Halbleiterchip
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Chipindustrie

US-Kampfansage an China mit globalen Folgen

Globale Lieferengpässe bei Halbleitern haben seit der Coronavirus-Pandemie etlichen Branchen ernste Probleme beschert. Nun könnte sich die Lage nochmals verschärfen. Grund ist eine Kampfansage der USA an China. Washington hat den Export von Hochtechnologie für die Chipproduktion an die Volksrepublik untersagt – um den Fortschritt dort quasi abzuwürgen.

Ziel der Exportbeschränkungen aus US-Sicht ist es, die technologischen und, wie es hieß, militärischen Fortschritte Chinas zu bremsen. Betroffen von den Ausfuhrbeschränkungen sind Infrastruktur, die für die Herstellung leistungsstarker Halbleiter notwendig ist, und US-Hersteller von entsprechenden Anlagen. Namentlich genannt wurden in US-Medienberichten Unternehmen wie Lam Research, KLA-Tencor und Applied Materials.

Die „New York Times“ wertete den Schritt der USA als einen „aggressiven Plan“, Chinas Zugang zu hoch entwickelten Chips bzw. die Herstellung dort „abzuwürgen“. Die Gründe dafür seien nicht nur, aber hauptsächlich militärstrategische gewesen, nachdem diese „kritische Technologie“ auch in der Steuerung von Waffensystemen eine wesentliche Rolle spiele.

Entscheidender Einfluss auf Lieferketten

Hochrangige Beamte der US-Regierung, so die Zeitung, hätten seit dem Frühjahr eine Strategie gegen den mittlerweile technologisch und militärisch größten Rivalen China debattiert und entsprechend Druck auf Präsident Joe Biden gemacht. Diese Strategie habe gelautet: den US-Einfluss auf die globalen Lieferketten zu nutzen, um China von ebendiesen abzuschneiden.

Die „New York Times“ zitierte den nationalen Sicherheitsberater im Kabinett Bidens, Jake Sullivan, mit den Worten, es gelte, einen möglichst „hohen Zaun“ zu erreichten, um Rivalen nicht die Möglichkeit zu geben, US-Technologie zu nutzen, um die Sicherheit der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten zu gefährden.

Wenige teilen sich den Markt

Es habe monatelange Diskussionen mit verbündeten Ländern wie Japan, Südkorea, Großbritannien und anderen gegeben, in denen die USA diese zu überzeugen versucht hätten, die Maßnahmen mitzutragen, berichtete die US-Zeitung unter Berufung auf mehrere aktive und frühere Beamte der Regierung in Washington. Einige darunter hätten aus exportwirtschaftlichen Gründen gezögert, folglich hätten sich die USA zum Alleingang entschlossen.

Firmenzentrale Taiwan Semiconductor Manufacturing Co Ltd (TSMC) in Hsinchu
Reuters/Pichi Chuang
Nummer eins in der Auftragsfertigung ist TSMC mit Sitz in Taiwan

Die Halbleiterindustrie ist enorm kosten- und forschungsintensiv. Wenige große Unternehmen – der weltweit führende Auftragsfertiger ist die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company (TSMC) – teilen sich den Markt, führende Herstellerländer sind neben Taiwan Südkorea (Samsung Electronics), die USA (Intel, Globalfoundries) – und mittlerweile eben auch China.

Niemand ist wirklich autark

Wirklich autark in dem Bereich ist kein Land. Die Halbleiterindustrie, zitierte das „Wall Street Journal“ kürzlich Anne Hoecker vom Strategieberatungsunternehmen Bain & Company mit Sitz in Boston (US-Bundesstaat Massachusetts), sei über viele Jahre ein Beispiel für das Funktionieren globaler Lieferketten gewesen.

„Jeder ist sehr stark vom anderen abhängig.“ Aber: Die USA kontrollierten einige der grundlegenden und kritischsten Schnittstellen der Lieferketten, speziell dort, wo es um Forschung und Entwicklung gehe, etwa im Chipdesign. Dementsprechend groß ist ihr Einfluss auf den globalen Markt.

Längst eine geopolitische Frage

Was die USA um jeden Preis verhindern wollten, hieß es in einem Kommentar der „New York Times“, sei, dass China eine autarke Chipindustrie aufbaue – etwas, woran die Volksrepublik seit Jahren beharrlich arbeite.

Chipproduktion  in Huaian
Reuters/China Daily
China arbeitet seit Jahren beharrlich am Aufbau einer autarken Chipindustrie

„Wie bei Erdöl oder Flugzeugträgern oder Nuklearwaffen ist die Frage, wer die Halbleiterindustrie kontrolliert, von geopolitischer Relevanz.“ Chips steckten schließlich nicht nur in Smartphones und Laptops, sondern auch in Überwachungs- und Waffensystemen. Die Dominanz in diesem Industriezweig „in den falschen Händen könnte verheerend sein“.

Scharfe Kritik aus Peking

Peking jedenfalls kritisierte die Ausfuhrbeschränkungen des US-Handelsministeriums zuletzt scharf. „China lehnt es entschieden ab, dass die USA nationale Sicherheitskonzepte und Exportkontrollen missbrauchen, um chinesische Unternehmen zu blockieren“, sagte Außenamtssprecherin Mao Ning. Willkürlich und aus politischen Gründen Beschränkungen zu erlassen untergrabe industrielle Lieferketten und schwäche die anfällige Weltwirtschaft nur weiter.

Nach den neuen US-Vorschriften brauchen alle Unternehmen, die Anlagen für die Herstellung von Halbleitern nach China liefern, Exportlizenzen. Beschränkungen gelten auch für US-Staatsbürger, die für chinesische Unternehmen arbeiteten. Laut „Wall Street Journal“ sind das Dutzende in den obersten Führungsebenen.

Krisentreffen mit Herstellern in China

Als Reaktion auf die verschärften US-Exportbeschränkungen berief die chinesische Regierung laut einem Bericht der US-Wirtschaftsnachrichtenagentur Bloomberg einen Krisengipfel mit den betroffenen Unternehmen ein, um mögliche Folgen abzuschätzen. In den vergangenen Tagen hätten sich Vertreter des Ministeriums für Industrie und Informationstechnik mit Managern führender Chiphersteller getroffen. An den Gesprächen „hinter verschlossenen Türen“ seien Unternehmen wie der Speicherchiphersteller Yangtze Memory Technologies Corp (YMTC) und der Supercomputerentwickler Dawning Information Industry Company Limited (Sugon) beteiligt gewesen.

Globale Nummer eins schraubt Investitionen herunter

TSMC mit Sitz in Taiwan kündigte kürzlich an, seine Investitionen um zehn Prozent drosseln zu wollen. Anstatt wie geplant 40 sollen in diesem Jahr nun 36 Mrd. Dollar (rund 36,5 Mrd. Euro) in Forschung, Entwicklung und Produktion fließen. Das wurde als weiteres Krisensignal in der Branche gewertet, das Unternehmen stelle sich offenbar auf einen weiteren Abschwung ein. TSMC fertigt Halbleiter unter anderem für Großkunden wie den US-Elektronikriesen Apple sowie die Chipkonzerne Nvidia und AMD, ebenfalls mit Sitz in den USA.

Am Donnerstag meldete Samsung einen deutlichen Gewinnrückgang für das dritte Quartal und nannte als Grund die nachlassende Nachfrage nach Speicherchips. Der Überschuss sei im Jahresvergleich um 23,6 Prozent auf 9,39 Bio. Won (etwa 6,6 Mrd. Euro) gefallen, teilte der südkoreanische Konzern mit.