Twitter Meldung zeigt Feuer in iranischem Gefängnis
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Feuer in berüchtigtem Gefängnis

Im berüchtigten Ewin-Gefängnis in der iranischen Hauptstadt Teheran ist am Samstagabend ein Feuer ausgebrochen. Es kursierten auch Berichte über Schüsse und Explosionen in der Haftanstalt. Was genau in dem Gefängnis geschah, ließ sich nicht unabhängig überprüfen. Ewin ist wegen der dort inhaftierten politischen Gefangenen und Kritik von Menschenrechtsgruppen international bekannt.

Die genauen Hintergründe sind noch offen. Im Ewin-Gefängnis im Norden Teherans sitzen nicht nur zahlreiche politische Gefangene, sondern auch Demonstrierende, die dort wegen ihrer Teilnahme an den systemkritischen Protesten der vergangenen vier Wochen inhaftiert sind. Die Gefängnisleitung sprach von einer „kurzfristigen Meuterei“. Die Nachrichtenagentur der Islamischen Republik (IRNA) berichtete von acht Verletzten.

Teherans Staatsanwalt bestritt einen Zusammenhang mit den anhaltenden systemkritischen Protesten, die sich seit vier Wochen wie ein Lauffeuer im Land ausgebreitet haben. Er betonte, es handelte sich bei dem Zwischenfall um einen internen Konflikt im Gefängnis zwischen verurteilten Dieben. Die Gefängnisleitung sprach von „Hooligans und Randalierern“, die zudem eine Auseinandersetzung mit den Gefängniswärtern begonnen und dann im Textillager den Brand entfacht hätten. Die Nachrichtenagentur TASNIM meldete, die wegen Sicherheitsvergehen Inhaftierten seien nicht an dem Vorfall beteiligt gewesen. Gemeint waren damit unter anderem die regierungskritischen Demonstrantinnen und Demonstranten.

Regierungsgegnerinnen und -gegner spekulierten hingegen, dass das Regime den Brand absichtlich gelegt haben könnte. Zudem kursierten Berichte, wonach das Feuer in jenen Bereichen, in denen Demonstrierende untergebracht sind, ausgebrochen war.

Iran: Feuer im Ewin-Gefängnis

In der iranischen Hauptstadt Teheran ist im Ewin-Gefängnis, in dem vor allem politische Häftlinge untergebracht sind, Samstagabend nach einem Streit unter Insassen ein Feuer ausgebrochen. Laut Berichten sollen auch Schüsse gefallen sein. Acht Menschen wurden dabei verletzt. Mittlerweile sei die Lage im Gefängnis wieder unter Kontrolle.

Augenzeugen berichten über Schüsse

Ein Reporter der reformorientierten iranischen Tageszeitung „Schargh“ hörte eigenen Angaben zufolge mehrere laute Explosionen am Ort des Geschehens. Mehrere Feuerwehrfahrzeuge seien zu dem Gefängnis im Norden der Hauptstadt geeilt, um die Flammen zu bekämpfen. Die Straßen rund um die Haftanstalt seien abgesperrt worden. Auch Hupkonzerte wurden vernommen, die während der landesweiten Proteste immer wieder Zeichen der Solidarität mit den Demonstrationen sind. Die Familien von Inhaftierten hätten sich vor dem Gebäude versammelt, berichten Zeugen.

Augenzeugen berichteten der Nachrichtenagentur Reuters ebenso von Schüssen, die von dem Gebäude in der iranischen Hauptstadt zu hören seien.

Die Demonstrierenden im Iran lassen sich von dem gewaltsamen Vorgehen von Sicherheitskräften nicht unterkriegen. Am Samstag gingen erneut zahlreiche Menschen gegen die Führung des Landes auf die Straßen. Die brutale Strategie des Regimes ging bisher nicht auf: Präsident Ebrahim Raisi rief nun zum Dialog auf. Er wolle den Status von Frauen ins Auge nehmen.

Griff an den Po bringt Polizei unter Druck

Für das islamische Regime läuft derzeit wenig nach Plan. Angeheizt wurde die Stimmung im Land am Wochenende nicht zuletzt durch ein Video, das zeigt, wie ein Polizist bei einem Protest einer Frau an den Po greift. Der Vorfall, den andere Demonstrierende aufgenommen und in sozialen Netzwerken geteilt hatten, sorgte landesweit für Empörung. Die Polizei versuchte zunächst, das Video als von Regimegegnern manipulierte Aufnahme darzustellen, lenkte dann aber ein. Der Fall werde nun untersucht, hieß es in einer Presseerklärung laut Medienangaben am Samstag.

Der Übergriff soll sich in dieser Woche im Norden der Hauptstadt Teheran ereignet haben. Auf dem Video ist zu sehen, dass die Polizei eine Demonstrantin festnehmen will. Diese wehrte sich jedoch vehement. Daraufhin fasste einer der Polizisten der Frau an den Po. In sozialen Netzwerken reagierten Menschen empört und fragten, wie die Polizei eines islamischen Staates solch einen sittenwidrigen und sexistischen Übergriff begehen könne. Die Demonstrantin konnte letztendlich mit Hilfe von anderen Demonstranten freikommen.

Werbebanner erzürnt Bevölkerung

Genauso peinlich für das System war auch eine PR-Aktion auf dem Waliasr-Platz im Zentrum Teherans. Ein riesiges Werbebanner mit Bildern von 50 bedeutenden Frauen sollte deren Leistungen für das Land würdigen. Das eigentliche Ziel war aus Sicht von Kritikern jedoch zu zeigen, dass die Islamische Republik nicht frauenfeindlich sei.

Aber schon kurze Zeit später forderten einige der Frauen – sowie die Familien der verstorbenen Persönlichkeiten –, ihre Bilder zu entfernen. Das System habe kein Recht, ohne Erlaubnis mit diesen Personen Propaganda zu machen, um so die Frauenbewegung gegen Diskriminierung zu untergraben. Nach dem peinlichen PR-Desaster mussten die Verantwortlichen das Banner abnehmen und durch ein bildloses Plakat ersetzen.

Seit dem Tod der 22-jährigen Mahsa Amini letzten Monat demonstrieren landesweit Tausende Menschen gegen den repressiven Kurs der Regierung sowie den Kopftuchzwang. Die junge Frau wurde wegen ihres angeblich „unislamischen Outfits“ von der Religionspolizei festgenommen. Was genau mit Amini danach geschah, ist unklar. Die Frau war ins Koma gefallen und am 16. September in einem Krankenhaus gestorben. Kritiker werfen der Polizei vor, Gewalt angewendet zu haben. Die Polizei weist die Vorwürfe entschieden zurück.

Plakat in Teheran
Plakat in Teheran
APA/AFP APA/AFP
Werbebanner als PR-Desaster für Regime

Proteste in mehreren Städten

Auch am Samstag gingen wieder zahlreiche Menschen auf die Straßen – unter anderem in Teheran, Isfahan und Kermanschah, wie aus Videos des Onlinekanals 1500tasvir und der in Norwegen ansässigen Menschenrechtsorganisation Hengaw hervorging. Der Onlinekanal, der Proteste und Polizeiübergriffe dokumentiert, berichtete zudem von streikenden Geschäftsbesitzern in der Provinz Kurdistan und in Westaserbaidschan.

Angaben von Hengaw zufolge begannen Schülerinnen im Dorf Ney in der Provinz Mariwan ihre Proteste, indem sie „Feuer legten und regierungsfeindliche Slogans anstimmten“. Wie der Onlinemonitor NetBlocks berichtete, wurden Demonstranten in auf Twitter geteilten Videos auf den Straßen der nordwestlichen Stadt Ardabil gesehen.

Der iranische Präsident Ebrahim Raisi
Reuters/WANA
Präsident Ebrahim Raisi

Als Reaktion auf die Proteste rief der Islamische Koordinationsrat für Entwicklung die Menschen im Iran dazu auf, „ihre revolutionäre Wut gegen Aufruhr und Randalierer auszudrücken“. Wie ein Journalist der „Schargh“ berichtete, wurden zudem „Pensionäre“ der Revolutionsgarden wegen der „aktuell heiklen Situation“ gebeten, am Samstag zusammenzukommen.

Raisi will Gesetze überprüfen

Präsident Raisi, der für sein brutales Vorgehen gegen Regimegegner bekannt ist, gab sich unterdessen gesprächsbereit. Er sieht es als notwendig an, einige der im Land geltenden Gesetze zu überprüfen. „Bei der Überprüfung der kulturellen Strukturen ist es unbedingt erforderlich, die Gesetze zu überprüfen, zu überarbeiten, zu aktualisieren und gegebenenfalls auch zu revidieren“, sagte Raisi am Samstag.

Dabei sei auch der Dialog notwendig, um bestimmte Themen kontinuierlich zu bewerten und „Zweifel“ innerhalb der Gesellschaft auszuräumen. „Wir sollten auch sehen, ob wir die gesetzten Ziele erreicht haben, und wenn nicht, wo die Probleme liegen“, sagte er laut Nachrichtenagentur IRNA. So sollten laut Raisi auch der Status und die Möglichkeiten von Frauen mehr in den Fokus rücken. Welche Gesetze er konkret meinte und ob seine Forderung etwa den Kopftuchzwang betrifft, sagte Raisi nicht.

Borrell bestärkt Demonstranten

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell schrieb nach einem Telefongespräch mit dem iranischen Außenminister Hossein Amir-Abdollahian auf Twitter, die Menschen im Iran hätten das Recht, „friedlich zu protestieren und die Grundrechte zu verteidigen“. Amir-Abdollahian hatte laut einer offiziellen Erklärung in dem Telefonat am Freitag den Europäern empfohlen, „das Thema mit einem realistischen Ansatz zu betrachten“.

Wegen des gewaltsamen Vorgehens gegen Demonstranten hatten die EU-Länder sich am Mittwoch auf neue Sanktionen gegen Teheran geeinigt. Laut Diplomatenkreisen sollen die EU-Außenminister die Strafmaßnahmen am Montag bei einem Treffen in Luxemburg offiziell beschließen. Auch die USA äußerten sich besorgt über die dramatische Lage. „Wir verfolgen die Berichte aus dem Ewin-Gefängnis mit großer Dringlichkeit“, schrieb der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price, am Samstag (Ortszeit) auf Twitter. „Der Iran trägt die volle Verantwortung für die Sicherheit unserer zu Unrecht inhaftierten Bürger, die unverzüglich freigelassen werden sollten.“

Bei den andauernden Protesten sind nach Angaben der in Norwegen ansässigen Menschenrechtsorganisationen Iran Human Rights (IHR) bisher mindestens 108 Menschen getötet worden, darunter 28 Kinder.