Tomaten in einem Gewächshaus
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Gemüseproduktion

Energiekrise wirft langen Schatten

Tomaten, Gurken und Paprika aus heimischer Produktion, auch im Winter: Was in den vergangenen Jahren für Konsumentinnen und Konsumenten zur Selbstverständlichkeit geworden ist, ist heuer alles andere als sicher. Den Gewächshausbetreibern machen hohe Strom- und Gaspreise zu schaffen. Die Folgen der Energiekrise dürften die Branche noch länger beschäftigen.

In Christian Zeilers Gewächshäusern in Münchendorf (Niederösterreich) werden normalerweise 365 Tage im Jahr Tomaten produziert. Bekannt ist seine Ware aus den Supermärkten der REWE-Gruppe, wo die Paradeiser der Sorte „Fruchtige Frieda“ in der Gemüseabteilung liegen. Diesen Winter bleiben die Glashäuser kalt und leer. „Aufgrund der hohen Strom- und Gaspreise ist es uns nicht möglich, Gewächshäuser im Winter zu beheizen, geschweige denn zu belichten“, sagt Zeiler gegenüber ORF.at.

Von Weihnachten bis Ostern wird der Betrieb heruntergefahren. Den Ernteausfall bei seinen Cherrytomaten beziffert Zeiler auf 500 bis 700 Tonnen, was etwa 20 Prozent der Jahresproduktion entspreche. In den vergangenen 15 Jahren hat Zeiler sehr viel in Technik investiert, um die ganzjährige Produktion von Tomaten möglich zu machen. Ein mit Erdgas betriebenes Blockkraftwerk versorgt die Glashäuser in Münchendorf mit Energie.

Auch andere Betriebe betroffen

Zeiler ist nicht der einzige Anbieter, der die Gemüseproduktion über den Winter einstellt. Auch der auf Minigurken spezialisierte Betrieb von Martin Flicker in Wien sperrt im Dezember zu. Anbau und Ernte in der kalten Jahreszeit rentieren sich in diesem Jahr nicht.

Gewächshaus
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Viele Glashäuser in Österreich bleiben diesen Winter kalt

„Ich müsste einen Kilopreis von mindestens vier Euro bekommen, damit es sich ausgeht. Im Geschäft wären das dann zehn Euro, das bezahlt für Gurken niemand“, sagte Flicker, der auch stellvertretender Präsident der Wiener Landwirtschaftskammer ist, den „Salzburger Nachrichten“. Derzeit erhalte er 1,60 bis 1,90 pro Kilo, im Supermarkt kosteten die Gurken fünf bis sechs Euro, sagte er der Zeitung.

Wie stark die Energiepreise in die Höhe geschnalzt sind, rechnete Michael Unger aus Pamhagen gegenüber dem ORF-Burgenland vor. In Ungers Gewächshäusern werden ganzjährig Paprika gezüchtet. „Wir haben normalerweise im September ungefähr Gaskosten von 40.000 bis 45.000 Euro und mussten dieses Jahr damit kämpfen, dass wir 160.000 Euro zu zahlen haben“, so Unger – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Energieträger: Rascher Umstieg unmöglich

„Uns war bewusst, dass die Energie in der Vergangenheit zu billig war“, räumt Tomatenproduzent Zeiler ein. Man habe damit gerechnet, dass sich die Preise in Zukunft verdoppeln würden. „Das hätten wir verkraftet, da wären wir vorbereitet gewesen“, so Zeiler, „aber in diesem Ausmaß, bei dem wir heute stehen – eine Verzehnfachung, das Komma ist eine Stelle nach hinten gerutscht –, das hätte niemand geglaubt oder befürchtet.“

Der rasche Umstieg von Erdgas auf andere Energieträger ist nicht möglich. Öl sei keine Alternative, da es noch weniger nachhaltig als Gas und ähnlichen Preisschwankungen unterworfen sei, sagt Zeiler. Die Errichtung einer Hackschnitzelanlage nehme von der Genehmigung bis hin zur Installation und Inbetriebnahme etwa eineinhalb bis zwei Jahre in Anspruch. Und ganz allgemein stelle sich die Frage, ob der Rohstoff Holz nicht zu wertvoll sei, um ihn zu verbrennen, sagt Zeiler.

Den staatlichen Energiekostenzuschuss für Unternehmen kann Zeiler nicht beantragen, da seine Firma im Bereich der landwirtschaftlichen Urproduktion tätig ist. Spezielle Unterstützung für Glashausbetreiber im Obst-, Gemüse- und Gartenbau gab es vom Landwirtschaftsministerium. Insgesamt wurden neun Mio. Euro aus einer „außergewöhnlichen Anpassungsbeihilfe“ der EU vergeben. Laut Ministerium kam das Geld 722 heimischen Betrieben zugute. „Man nimmt es gerne, es ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Zeiler.

Unsicherer Ausblick

Bei Frutura in der Steiermark läuft die Produktion dagegen über den Winter weiter. Die Gewächshäuser in Bad Blumau werden mit Hilfe von Thermalwasser beheizt. Das macht Frutura unabhängig von Erdgas. „Wenn wir die Geothermie nicht hätten, müssten wir auch zumachen“, sagt Geschäftsführer Manfred Hohensinner gegenüber ORF.at. Preissteigerungen bei Strom, Düngemitteln und Verpackungsmaterialien bekomme aber auch sein Betrieb zu spüren.

Die Krise im Winter wird nach Ansicht Hohensinners bis ins Frühjahr hineinwirken. Tomaten, Gurken und Paprika, deren Ernte im April bzw. Mai ansteht, werden im Jänner gepflanzt. „Das fällt heuer flach, weil das nicht finanzierbar ist“, sagt Hohensinner. Bei Frutura selbst sei die Winterproduktion bereits gepflanzt worden; jene für das Frühjahr starte im Dezember. Die Kostenexplosion bei Licht und Wärme treffe zudem die Züchterinnen und Züchter von Jungpflanzen. „Auch hier wird weniger produziert, und die Pflanzen haben einen ganz anderen Preis.“

Ebenfalls Thema im Frühjahr könnte die schwierige Suche nach Arbeitskräften werden. Gewächshausbetriebe stünden aktuell vor der Entscheidung, den Beschäftigten Lohnfortzahlungen zu gewähren, ohne Umsatz zu machen, „oder man kündigt sie, und ich gehe nicht davon aus, dass man sie wieder zurückgewinnen kann“, sagt Zeiler und erinnert an die Lage in der Gastronomie nach Ende der CoV-Maßnahmen.

Umdenken in der Landwirtschaft

Mit Blick auf die Klimakrise fordert Hohensinner ein Umdenken in der Landwirtschaft. 70 Prozent der heimischen Agrarflächen seien für Futtermittel belegt, „mit denen wir Fleisch in einer Menge produzieren, die wir nicht brauchen“. Auch bei Obst und Gemüse müsse man sich ansehen, was im Übermaß erzeugt wird und bei welchen Gütern man von Importen abhängig sei.

Zur Sicherstellung der Lebensmittelproduktion brauche es „technische Hilfsmittel“ wie Gewächshäuser, aber auch Kanäle zum Speichern von Regenwasser. Mit der Klimakrise nehmen extreme Wetterereignisse auch in Österreich zu. Die trockenen Phasen werden länger, die Niederschläge fallen kürzer, aber heftig aus.