Werbeplakat in Doha für die Fußball-WM in Katar
APA/AFP/Gabriel Bouys
Schmutzkübel, Sabotage, Spionage

Katar soll Gegner in FIFA manipuliert haben

Die Vorwürfe gegen Katar, das bald die Fußballweltmeisterschaft austragen wird, reichen nun auch bis tief in den Fußballweltverband (FIFA) hinein. Der Schweizer Rundfunk (SRF) berichtet von einem professionellen Spionagenetzwerk unter Federführung früherer CIA-Agenten, das über Jahre Gegner der WM in Katar ausspioniert und beeinflusst haben soll. Das Ziel sollte sein, die WM auf keinen Fall wieder zu verlieren.

Seit Vergabe der WM im Jahr 2010 reißt die Kritik am Austragungsort Katar nicht ab. Hunderte Arbeiter sollen beim Bau der Stadien gestorben sein. Aber auch abseits der prekären Lage der Arbeiter verdichten sich die Hinweise, dass Katar nicht mit lauteren Mitteln vorging, um die Austragung im Golfstaat zu erreichen. Bereits 2018 berichteten Medien, Katar habe eine Geheimoperation mit früheren CIA-Agenten initiiert, um gezielt Falschinformationen gegen die Mitbewerber USA und Australien zu platzieren.

Damals berichtete etwa die „Sunday Times“, es seien unter anderem Prominente angeheuert worden, damit diese den Eindruck vermittelten, dass die jeweiligen Bewerbungen keinen Rückhalt im eigenen Land hätten.

Heuer berichtete die AP zudem, wie Katar versucht habe, Kritiker umzustimmen. Das Emirat habe etwa weder Kosten noch Mühen gescheut, den einstigen deutschen Spitzenfunktionär Theo Zwanziger zu beeinflussen. Dieser hatte sich wiederholt gegen Katar als Austragungsort gewendet. Nun aber berichtet der SRF, welcher Mittel sich das Emirat unter anderem dabei bedient haben soll.

Spionagevorwürfe gegen Katar

Knapp drei Wochen vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar wird von einer Spionageaffäre um das Gastgeberland berichtet. Gegner der Austragung sollen ausspioniert worden sein.

66 Mitarbeiter für neun Jahre

Mit einer großen Investigativrecherche will der SRF belegen, dass Katar dabei ein Netzwerk früherer CIA-Spione dafür einsetzte. Auch die Nachrichtenagentur AP hatte bereits darüber berichtet. Die US-Firma Global Risk Advisors unter Federführung des ehemaligen CIA-Spions Kevin Chalker habe sich dafür in den Dienst des Emirats gestellt und sich auch in die Computer wichtiger FIFA-Funktionäre gehackt. Höchste katarische Regierungskreise seien involviert gewesen, das gesamte Projekt habe 66 Mitarbeiter für neun Jahre vorgesehen. Das Budget dafür habe 387 Millionen Dollar betragen.

Es sei „die Geschichte einer weltumspannenden Geheimoperation“, so der SRF, der sich dabei auf geheime Dokumente der Firma bezieht. Das oberste Ziel sei gewesen zu verhindern, dass Katar die Weltmeisterschaft angesichts der lauten Kritik wieder verliert.

Der damalige FIFA-Präsident Joseph Blatter bei der Bekanntgabe des WM-Veranstalters 2022 im Jahr 2010
AP/Anja Niedringhaus
Blatter verkündete 2010 die Vergabe an Katar

Mittels Geheimdienstmethoden habe man Mail-Accounts, PCs und Telefone gehackt, sogar bis in Freundeskreis und Familie des jeweiligen Opfers. Ein solches sei etwa Peter Hargitay gewesen, ein ehemaliger Berater des früheren FIFA-Chefs Sepp Blatter. Später arbeitete Hargitay für den australischen Fußballverband und dessen Präsidenten, den Milliardär Frank Lowy.

Hargitay sei deshalb auch Opfer eines Hackerangriffs geworden, den eine indische Firma im Auftrag von Chalkers Global Risk Advisors durchgeführt habe. Zudem habe es eine Rufmordkampagne gegen Hargitay und Lowy gegeben, um die beiden bei den US-Behörden zu diskreditieren. Lowy sei zu energisch gegen eine Austragung in Katar aufgetreten und hatte offen gesagt, das Emirat könne die WM wieder verlieren. Daher habe man die beiden „neutralisieren“ wollen.

„Wie Gehirnwäsche“

Für den kritischen Funktionär Zwanziger habe man bei Global Risk Advisors den Codenamen „Projekt Riverbed“ gehabt. Zehn Millionen Dollar allein hätten Bespitzelung und Beeinflussung Zwanzigers verschlungen. Um ihn herum sei ein Netzwerk aus „Assets, Quellen und Kontakten“ aufgebaut worden, das ihn im Sinne Katars beeinflussen sollte, so der SRF. Im Visier sei dabei auch dessen Familie gestanden. „Zwanziger sollte immer dieselbe Botschaft präsentiert werden“, dass die Weltmeisterschaft in Katar gut für die Welt sei – nicht ohne Wirkung, wie er selbst dem SRF sagte: „Da gab es einige, die mich in diese Richtung gebracht haben. Das lag natürlich im Interesse Katars. Also genau diese Denkveränderung herbeizuführen“, so Zwanziger. „Das fühlt sich an wie Gehirnwäsche, die man mit diesen Mitteln betreiben will“, sagte Zwanziger dem SFR. „Das ist mir ja klar, deswegen halte ich ein solches Vorgehen für nicht nur unanständig, sondern für kriminell.“

Der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger
Reuters/Kai Pfaffenbach
Zwanziger kritisierte Katar – daraufhin soll er systematisch „bearbeitet“ worden sein

Laut den Recherchen war die Schweiz Dreh- und Angelpunkt für die verdeckte Operationen der Ex-CIA-Spione. So sei Chalker persönlich nach Zürich gereist, um Hotelzimmer von Mitgliedern des FIFA-Exekutivkomitees und Journalisten zu verwanzen.

Auch der Internationale Gewerkschaftsbund (ITUC) sei Ziel gewesen, da er wiederholt auf die Arbeitsbedingungen in Katar aufmerksam machte. 2015 sei der Bund in Brüssel Opfer eines Cyberangriffs geworden, erneut führe die Spur zu Global Risk Advisors.

Ermittlungen und Zivilklage

Gegen Firmenchef Chalker laufen inzwischen diverse Ermittlungen und Verfahren. Laut AP sucht das FBI seit Monaten nach möglichen Gesetzesverstößen durch den früheren US-Spion. In den USA müssen Chalker und sein Unternehmen sich auch einer Zivilklage stellen. Der US-Unternehmer Elliott Broidy habe diese angestrebt, nachdem dessen private Daten an Zeitungen weitergegeben worden seien. Broidy habe Chalker beschuldigt, sie im Auftrag Katars gestohlen zu haben. Chalker bestreitet sämtliche Vorwürfe.

In der FIFA selbst seien die Aktivitäten von Global Risk Advisors weitgehend unentdeckt geblieben. Ex-Präsident Sepp Blatter hätten sie „überrascht“: „Und es ist bedenklich, dass man das macht“, sagte er den Schweizer Journalisten.

Die Schweizer Staatsanwaltschaft wies auf Anfrage die Vorwürfe zurück, sie habe in diesem Fall zu passiv agiert. „Für den Fall, dass im Kontext des vor der Staatsanwaltschaft geführten Verfahrens neue Beweismittel oder Tatsachen bekannt werden, welche für eine strafrechtliche Verantwortlichkeit einer Person sprechen und sich nicht aus früheren Akten ergeben, kann die Staatsanwaltschaft gestützt auf die Strafprozessordnung die Wiederaufnahme eines rechtskräftig beendeten Verfahrens verfügen.“

Katar lehnte Entschädigungsfonds für Gastarbeiter ab

Katar hat unterdessen Forderungen nach einem Entschädigungsfonds für auf den Baustellen für die Fußball-WM getötete oder verletzte Arbeiter zurückgewiesen. Der Ruf nach einem gemeinsamen Fonds Katars und der FIFA sei ein reiner „Werbegag“, sagte Arbeitsminister Ali bin Samich Al Marri der Nachrichtenagentur AFP.

Menschenrechtsorganisationen hatten die FIFA und Katar aufgefordert, einen Fonds in Höhe von 440 Millionen Dollar (442,34 Mio. Euro) für die Arbeitnehmer einzurichten, die während eines Einsatzes auf WM-Baustellen getötet oder verletzt wurden. Die Summe entspricht den Preisgeldern für die an der Weltmeisterschaft teilnehmenden Mannschaften.