„Langsam wird’s“: Chats zwischen Schrom und Strache öffentlich

In der Auswertung der sichergestellten Chats und Mails von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) findet sich auch eine Konversation zwischen ORF2-Chefredakteur Matthias Schrom und dem damaligen Vizekanzler und FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache. „Langsam wird’s“, verspricht Schrom in einem der Chats mit Strache – jene, die die SPÖ retten wollten, würden in den eigenen Reihen weniger.

Am 14. Februar 2019 kurz vor Mitternacht beschwerte sich Strache über die Berichterstattung der ZIB24 und äußerte Personalwünsche, wie der „Standard“ (Onlineausgabe) heute berichtete. Schrom räumte in einer redaktionsinternen E-Mail ein, der im Akt enthaltene Chatverlauf hätte „zugegebenermaßen keine glückliche Außenwirkung“, verwies aber auf den damaligen politischen Kontext – heftige Angriffe der FPÖ auf den ORF.

„Das ist natürlich unmöglich“

„Das ist natürlich unmöglich“, schrieb Schrom zu Straches Kritik an der ZIB24. „Du weißt, ich bin ja nur für ORF2 zuständig. ORF1 (das noch viel linker ist) gehört ja Lisa Totzauer (und Wolfgang Geier).“ Totzauer war zu dieser Zeit Channelmanagerin von ORF1, Geier Chefredakteur.

„Unser Problem ist ja auf gewisse Weise, dass uns (Hofer & mir) finanzielle Ressourcen weggenommen werden und in ORF1 gesteckt werden“, fügte Schrom seiner Nachricht hinzu. Gemeint ist ORF2-Channelmanager Alexander Hofer. „Also es wird grad mit Gewalt versucht, den maroden Kanal hochzukriegen. Ich wundere mich ja ehrlich schon lange, dass sich darüber, was dort inhaltlich abgeht, keiner aufregt.“

In Hinblick auf ORF2 schrieb Schrom an Strache, es sei „schon bei uns genug zu tun und jeden Tag mühsam, aber langsam wird’s, und die, die glauben, die SPÖ retten zu müssen, werden weniger.“

Job für Mitarbeiterin „heute fixiert“

In derselben nächtlichen Kommunikation berichtete Schrom Strache noch – laut „Standard“ „ungefragt“ – über zwei blaue Personalwünsche. Einen Job für eine Mitarbeiterin habe er „heute fixiert“, so Schrom. Moderator und Schauspieler Clemens Haipl würde dagegen besser zu ORF1 passen, empfahl er: „Ich glaub, dort könnt sich (Norbert, Anm.) Steger von Totzauer auch mal was wünschen – sie will ja immerhin Generalin werden.“ Der ehemalige FPÖ-Politiker Steger war zu diesem Zeitpunkt Vorsitzender des ORF-Stiftungsrates.

Strache bedankte sich. „Bitte sage es Steger … er soll Clemens bei Totzauer unterkriegen. Soll ich wegen ZIB24 schreiben?“ Schroms Antwort: „Ich denke, Steger sollte das mit ZIB24 schon wissen und mal mit Totzauer/Geier reden. Die sollten schon merken, dass sie auch nicht unter dem Radar sind.“ Und Schrom hatte weiteren Rat: „Als Vizekanzler persönlich würd ich’s Steger geben, du brauchst ja eventuell noch Eskalationsstufen, bevor was auf Chefebene ist.“

„Die sollten merken, dass sie nicht unter dem Radar sind“

Kurz nach Mitternacht wandte sich Strache an Steger, der in seiner Funktion an sich weisungsfrei und unabhängig ist. Die Diktion scheint fast wortgleich aus Schroms Nachricht entnommen. „Ich denke, du solltest das mit der ZIB24 mal mit Totzauer Geier besprechen. Die sollten schon merken, dass sie auch nicht unter dem Radar sind. Die dortigen Berichte sind uns gegenüber nicht schön.“

„Du weißt ja, dass Totzauer bei ÖVP-NÖ extrem hoch im Kurs steht, bei (Medienminister Gernot, Anm.) Blümel auch … sie matcht sich mit Nowak“, so Strache weiter. Die Auswertung der WKStA hatte auch Chats zwischen „Presse“-Herausgeber und -Chefredakteur Rainer Nowak und Schmid ans Licht gebracht. Im Zentrum stehen dabei Politeinfluss und Ambitionen auf die Generaldirektion des ORF.

Schrom: „Keine glückliche Außenwirkung“

In einer Rundmail an die ZIB-Redaktion erklärte Schrom, der im Akt enthaltene „Chatverlauf hat zugegebenermaßen keine glückliche Außenwirkung. Relevant ist aber der Kontext, in dem das verfasst wurde: Diese Unterhaltung hat vor dem Hintergrund massiver Angriffe durch die FPÖ auf den ORF stattgefunden.“

„Faktum ist, dass der Intervention von Strache weder inhaltlich noch in Bezug auf personelle Postenbesetzungen entsprochen wurde. Der Redaktion wurde immer der Rücken frei gehalten (was, wie ich denke, auch die Kolleg:innen der ZIB2 und des Investigativteams bestätigen können)“, so Schrom weiter.

Seine Nachricht an Strache erklärte Schrom so: „Es ist letztlich darum gegangen, den Fokus von der ZIB weg und woandershin zu lenken, auf einen Bereich, den andere verantwortet haben. Mit Lisa habe ich das geklärt und mich entschuldigt. Die Aufrechterhaltung einer Gesprächsbasis zu einer Regierungspartei, die dem ORF nicht nur kritisch, sondern ablehnend gegenüberstand, war wichtig – vor allem, da Personalwünschen nie Rechnung getragen wurde.“

„Regelmäßiger Austausch mit Spitzenpolitikern“

„Der regelmäßige Austausch mit Spitzenpolitikern“ gehöre „auch zum Jobprofil“ von Chefredakteuren: „Um eine Gesprächsbasis zu erhalten, habe ich mich als Chefredakteur der Tonalität und Sprache meines Gesprächspartners angepasst – in Kenntnis von dessen Positionen zum ORF. Personalentscheidungen werden im ORF immer im Rahmen von Ausschreibungen getroffen.“

Strache habe an ihn zwei Personalwünsche herangetragen, bestätigte Schrom. „Diesen wurde nicht entsprochen.“ In dieser Funktion habe er „auch keinerlei Einfluss auf die beschriebenen Personalia, was auch zum Ausdruck gebracht wurde“.

Der ORF sei damals speziell von FPÖ-Politikern ausgehend immer wieder der Kritik ausgesetzt gewesen, „‚zu links‘ zu berichten. Teilweise wird man aber auch für Berichterstattung kritisiert, für die man gar nicht zuständig ist. In diesem Kontext ist auch die Argumentation bzw. das aus taktischen bzw. unternehmenspolitischen Gründen geäußerte Verständnis zu sehen“, so Schrom weiter.

Redaktionsrat: „Ordentliche Aufarbeitung notwendig“

Der Vorsitzende des ORF-Redaktionsrats, Dieter Bornemann, erklärte, es sei eine „ordentliche Aufarbeitung dieser Chatprotokolle notwendig“. „Denn wir können nicht von anderen Sauberkeit, Kommunikation und Transparenz einfordern, im eigenen Haus hingegen schweigsam sein“, schrieb Bornemann bereits gestern in einer internen Mitteilung an die Redaktion.

Bornemann räumte ein, dass es über Schroms „Amtsführung keine inhaltlichen Beschwerden“ gebe, „weder aus der ZIB1 noch aus der ZIB2“. So fühle sich das Investigativteam frei in der Arbeit und werde nicht behindert. Formulierungen aus den Chats würden die Redaktion aber auf unangebrachte Weise vernadern und den Ruf des ORF beschädigen.