Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, Bundeskanzler Karl Nehammer und Bundespräsident Alexander Van der Bellen
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Neutralität und Sicherheit

Nationalfeiertag im Schatten des Ukraine-Krieges

Zwei Themen haben am Mittwoch im Großen und Ganzen die politischen Wortmeldungen zum Nationalfeiertag geprägt: Neutralität und Ukraine-Krieg. Erstere sei ein „hohes Gut“, hieß es mehrfach. Es folgten deutliche Bekenntnisse zum Heer und der militärischen Landesverteidigung, die wohl ohne Ukraine-Krieg so nicht geklungen hätten. Das Heer war nach zwei Jahren pandemiebedingter Zwangspause wieder mit seiner Leistungsschau auf dem Wiener Heldenplatz vertreten, über 1.000 Rekruten wurden angelobt. Einzig Nebel war bei der Eurofighter-Vorführung nicht eingeplant.

Russlands Präsident Wladimir habe mit dem Überfall auf die Ukraine die europäische Sicherheitsarchitektur erschüttert, sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu Beginn seiner Rede. Es habe sich gezeigt, dass Krieg wieder nahe an die eigenen Grenzen rücken kann. Die Rekruten auf dem Heldenplatz erinnerte der Bundespräsident vor ihrer Angelobung an die Gelöbnisformel und deren Bedeutung. Die immerwährende Neutralität sei ein „hohes Gut“, aber wenn man über sie spreche, bleibe „der zweite Satz oft unerwähnt“, der da lautet: „Österreich wird diese mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln aufrechterhalten und verteidigen.“

Beim Bundesheer habe der rigorose Sparkurs über viele Jahre seine Spuren hinterlassen, die Sicherheit des Landes und der Truppe gefährdet. Er begrüße nun sehr, so Van der Bellen, dass seine Forderung nach mehr Budget für das Heer nun umgesetzt werde. Der Bundespräsident verwies auf das breite Leistungsspektrum des Heeres, vom Schutz kritischer Infrastruktur bis hin zu Assistenzeinsätzen wie zuletzt etwa in der Coronavirus-Pandemie.

Nationalfeiertag in Österreich

Auf dem Wiener Heldenplatz wurde am Nationalfeiertag die klassische Leistungsschau des Bundesheeres präsentiert. Das war zwei Jahre aufgrund der CoV-Pandemie nicht möglich. Die Debatte über die Neutralität und Sicherheit rückt derzeit auch zunehmend in den Vordergrund, unter anderem auch wegen des aktuellen Krieges in der Ukraine.

Nehammer erinnert an „umfassende“ Landesverteidigung

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) – selbst, wie er betonte, noch immer Milizsoldat – blickte anfangs auf seine eigene Angelobung zur Zeit des Zerfalls des ehemaligen Jugoslawien und den Einsatz des Bundesheeres damals an der Staatsgrenze zurück. Nun herrsche wieder Krieg in Europa, Menschen erlitten unendlich viel Leid. Der Krieg in der Ukraine zeige aber auch, „wie wichtig es ist, in der Lage zu sein, sich selbst zu verteidigen“. Die militärische Landesverteidigung sei viele Jahre lang vernachlässigt worden. Nun habe die Bundesregierung ihre Lektion gelernt, das Heer werde besser ausgerüstet.

Bundeskanzler Karl Nehammer, Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner
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Bundeskanzler Nehammer, Bundespräsident Van der Bellen und Verteidigungsministerin Tanner beim Abschreiten der Formation

Nehammer sprach von zwei „großen Pflöcken“, die eingeschlagen würden: einerseits das Sicherheitsbudget erhöhen und andererseits Unabhängigkeit dadurch garantieren, dass man etwa unabhängiger von fossilen Energieträgern werde. Er erinnerte an das in der Verfassung festgehaltene Konzept der „umfassenden Landesverteidigung“, jetzt wichtiger denn je und ein „Begriff, den man schon lange nicht mehr gehört“ habe. Diese umfasst die vier Komponenten militärische, geistige, zivile und wirtschaftliche Landesverteidigung – deswegen auch das von Nehammer ausgegebene Ziel, wirtschaftlich unabhängiger zu werden, möglichst nicht erpressbar zu sein.

Tanner spricht von „Zäsur“ und Welt im Umbruch

„Die Welt ist im Umbruch“, sagte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP), die schon vor Van der Bellen und Nehammer zu Wort gekommen war, zum Beginn ihrer Rede. Der 24. Februar, der Tag, an dem die russische Armee in der Ukraine einmarschiert ist, sei eine „Zäsur“ gewesen. Selbstverständlichkeiten seien binnen Stunden obsolet geworden. Alle Länder hätten ihre Politik neu ordnen müssen. „Auch wir müssen uns neu orientieren“, so Tanner. Die Neutralität sei ein „hohes Gut“, aber kein Schutz. Das Bundesheer schütze das Land und die Neutralität. Der 24. Februar habe aber auch dazu geführt, dass man das Heer neu denken müsse.

Rekruten des österreichischen Bundesheers bei der Angelobung im Rahmen des Nationalfeiertags
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Die Garde begleitete den Festakt auf dem Heldenplatz

„Mission vorwärts“

Hauptaufgabe des Heeres, so Tanner, sei die militärische Landesverteidigung, alles andere Nebenaufgabe. Sie verwies auf die Investitionspakete, etwa jene 16 Mrd. Euro, die in den kommenden vier Jahren in die Truppe investiert werden sollen. Das langjährige Credo „Schutz und Hilfe“ müsse weiterentwickelt werden in einer „Mission vorwärts“.

Rekruten des österreichischen Bundesheers bei der Angelobung im Rahmen des Nationalfeiertags
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Für über 1.000 Rekruten und zwei Soldatinnen hieß es: „Ich gelobe“

„Zeitenwende“ mit Krieg in der Ukraine

Erster Redner war Wiens Bürgermeister Ludwig gewesen. Er sprach von einer „komplexen Situation“ und einer „Zeitenwende“ mit dem Krieg in der Ukraine. Die gegenwärtige Zäsur in der internationalen Politik werde auch in Österreich besonders wahrgenommen. „Wir sehnen uns nach Frieden“, sagte Ludwig und zitierte den seinerzeitigen deutschen Bundeskanzler Willy Brand mit den bekannten Worten, Frieden sei nicht alles, „aber ohne Frieden ist alles nichts“.

Wien, so Ludwig, sei mit Sitzen etwa der UNO und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) eine „Friedensstadt“ in einem neutralen Österreich. Österreich sei mit dem Bundesgesetz über die immerwährende Neutralität eine Verpflichtung eingegangen, „die wir auch heute leben wollen“, aber Neutralität nicht dort, wo es um Menschlichkeit gehe. Der Wiener Bürgermeister verwies auf die Aufnahme der zahlreichen Vertriebenen aus der Ukraine, dem Bundesheer dankte der Wiener Bürgermeister für dessen Hilfe in unterschiedlichen historischen und aktuellen Krisensituationen.

Rendi-Wagner: Neutralität „stärkt unsere Sicherheit“

SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner sprach sich in einer Presseaussendung zum Nationalfeiertag „klar für die Erhaltung der österreichischen Neutralität“ aus. Diese sei ein zentraler Bestandteil der österreichischen Sicherheitspolitik – „sie stärkt unsere Sicherheit“. Gerade die Neutralität schaffe Möglichkeiten, die andere Staaten aufgrund ihrer militärischen Bündnisse nicht hätten, so die SPÖ-Chefin. „Unser Auftrag als neutrales Land“ sei eine aktive Außen- und Friedenspolitik und in Konflikten zu vermitteln, „wie es Österreich in der Vergangenheit schon oft getan hat“.

Aber: Neutral zu sein bedeute nicht, „gesinnungsneutral zu sein“. Die Neutralität habe Österreich in der Vergangenheit nicht daran gehindert, „klar Stellung zu beziehen, und sie tut es auch heute nicht“, so Rendi-Wagner. Die Neutralität sei nichts, „was man einem Trend folgend einfach abschaffen sollte“. Zu dieser Neutralität zu stehen bedeute aber auch, zum Bundesheer zu stehen. Dieses müsse so ausgestattet sein, dass es seine verfassungsmäßigen Aufgaben auch erfüllen könne.

Auch FPÖ pocht auf Neutralität

Auch FPÖ-Bundesparteichef Herbert Kickl setzte in seiner diesjährigen Videobotschaft anlässlich des Nationalfeiertags, aufgenommen vor blauem Hintergrund samt Österreich-Fahne, ganz auf das Thema Neutralität. Sie bringe Österreich Freiheit und Selbstbestimmung und müsse deshalb auch im Zentrum der Außen- und Sicherheitspolitik stehen – gerade auch im aktuellen Ukraine-Krieg, wo die Sanktionen gegen Russland Wohlstand und Sicherheit Österreichs zerstören würden. Die mit dem 26. Oktober 1955 in Verfassungsrang gehobene immerwährende Neutralität sei eine hervorragende politische Selbstverteidigungswaffe, die Regierung heble sie – unterstützt von einer „Scheinopposition“ – mit ihren Handlungen allerdings aus, kritisierte Kickl. So werde das Land immer mehr „in den Eskalationsstrudel eines Wirtschaftskrieges“ hineingezogen.

Die FPÖ stehe für eine „Renaissance“ der Neutralitätspolitik früheren Zuschnitts, „als österreichische Politiker ihre Aufgabe als Vermittler und Friedensstifter und nicht als Kriegstreiber gesehen haben“. Geht es nach dem Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer (FPÖ), muss Österreich zur Stärkung der Neutralität vor allem unabhängig von Energieressourcen werden, wie er mit Verweis auf den Ukraine-Krieg und dessen Auswirkungen in einer Aussendung betonte.

Nebel trübte Blick auf Eurofighter

Begonnen hatten die offiziellen Feierlichkeiten zum 26. Oktober gegen 9.00 Uhr auf dem Wiener Heldenplatz mit der traditionellen Kranzniederlegung durch Van der Bellen und die Bundesregierung am Äußeren Burgtor. Knapp vor 11.00 Uhr überflogen zwei Eurofighter vom Fliegerhorst im steirischen Zeltweg kommend und eine Transportmaschine vom Typ C-130 Hercules den Heldenplatz. Allerdings trübte Nebel „aufgrund der tiefen Wolkenuntergrenze“, wie es hieß, die Sicht für die Zuseher. Die Kampfjets waren nur deutlich zu hören.

Angelobung von 1.000 Rekruten

Gegen 11.00 Uhr erfolgte nach der Meldung an den Bundespräsidenten als Oberbefehlshaber des Bundesheeres vor einer Ehrenkompanie der Garde der Auftakt zum Höhepunkt der Feiern. Nach den Reden Ludwigs, Tanners, Nehammers und Van der Bellens wurden knapp über 1.000 Präsenzdiener und zwei Soldatinnen verschiedener Verbände auf dem Heldenplatz angelobt. Nach dem Treuegelöbnis (nach Paragraf 41, Absatz 7 des Wehrgesetzes) gab Bundespräsident Van der Bellen gegen Mittag den Befehl zum Abrücken.

Auf dem Heldenplatz, wo das Heer erstmals seit 2019 wieder mit seiner Leistungsschau vertreten war, hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits zahlreiche Besucher eingefunden. Zu sehen gab es Fahrzeuge und Gerät unterschiedlicher Waffengattungen, darunter Panzer, Hubschrauber, Sonderfahrzeuge und verschiedene Demonstrationen zu sehen. Unterschiedliche Institutionen hatten zum Tag der offenen Tür geladen.