Sam Bankman-Fried
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Börse FTX insolvent

Dramatische Stunden auf dem Kryptomarkt

Seit Tagen sorgt die Lage der Kryptobörse FTX für heftige Turbulenzen auf dem Digitalwährungsmarkt. FTX war unter Druck geraten, nachdem Kundschaft binnen weniger Tage massenhaft Geld abgezogen hatte. Dem Unternehmen fehlten rund acht Milliarden Dollar, eine rettende Übernahme durch die weltgrößte Kryptobörse Binance scheiterte. Mittlerweile ist FTX offiziell insolvent, Gründer und Chef Sam Bankman-Fried zurückgetreten.

Noch vor wenigen Monaten gehörten FTX und Bankman-Fried zu den zentralen Akteuren auf dem Kryptomarkt. Die erst 2019 gegründete Börse feierte einen rasanten Aufstieg, in ihren Glanzzeiten war sie mit 32 Mrd. Dollar bewertet. Bankman-Fried wurde in Rekordgeschwindigkeit schwerreich. Der 30-Jährige lobbyierte bis in die höchsten politischen Kreise für Kryptowährungen und ging zahlreiche hochkarätige Sponsorings mit der Sportwelt ein.

Doch tagelang befand sich die Börse im freien Fall – und am Freitag schlug sie endgültig am Boden auf. FTX ist offiziell insolvent und beantragte nach eigenen Angaben vom Freitag Gläubigerschutz in den USA. Bankman-Fried gab zudem seinen Rücktritt als Chef bekannt.

Das US-Verfahren nach Kapitel elf des Insolvenzrechts betrifft dem Konzern zufolge unter anderem die von Bankman-Fried kurz zuvor noch als zu „100 Prozent liquide“ bezeichnete amerikanische Kryptobörse FTX US und 130 weitere Firmen, die zusammen die FTX Group bilden. Bereits am Vorabend hatte die Wertpapieraufsicht der für das internationale Geschäft zuständigen Bahamas bekanntgegeben, Vermögenswerte von FTX eingefroren und einen Insolvenzverwalter für die Abwicklung beantragt zu haben.

Enthüllung zu Investmentfirma als Auslöser

Initialzündung für das Fiasko war eine Enthüllung rund um den zum FTX-Imperium gehörenden Hedgefonds Alameda Research. Das Branchenmagazin CoinDesk stellte fest, dass sich rund ein Drittel des 15 Mrd. Dollar schweren Vermögens von Alameda aus der FTX-hauseigenen Kryptowährung FTT zusammensetzen soll. Ein großer Teil des Nettoeigenkapitals von Alameda bestehe damit aus dem „eigenen, zentral kontrollierten und aus dem Nichts gedruckten Token von FTX“, fasste Cory Klippsten von der Investmentplattform Swan Bitcoin die Problematik zusammen.

Die gegenseitige Abhängigkeit, die fehlende Absicherung und Angst vor Zahlungsunfähigkeit ließ bei Investoren und in der Kryptoszene die Alarmglocken schrillen. Eine Woche nach der Enthüllung verkündete der Chef der weltgrößten Kryptobörse Binance, Changpeng Zhao, dass Binance seine gehaltenen FTT-Token im Sinne des „Risikomanagements“ verkaufen werde. Damit begannen auch weitere Investoren hastige Auszahlungen im Milliardenbereich.

Innerhalb von nur 72 Stunden sollen sechs Milliarden Dollar abgezogen worden sein. Auszahlungen wurden daraufhin temporär pausiert, zahlreiche Kundinnen und Kunden standen vor einem Scherbenhaufen. Über FTX brach eine Liquiditätskrise herein, der Kurs rasselte in den Keller und zog auch andere Kryptowährungen mit. Die älteste Kryptowährung Bitcoin rutsche am Mittwoch auf rund 15.700 Dollar ab, der tiefste Kurs seit 2020. Auch andere Kryptowährungen wie Ethereum hatten starke Verluste verzeichnet.

Grafik: Die wichtigsten Kryptowährungen
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: coinmarketcap.com

Dramatisches Übernahme-Hickhack

Bankman-Fried wandte sich daraufhin an Branchenprimus Binance und bat um eine Übernahme von FTX. „Heute Nachmittag hat FTX um unsere Hilfe gebeten. Es gibt einen signifikanten Liquiditätsengpass“, teilte Zhao auf Twitter mit. Um Nutzerinnen und Nutzer zu schützen, sei eine Absichtserklärung unterzeichnet worden, FTX.com vollständig zu übernehmen und zur Deckung des Liquiditätsproblems beizutragen. Binance stehe es frei, sich jederzeit aus der Vereinbarung zurückzuziehen.

Und das tat Binance mit einem weiteren Knalleffekt dann auch. Man nehme nach einer umfassenden Betriebsprüfung Abstand von der geplanten Transaktion, teilte das Unternehmen am Mittwoch mit. Grund seien unter anderem Medienberichte über Fehlverhalten im Umgang mit Kundengeldern und angebliche Ermittlungen von US-Behörden. Man habe gehofft, FTX-Kundschaft mittels Liquidität zu unterstützen, aber die Probleme „liegen außerhalb unserer Kontrolle oder Fähigkeit zu helfen“.

In der Zwischenzeit hatte das „Wall Street Journal“ („WSJ“) berichtet, dass FTX Kundenvermögen in Milliardenhöhe an Alameda verliehen hatte, um riskante Wetten der Handelsfirma zu finanzieren. Bankman-Fried habe bei einem Investorentreffen eingestanden, dass Alameda FTX etwa zehn Milliarden Dollar schulde, so mit der Angelegenheit vertraute Personen. Auch Alameda wurde gemeinsam mit FTX zur Insolvenz angemeldet.

Geldsuche gescheitert

Nach der Absage von Binance begab sich die taumelnde Börse auf die Suche nach frischem Geld. Bankman-Fried verhandle mit Konkurrenten und anderen Investoren über eine Finanzspritze im Volumen von 9,4 Mrd. Dollar, hieß es. Er führe unter anderem Gespräche mit der Kryptobörse OKX und dem Wagniskapitalgeber Sequoia. OKX winkte offiziell ab, Sequoia schrieb seine Investitionen in die FTX-Währung FTT als Totalverlust ab, ebenso das japanische Unternehmen Softbank.

Parallel dazu wies ein anderer Insider darauf hin, dass die US-Börsenaufsicht SEC gegen Bankman-Fried ermittle. Die zypriotische Börsenaufsicht hatte den europäischen Ableger von FTX aufgefordert, den Betrieb einzustellen. Die japanischen Finanzbehörden ordneten dem lokalen Ableger an, Teile des Geschäfts auszusetzen. In Australien wurde FTX unter Verwaltung gestellt, der Kundschaft wurde geraten, kein Geld einzuhalten oder andere Geschäfte auf der Börse zu tätigen.

Die Krise rund um FTX droht nun, auch auf andere Unternehmen durchzuschlagen. Die Kryptobank BlockFi, die im Sommer von FTX übernommen werden sollte, stoppte etwa vorerst sämtliche Abhebungen von Kundengeldern. Für Teile der FTX-Kundschaft dürfte der Nervenkrieg nun erst richtig beginnen. Forderungen nach einer strengeren Regulierung des Sektors nahmen angesichts des Zusammenbruchs von FTX jedenfalls wieder neue Fahrt auf.