Der ehemalige österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz
APA/Hans Klaus Techt
Kurz vs. Schmid

Eine Causa, zwei Versionen

Nach dem Geständnis des ehemaligen ÖBAG-Chefs und Generalsekretärs im Finanzministerium, Thomas Schmid, ist der Kampf um die „richtige“ Version der Geschehnisse entbrannt. Nachdem Schmid vor allem Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gegenüber schwere Vorwürfe erhoben hatte, ging dieser in die Offensive und sieht sich nicht zuletzt aufgrund eines aufgenommenen Telefongesprächs entlastet. Doch steht wirklich Aussage gegen Aussage?

Ein Blick auf die gedruckten und digitalen Titelseiten österreichischer Zeitungen Donnerstagfrüh offenbarte die tiefe Kluft zwischen den beiden derzeit vorherrschenden Narrativen: Während beim „Falter“ etwa die Frage „Muss Sebastian Kurz ins Gefängnis?“ die Startseite zierte, war auf dem Cover von „Heute“ zu lesen: „Tonband-Falle: 00Kurz trickst Kronzeugen aus“.

„Ausgetrickst“ bedeutet in dem Fall: Kurz schnitt ein Telefongespräch mit Schmid mit, das Kurz laut eigener Aussage entlasten soll: „Durch dieses Tonband ist sein (Schmids, Anm.) Kartenhaus aus falschen Anschuldigungen nach weniger als 24 Stunden in sich zusammengestürzt“, schrieb Kurz am Donnerstag auf Facebook und kündigte an, rechtliche Schritte gegen Schmid einzuleiten.

In Hintergrundgesprächen soll Kurz Journalisten zufolge ein Protokoll dieses Telefongesprächs vorgelegt und gemeinsam mit einer anderen Person mündlich vorgetragen haben.

Gefälschtes Telefonat?

Indes schloss der Antikorruptionsexperte Martin Kreutner im Ö1-Morgenjournal nicht aus, dass es sich um ein gefälschtes Telefonat gehandelt haben könnte, das aufgezeichnet wurde, um „vorab schon Munition zu haben, vielleicht gegenschießen zu können“.

Robert Kert, Professor für Strafrecht an der Wirtschaftsuni Wien, verwies im Ö1-Mittagsjournal darauf, dass es der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) obliege zu prüfen, unter welchen Umständen das Gespräch zustande kam. Zweifellos handle es sich bei der Tonbandaufzeichnung aber um ein „Mittel, die Glaubwürdigkeit der Aussagen von Herrn Schmid zumindest infrage zu stellen und anzugreifen“.

Heute-Cover
ORF.at/Gerald Heidegger
Die „Heute“-Titelseite nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Kurz & Co.

Glaubwürdigkeit bei Kronzeugenstatus wesentlich

Seine Glaubwürdigkeit sei es auch, die eine wesentliche Rolle spiele, ob Schmid der Kronzeugenstatus gewährt werde, so Kert. Hier sei es gut möglich, dass das Telefonat eine Rolle spielen könne – schließlich müssten vor einer Entscheidung alle Aussagen von Schmid genau auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden.

Genau hier setzt auch das Argument von so manchen Politikerinnen und Politikern aus den Reihen der ÖVP an: Karoline Edtstadler etwa verwies darauf, dass Schmid gegenüber der WKStA nicht unter Wahrheitspflicht aussage: „In seinem Fall kommt dazu: Er möchte auch den Kronzeugenstatus bekommen und damit straffrei ausgehen.“ Ähnlich äußerte sich Kurz-Anwalt Werner Suppan Mittwochabend in der ZIB2. Auch er unterstellte Schmid „natürlich eine gewisse Motivationslage“ und seinem Geständnis „sehr viele Aspekte der Unwahrheit“.

Kurz-Anwalt Suppan zur Causa Schmid

Der einstige ÖVP-Intimus Thomas Schmid will Kronzeuge werden. Von seinem ehemaligen Vertrauten, Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, fühlte sich Schmid „benutzt“. Kurz widersprach und stellte die Glaubwürdigkeit von Schmid infrage. Kurz-Anwalt Werner Suppan veröffentlichte eine Tonbandaufzeichnung, mit der die Aussagen von Schmid widerlegt werden sollen.

Lügen kein Kavaliersdelikt

Klar ist: Sollte Schmid Personen falsch beschuldigt, also gelogen, haben, ist das kein Kavaliersdelikt, sondern strafrechtlich relevant. Das Delikt der Verleumdung ist sogar mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Zudem würde Schmid dadurch seine Privilegien als möglicher Kronzeuge riskieren.

Politische Beobachter verweisen in der Glaubwürdigkeitsdebatte darauf, dass sich Schmids Aussagen mit jenen von Meinungsforscherin Sabine Beinschab decken würden und es zahlreiche weitere Belege wie die Chats gebe, die Schmids Vorwürfe untermauern.

Thomas Schmid
APA/Hans Punz
Sagt Schmid die Wahrheit? Oder doch Kurz? Entschieden dürfte die Frage vor Gericht werden

Wahrheitsfindung obliegt Justiz

All das zu beurteilen obliege nun der Justiz, sagte Strafrechtsprofessor Kert. Diese müsse überprüfen, ob es Beweise gibt, die die eine oder andere Aussage stützen. Auch müssten sowohl Schmid als auch Kurz einvernommen und mit den Aussagen des jeweils anderen konfrontiert werden.

Kert gehe bei diesem „komplexen Verfahren“ allerdings von längeren Erhebungen aus – und davon, dass es zu einer Verhandlung vor einem Strafgericht kommt: „Wenn es bei diesen widersprüchlichen Aussagen bleibt, kann ich mir gut vorstellen, dass die Staatsanwaltschaft sagt: ‚Das muss ein Gericht klären.‘“ Wem mehr geglaubt wird, Kurz oder Schmid, sei am Ende eine Frage der Beweiswürdigung durch die Staatsanwaltschaft und das Gericht. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.