Mann schaut auf den Ölfilm auf dem Amazonas
APA/AFP/Peru’s Public Prosecutor’s Office
Ölpest in Peru

Pipeline-Lecks bringen Indigene auf

Eine Ölpest auf dem Maranon-Fluss im peruanischen Amazonastiefland bedroht die Lebensgrundlagen der dort lebenden indigenen Bevölkerung. Mit allen Mitteln will diese nun die Regierung in Lima dazu bringen, etwas dagegen zu unternehmen. Denn es ist nicht das erste Mal, dass ein Ölpipeline-Leck das Wasser in der Region verseucht.

Die jüngste Ölpest in der nordostperuanischen Region reiht sich in eine ganze Reihe von Öllecks ein. Schon 2014 und 2016 löste aus Pipeline-Lecks ausgetretenes Öl Umweltkatastrophen im Flussbecken des Maranon aus, den die indigenen Anwohnerinnen und Anwohner zur Versorgung mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser nutzen. Aus diesem Grund fordern sie dringende humanitäre Hilfe für das Gebiet.

Außerdem hätten sie auch Klage gegen den peruanischen Staat eingereicht, um den größten Amazonas-Quellfluss und seine Nebenarme zum eigenständigen Rechtssubjekt erklären zu lassen, zitiert „Blickpunkt Lateinamerika“ die Nachrichtenagentur EFE. Unterstützt wird die Klage von mehreren nationalen und internationalen Organisationen. Als Hauptgründe für den Vorstoß werden die systematischen Ölverschmutzungen des Flusses und die Umsetzung von Baggerprojekten zur Vertiefung der Fahrrinne auf dem Amazonas-Wasserweg angeführt.

Ölfilm auf dem Amazonas
APA/AFP/Peru’s Public Prosecutor’s Office
Ein Ölfilm bedeckt einen Nebenarm des Maranon-Flusses

„Wir können nicht länger so viele Verletzungen zulassen, unsere Flüsse sind verschmutzt, voller Schwermetalle, und dort haben wir alle unsere Lebewesen und unseren Geist, der Fluss ist wie ein Mensch und verdient es, respektiert zu werden“, so die Vorsitzende der indigenen Kukama-Gemeinschaft, Mariluz Canaquiri. Wie Mensch und Tier habe der 1.905 Kilometer lange Fluss das Recht zu existieren, seine vitalen Funktionen als Teil des Ökosystems wahrzunehmen und frei von Verschmutzung zu sein, befürwortete die lateinamerikanische Bischofskonferenz den Vorstoß.

50 Beschädigungen pro Jahr

Die „Oleoducto Norperuano“, eines der größten Projekte des Landes, wurde vor vier Jahrzehnten gebaut, um Rohöl aus dem Amazonasgebiet nach Piura an der Küste zu transportieren – eine Strecke von rund 800 Kilometern. Allein seit Dezember vergangenen Jahres wurden über 50 Beschädigungen gemeldet. Zuvor waren von 2000 bis 2019 laut der Studie „Der Schatten des Öls“ ganze 474 Vorfälle registriert worden. Die Ölindustrie versucht meist, die Beschwerden über Ölunfälle damit zu entkräften, diese seien durch Sabotageakte herbeigeführt worden.

Nach unbestätigten Angaben von Petroperu war auch das jüngste Leck, das den Maranon verschmutzt, die Folge eines „absichtlichen Schnitts von 21 Zentimetern in der Pipeline“. Dem Bericht „Der Schatten des Öls“ zufolge sind zwei Drittel der Lecks jedoch auf Korrosion oder Störungen im Betriebsablauf zurückzuführen. Die Verantwortung liege damit mehrheitlich bei den Betreibern und in der fehlenden Vorsorge zur Verhinderung von Schäden an der Infrastruktur.

Mit Bäumen errichteter Schutz soll den Ölfilm auf dem Amazonas fernhalten
APA/AFP/Petroperu
Baumstämme sollen den Ölteppich aufhalten

Dutzende Touristen als Geiseln

Aus Protest gegen die Untätigkeit der Regierung, etwas gegen die Öllecks zu unternehmen, nahmen Indigene am Donnerstag auf einem Schiff auf dem Maranon rund 70 in- und ausländische Touristen als Geiseln – darunter auch Frauen und Kinder. Laut dem Radiosender RPP wurden auf verschiedenen Schiffen ingesamt 150 Menschen festgehalten. „Wir wollen mit dieser Aktion die Aufmerksamkeit der Regierung wecken“, sagte der Vorsteher des Dorfes Cuninico am Maranon, Watson Trujillo Acosta, gegenüber RPP.

Bereits wieder auf dem Heimweg

Am Freitag wurden die festgehaltenen Geiseln wieder freigelassen. Sie seien bereits wieder auf dem Heimweg, sagte Tourismusminister Roberto Sanchez in Lima. „Nach Gesprächen mit dem Dorfvorsteher von Cuninico wurde unsere Bitte akzeptiert, die Menschen freizulassen“, teilte das Bürgerbüro der peruanischen Regierung zuvor mit. „Die Achtung vor dem Leben muss an erster Stelle stehen“, bestätigte Trujillo Acosta die Freilassung.

Er hatte die Entsendung einer Regierungsdelegation in die Region verlangt, um die durch den Bruch der Norperuano-Ölpipeline entstandenen Umweltschäden zu untersuchen. „Sie sind freundlich und respektvoll mit uns, aber das ist die einzige Möglichkeit, die sie haben, um eine Lösung für ihr Dorf zu finden“, hatte zuvor die Radsportlerin Angela Ramirez, die auf dem Schiff festsaß, auf Facebook geschrieben.

Die Touristen hätten verstanden, warum die Dorfbewohnerinnen und Dorfbewohner zu der radikalen Maßnahme gegriffen haben, sagte Trujillo Acosta. „Sie erkennen an, was wir tun, und das hilft uns. Wir empfinden sie als Verbündete, weil sie die Realität sehen, in der wir leben.“ Das Bürgerbüro der peruanischen Regierung forderte, den Dialog zwischen den betroffenen Dörfern am Fluss und den Behörden wieder aufzunehmen.

Fluss für alle Schiffe blockiert

Bei dem Unfall waren Mitte September 2.500 Barrel Rohöl in den Maranon gelangt. Nach Angaben von Petroperu ist das Leck inzwischen geschlossen. Das Unternehmen kümmere sich um die Säuberung der betroffenen Gebiete und die Versorgung der Indigenen mit Trinkwasser und Lebensmitteln. „Wir fordern, dass der Notstand verhängt wird, und dass eine Kommission unter der Führung des Präsidenten unsere Region besucht“, so Trujillo Acosta.

Um auf den Ölteppich aufmerksam zu machen, hatten die Anwohnerinnen und Anwohner zuvor bereits die Durchfahrt für alle Schiffe auf dem Fluss blockiert. Nach Einschätzung von Händlern könnte es in der Stadt Iquitos deshalb zu Versorgungsengpässen mit Gemüse kommen. „Unsere Waren stecken fest, weil die Leute die Schiffe nicht durchlassen“, sagte der Sprecher der Händler, Diego Bautista, gegenüber RPP. „Die Preise für Gemüse steigen bereits.“