Premierminister Rishi Sunak betritt die Downing Street Nr. 10
Reuters/Hannah Mckay
Geldverschleiß und Personal

In Downing Street will keine Ruhe einkehren

Dass der neue britische Premier Rishi Sunak kein leichtes Erbe antritt, ist schon vor seiner Ernennung klar gewesen. Doch schon seine ersten Taten als Regierungschef sorgen für heftige Turbulenzen abseits der nötigen Krisenbewältigung. Nicht nur seine Personalauswahl sorgt für Streit. Auch die hohen Kosten für die Steuerzahlenden, die sich durch das Personalkarussell ergeben, sind Grund für Ärger.

Sunak hatte am Dienstag bekanntgegeben, dass er etliche Köpfe in der Regierung auswechseln will. Fast ein Dutzend Ministerinnen, Minister und weitere hochrangige Funktionäre, die unter seiner glücklosen Vorgängerin Liz Truss Ämter übernommen hatten, müssen sich neue Jobs suchen. Darunter sind auch prominente Torys wie Energieminister Jacob Rees-Mogg, Bildungsminister Kit Malthouse und der bisherige konservative Generalsekretär Jake Berry.

Ihre Stelle als Innenministerin darf hingegen Suella Braverman behalten. Braverman war nur einen Tag vor dem Rücktritt von Truss – wohl unfreiwillig – aus deren Kabinett ausgeschieden, weil sie entgegen der ministeriellen Regeln ein offizielles Dokument mit ihrer privaten E-Mail-Adresse weitergeleitet hatte. Durch Sunaks Amtsantritt kann Braverman nun eine Woche nach ihrem Abgang wieder Ministerin sein. Das sorgt für gehörigen Ärger in der Partei.

Erste Kabinettssitzung mit Premier Sunak

Der neue britische Premierminister Rishi Sunak kündigte an, die Fehler seiner Vorgängerin, Liz Truss, ausbessern zu wollen. Sofort startete er einen Umbau des britischen Kabinetts. Einige Unterstützer von Truss und Boris Johnson mussten gehen.

„Zweite Chance“

Der von Sunak geschasste Generalsekretär Berry macht Stimmung gegen die Besetzung. Braverman habe nicht nur einmal die Vorschriften für Minister gebrochen: „Meines Wissens gab es mehrere Verstöße gegen den Ministerial Code“, sagte Berry im Sender Talk TV. Im Ministerial Code sind die Verhaltensrichtlinien für Regierungsmitglieder festgelegt und die Sanktionen im Fall von Verstößen dagegen.

„Für mich scheint das ein wirklich schwerwiegender Verstoß zu sein“, sagte Berry. „Insbesondere wenn es sich, wie ich glaube, um Dokumente im Zusammenhang mit Cybersicherheit handelte.“ Anders als bisher bekannt, habe Braverman den Fehler nicht selbst in der Regierung angesprochen, sondern habe ihn erst eingeräumt, als sie damit konfrontiert worden sei.

die britische Innenministerin Suella Braverman
APA/AFP/Justin Tallis
Suella Braverman ist weg und wieder da. Ob sie bleibt, wird sich zeigen.

Im Fall Braverman hatte die Opposition bereits eine unabhängige Untersuchung gefordert. Nach der Ansicht der Labour-Partei gab Sunak Braverman ihren Job zurück, weil sie sich hinter ihn und nicht hinter Truss gestellt hatte. „Er ist so schwach, er hat einen schmuddeligen Handel die nationale Sicherheit betreffend abgeschlossen, weil er Angst hatte, eine weitere Führungswahl zu verlieren“, so Labour-Chef Keir Starmer.

Sunaks neuer Generalsekretär, Nadhim Zahawi, sprang für Braverman in die Bresche, er glaube an Wiedergutmachung. „Der Premierminister hat sich diesen Fall angesehen und beschlossen, ihr eine zweite Chance zu geben“, so Zahawi zur BBC.

Enorme Kosten durch Posten

Braverman kommt aus dem rechten Flügel der Partei und steht für einen extrem harten Kurs in der Einwanderungspolitik. Sunak hatte ihre Ernennung, mit der er nach Einschätzung von Beobachtern den einflussreichen rechten Parteiflügel einbinden will, verteidigt. Nun steigt der Druck, sie doch wieder abzuberufen – das wäre freilich schon die erste Blamage in Sunaks junger Amtszeit.

Zumindest würde Braverman, sollte sie erneut abgezogen werden, nicht auch erneut abgefunden werden. Kehren Kabinettsmitglieder binnen drei Wochen in Regierungsverantwortung zurück, steht ihnen keine Abfertigung zu. Doch die Kosten für das Politkarussell in der Downing Street sind bereits öffentliches Debattenthema. Am Donnerstag errechnete der Sender Sky News, dass die Abfertigungszahlungen für die vielen Minister und Staatssekretäre seit Jahresbeginn voraussichtlich rund 726.000 Pfund (838.308 Euro) kosten.

79 Entlassungen in zehn Monaten

Insgesamt seien seit Jänner 79 Regierungsmitglieder und Fraktionseinpeitscher („Whips“) entlassen worden, von denen 71 vermutlich ein Anrecht auf Zahlungen von durchschnittlich mehr als 10.000 Pfund hätten, so Sky News. Am meisten erhält demnach mit 34.000 Pfund der bisherige Justizminister Brandon Lewis. Er diente zuvor als Nordirland-Minister, weshalb er Anrecht auf zwei Zahlungen habe. Die beiden ehemaligen Premierminister Boris Johnson und Truss bekommen jeweils 18.860 Pfund an Abfertigungen.

Bei Truss, die kaum sieben Wochen im Amt war, entspricht das nach Angaben von Sky News einer Summe von 385 Pfund pro Tag. Nicht eingerechnet sind Ruhegehälter. So haben die beiden Ex-Regierungschefs einen Anspruch auf jeweils 115.000 Pfund im Jahr.

Die Zahl der neu ernannten Kabinettsmitglieder ist in diesem Jahr bereits mehr als doppelt so hoch wie in jedem Jahr seit 1979, wie die Denkfabrik Institute for Government ermittelt hat. Mit Sunak ist auch bereits der dritte Premierminister in diesem Jahr im Amt.

Hartnäckiges Image der Abgehobenheit

Sunak muss ohnehin gegen den Ruf ankämpfen, er könne die Geldsorgen der Bevölkerung nicht nachvollziehen. Der frühere Investmentbanker gilt als reichster Abgeordneter des Königreichs. Diverse Fauxpas in der Vergangenheit verstärkten das Bild der Abgehobenheit. So zählte der „Guardian“ einige „verfängliche Rishi-Sunak-Momente“ auf, bei denen der nunmehrige Premier keine gute Figur machte. Sunak posierte etwa im März für ein PR-Foto zum Thema Benzinpreise an einer Tankstelle, das Bild veröffentlichte er selbst im Netz. Er benutzte allerdings nicht sein eigenes Auto, sondern einen Kia, der einem Angestellten der Tankstelle gehörte. Sunak wurde daraufhin vorgeworfen, sich als weniger wohlhabend ausgegeben zu haben.

In einer BBC-Doku 2001 sprach Sunak über seinen Werdegang und sagte: „Ich habe Freunde, die Aristokraten sind, ich habe Freunde aus der Oberschicht, ich habe Freunde aus der Arbeiterklasse… Na ja, vielleicht doch nicht aus der Arbeiterklasse.“ Später habe er sich dafür verteidigt, so der „Guardian“: „Wir alle sagen dumme Sachen, wenn wir Studierende sind.“