Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen
reuters/Fabian Bimmer
Wahlkrimi in Dänemark

Hauchdünne linke Mehrheit in letzter Minute

Bei der dänischen Parlamentswahl hatte es am Dienstagabend lange so ausgesehen, als ob die Sozialdemokraten von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen künftig mit ihren bisherigen Bündnispartnern keine Mehrheit mehr im Parlament hätten. Doch in letzter Minute gab es dann doch eine hauchdünne Mehrheit für das linke Lager. Frederiksen kündigte nach Bekanntgabe des Ergebnisses noch für Mittwoch den formellen Rücktritt ihrer Regierung und Verhandlungen für eine breite Koalition an.

Nach Auszählung aller Stimmen erreichte das Mitte-links-Bündnis in der Nacht auf Mittwoch doch noch die zur Mehrheit erforderlichen 90 von 179 Sitzen. Das Mitte-rechts-Lager kam auf 73 Abgeordnete. 175 dieser Mandate werden in Dänemark vergeben, jeweils zwei in Grönland und auf den Färöer-Inseln, die beide offiziell zum Königreich Dänemark zählen.

Die färöischen Mandate wurden bereits am Montag unter den beiden Blöcken aufgeteilt, Mittwochfrüh gingen nach Auszählung fast aller Stimmen die beiden grönländischen Mandate an das Mitte-links-Lager. Schon bei den letzten sechs Wahlen gingen beide grönländischen Mandate an den linksgerichteten Block.

Zugewinne für Sozialdemokraten

Frederiksens Sozialdemokraten kamen auf 27,5 Prozent der Stimmen, was ein leichter Gewinn im Vergleich zur Wahl 2019 (25,9 Prozent) ist. Frederiksen ließ ihre sozialdemokratische Minderheitsregierung bisher hauptsächlich von links, in der Migrationspolitik aber auch von rechts unterstützen. Im Wahlkampf sagte sie, sie strebe diesmal aber eine breite Regierung über die traditionellen Blockgrenzen hinweg an. Dennoch: Auf der Wahlparty der Sozialdemokraten gab es Jubel und Tränen, als bei einem Auszählungsstand von über 98 Prozent plötzlich ein Mandat wanderte. Den ganzen Abend lang hatte es so ausgesehen, als ob das nicht möglich wäre.

Frederiksen kündigt Regierungsrücktritt an

Regierungschefin Frederiksen sprach am Mittwoch vom „besten Ergebnis der Sozialdemokratie seit über 20 Jahren“ und stellte den raschen Beginn von Koalitionsverhandlungen in Aussicht. „Wenn die Sozialdemokraten etwas sagen, dann halten wir uns auch daran“, sagte die 44-Jährige mit Blick auf ihren im Wahlkampf gemachten Vorschlag, ein lagerübergreifendes Regierungsbündnis anzuführen. Die Sozialdemokraten seien eine „Partei für ganz Dänemark“.

Obwohl ihr Mitte-links-Bündnis nun doch eine Mehrheit erreicht hat, will Frederiksen noch am Mittwoch den Rücktritt ihrer Regierung bei Königin Margrethe II. einreichen. Mit diesem Schritt will die dänische Regierungschefin den Weg zu einer neuen Königinnenrunde frei machen. Dabei wird überprüft, welcher der Parteichefs die besten Chancen hat, sich auf die Suche nach einer neuen Regierung zu machen.

Da die Sozialdemokraten erneut die mit Abstand stärkste Kraft geworden sind, dürfte Frederiksen diesen Sondierungsauftrag erneut erhalten. Sie könnte sich dann auf den Weg machen, die Möglichkeiten für eine für Dänemark seltene breite Regierung über die politische Mitte hinweg auszuloten. Frederiksen hatte angekündigt, eine blockübergreifende Regierungszusammenarbeit anzustreben.

Ex-Ministerpräsident nun doch nicht Königsmacher

Mit dem Endergebnis verliert der frühere rechtsliberale Ministerpräsident Lars Lökke Rasmussen seine Rolle als Königsmacher: Er hatte seine Partei Venstre verlassen und die Moderaten gegründet, die er zwischen den Blöcken positionierte. Die neue Partei errang 16 Mandate bzw. rund neun Prozent der Stimmen und damit den dritten Platz.

Das Last-Minute-Ergebnis dürfte Fredriksens Verhandlungsposition entscheidend verbessern: Sie kann sowohl die Moderaten als auch die anderen Linksparteien mit ihren Forderungen und der Aussicht, die andere Option zu wählen, unter Druck setzen.

Oppositionsführer verlor zehn Prozentpunkte

Venstre von Oppositionsführer Jakob Ellemann-Jensen wurde von den Wählern abgestraft und kommt nur auf 13,3 Prozent, ein Verlust von rund zehn Prozentpunkten. Viele der ehemaligen Wählerinnen und Wähler dürften zu Rasmussens Moderaten gewechselt sein.

Einige folgten vermutlich auch der ehemaligen Ausländerministerin der Partei, Inger Stojberg. Die für ihre Asylpolitik zu einer Gefängnisstrafe verurteilte Politikerin hatte im Sommer die Dänemarkdemokraten – wohl nach dem Vorbild der rechtspopulistischen Schwedendemokraten im Nachbarland – gegründet. Sie erreichte gut acht Prozent, dafür wurde die ebenfalls rechtspopulistische Dänische Volkspartei stark dezimiert. Ihren Stimmenanteil auf knapp acht Prozent fast verdreifachen konnte die Liberale Allianz.

Zwölf Parteien im Parlament

Im linken Lager konnten die Grünen (SF) leichte Zugewinne verbuchen und kommen auf rund acht Prozent. Die linke Partei Radikale Venstre, die mit einem Ultimatum zum „Nerzskandal“ die vorgezogene Neuwahl ausgelöst hatte, stürzte um rund fünf Prozentpunkte ab und liegt gerade einmal bei 3,8 Prozent.

Insgesamt haben zwölf Parteien die Zweiprozenthürde für den Einzug ins Parlament geschafft. Traditionell gibt es in Dänemark meist Minderheitsregierungen, die von weiteren Parteien im Parlament toleriert werden.

Der frühere dänische Ministerpräsident Lars Lökke Rasmussen
Reuters/Ritzau Scanpix
Ex-Ministerpräsidenten Lars Lökke Rasmussen sah lange als Königsmacher aus

Färöer wählten schon am Montag

Auf den zum dänischen Königreich zählenden Färöern durften die Wählerinnen und Wähler wegen eines Gedenktages für auf See verstorbene Färinger bereits am Montag abstimmen. Wie der dortige Rundfunksender KVF nach Auszählung aller Stimmen berichtete, behalten die beiden stärksten färöischen Parteien jeweils ihr Mandat – eines davon wird im dänischen Parlament dem Mitte-links-, das andere dem Mitte-rechts-Block zugerechnet. Den Sitz der prodänischen Partei Sambandsflokkurin übernimmt demzufolge die 26-jährige Anna Falkenberg von ihrem Großvater Edmund Joensen.