauses hatte im Sommer bereits acht öffentliche Anhörungen abgehalten, in denen Trump schwer belastet wurde. Eigentlich war für Ende September eine weitere Anhörung geplant – diese wurde aber wegen Hurrikan „Ian“ vertagt und wurde jetzt nachgeholt.

Laut der „NYT“ ist es jedoch nach wie vor unwahrscheinlich, dass der Ausschuss die Möglichkeit haben wird, Trump zu befragen. Es sei so gut wie sicher, dass er sich jeder Vorladung widersetzen würde, und der Versuch, eine Vorladung zu erzwingen, würde mit ziemlicher Sicherheit zu einem langwierigen Rechtsstreit führen.

Anhörung des „January 6th“ Komitee in Washington DC.
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Die neun Mitglieder des Ausschusses stimmten einstimmig dafür, dass Trump Dokumente vorlegen und unter Eid aussagen muss

Geheimdokumente: Supreme Court wies Trumps Antrag ab

Im Streit über die Auswertung beschlagnahmter Geheimunterlagen erlitt Trump unterdessen eine juristische Niederlage. Das oberste Gericht des Landes wies am Donnerstag einen Eilantrag des Ex-Präsidenten ab. Trumps Anwälte hatten vergangene Woche beim Supreme Court beantragt, dass ein Sonderprüfer Zugang zu den als geheim eingestuften Dokumenten haben müsse. Das Gericht gab nun keine Erklärung dazu ab, warum es den Antrag abgelehnt hat.

Anfang August hatte die Bundespolizei FBI Trumps Villa im US-Bundesstaat Florida durchsucht. Das FBI beschlagnahmte diverse Verschlusssachen, einige mit höchster Geheimhaltungsstufe. Unter den – dem FBI zufolge – Tausenden Unterlagen waren rund 100 als geheim gekennzeichnete Dokumente. Dadurch, dass er die Unterlagen nach seinem Ausscheiden aus dem Amt in seinem Privathaus aufbewahrte, könnte Trump sich strafbar gemacht haben. Ein juristisches Gezerre durch die Instanzen war die Folge.