Chinas Präsident Xi Jinping
Reuters/Thomas Peter
„Option bewahren“

Scharfe Worte zu Taiwan auf Parteitag

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat Taiwan zum Auftakt des Kongresses der Kommunistischen Partei mit einem Militäreinsatz gedroht. China strebe eine friedliche „Vereinigung“ an, „aber wir werden uns niemals verpflichten, den Einsatz von Gewalt aufzugeben“, so Xi am Sonntag in Peking. Die chinesische Führung werde sich die „Option bewahren, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen“.

Die angesprochenen Maßnahmen zielten auf ausländische Einmischung und eine „kleine Zahl“ von Unabhängigkeitskräften, „nicht auf die Landsleute in Taiwan“, ab, hob Xi Jinping hervor. „Die vollständige Wiedervereinigung des Vaterlandes muss erreicht und kann verwirklicht werden.“

Die kommunistische Führung betrachtet die demokratische Inselrepublik nur als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung. Hingegen versteht sich das 23 Millionen Einwohner zählende Taiwan längst als unabhängig. Die Spannungen hatten sich jüngst verschärft, nachdem China seine militärischen Aktivitäten in der Nähe der Insel verstärkt hat, um den Druck auf Taiwan zu verstärken.

Xi warnte vor „potenziellen Gefahren“ und schwierigen Zeiten. In einer Grundsatzrede vor den rund 2.300 Delegierten in der Großen Halle des Volkes in Peking rief der Präsident am Sonntag dazu auf, sich „auf die schlimmsten Fälle vorzubereiten“. „Deswegen richtet euch darauf ein und seid vorbereitet, starken Winden, schwerer See und selbst gefährlichen Stürmen standzuhalten.“

Dollinger (ORF) zu KP-Parteitag in China

ORF-Korrespondent Josef Dollinger berichtet aus Peking über den Parteitag der kommunistischen Partei.

Aus Taiwan kam am Samstag postwendend eine Antwort: „Konfrontation ist definitiv keine Option für beide Seiten“, teilte ein Sprecher von Präsidentin Tsai Ing-wen in Taipeh mit. Taiwan sei ein „souveränes und unabhängiges Land“. Die 23 Millionen Taiwaner bestünden auf Demokratie und Freiheit und lehnten Vereinigungskonzepte wie „ein Land, zwei Systeme“ in Hongkong entschieden ab. Auch werde das taiwanische Volk keine Konzessionen bei seiner territorialen Integrität machen.

„Sozialismus chinesischer Prägung“

Xis stark ideologisch geprägte Rede widmete sich auch anderen Themen. Er rief dazu auf, entschieden seiner Parteiführung zu folgen, um ein „modernes sozialistisches Land“ mit einem „Sozialismus chinesischer Prägung“ zu bilden. Die nächsten fünf Jahre seien dafür entscheidend. International sah der Parteichef „immense Risiken und Herausforderungen“ sowie „globale Veränderungen, wie sie in einem Jahrhundert nicht gesehen worden sind“.

Kongresssaal in Peking
Reuters/Thomas Peter
In der Großen Halle des Volkes hörten rund 2.300 Delegierte Xis Rede

Der 69-jährige Xi hat China auf einen zunehmend autoritären Kurs gebracht, der die Sicherheit, die staatliche Kontrolle der Wirtschaft im Namen des „gemeinsamen Wohlstands“, eine durchsetzungsfähigere Diplomatie, ein stärkeres Militär und die Übernahme des demokratisch regierten Taiwan in den Vordergrund stellt. Vor vier Jahren schaffte er außerdem die Amtszeitbeschränkungen für Präsidenten ab und machte sich damit den Weg für eine dritte fünfjährige Amtszeit als Generalsekretär der regierenden Kommunistischen Partei frei. Es wird erwartet, dass Xi Jinping eine weitere Amtszeit anstreben wird.

Generationenwechsel nur ab der zweiten Reihe

Während sich der 69-Jährige damit über bisher respektierte Amtszeitbegrenzungen hinwegsetzt, wird gleichwohl das Politbüro aus Altersgründen neu besetzt. Der Personalwechsel in der kommunistischen Führung ist auch ein Vorspiel auf die Tagung des Volkskongresses im nächsten März, wenn ein neuer Premier eingesetzt und eine neue Regierung gebildet werden soll.

Er pries die „notwendige“ strikte Null-Covid-Strategie in China, die „enorme, ermutigende Errungenschaften“ sowohl im Kampf gegen die Pandemie als auch in der wirtschaftlichen Entwicklung gebracht habe. Während der Rest der Welt versucht, mit dem Virus zu leben, verfolgt China weiter ein Null-Toleranz-Ziel – mit Lockdowns, Massentests, Quarantäne und Kontaktverfolgung, was die Wirtschaft bremst.

Mehr Geburten erwünscht

Angesichts der alternden Bevölkerung will Xi außerdem die Geburtenrate ankurbeln. „Wir werden ein politisches System zur Steigerung der Geburtenraten einrichten und eine proaktive nationale Strategie als Antwort auf die Bevölkerungsalterung verfolgen.“ Das Land ist mit 1,4 Milliarden Menschen das zwar bevölkerungsreichste der Welt. Allerdings werden die Geburten Demografen zufolge dieses Jahr auf ein Rekordtief von zehn Millionen fallen von 10,6 Millionen 2021.

Von 1980 bis 2015 hatte China auf die Einkindpolitik gesetzt. Die Geburtenrate von 1,16 zählt inzwischen zu den niedrigsten weltweit. Bereits in den vergangenen Jahren hatte die Regierung versucht, mit Steuererleichterungen, Wohnungszuschüssen und längerem Mutterschaftsurlaub die Bürger zu mehr Kindern zu ermuntern. Laut Demografen sind die Maßnahmen aber nicht ausreichend, da auch Probleme wie etwa hohe Bildungskosten, niedrige Löhne und lange Arbeitszeiten angegangen werden müssten.

Seltener Protest vor Kongress

Im Mittelpunkt des nur alle fünf Jahre stattfindenden Parteitags steht der Ausbau der Macht von Xi Jinping und seine Wiederwahl für eine dritte Amtszeit. Die Delegierten sollen seine Ideologie noch tiefer als Leitlinie in der Verfassung der Partei verankern und ein neues Zentralkomitee bestimmen.

Der Kongress findet unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen statt, die weiter verschärft wurden, nachdem es am Donnerstag einen seltenen Protest eines Mannes an einer Brücke mit einem viel beachteten Banner gegen „Diktator Xi Jinping“ gegeben hatte.

Nach den zehn Jahren Amtszeit von Xi Jinping zogen Beobachter eine kritische Bilanz: „Wir haben uns von kollektiver Führung zu Alleinherrschaft entwickelt, von Amtszeitbegrenzungen zu lebenslanger Führung, von Leistung zu Loyalität, von privatem zu staatlichem Sektor, von Reichtum zu gemeinsamem Wohlstand, von Globalisierung zu technischer Eigenständigkeit“, sagte Richard McGregor vom australischen Lowy Institut der dpa zufolge. Letztlich sei aus Koexistenz zwischen China und den USA auch noch „Konfrontation“ geworden.