Los Angeles River
Reuters/Bing Guan
Los Angeles River

Kontroversen um den Fluss im Betonbett

Der Los Angeles River ist als Filmkulisse geradezu legendär: In „Grease“, „Terminator 2“, „Flucht aus LA“ sowie in unzähligen anderen Filmen wurde sein Betonbett zum Schauplatz von Verfolgungsjagden und Co. Das Betonbett, das als Hochwasserschutz errichtet wurde, zeigte aber schon bald Nebenwirkungen. Eines der größten Infrastrukturprojekte der USA soll nun die Fehler der Vergangenheit korrigieren – doch der Masterplan löst Kontroversen aus.

Der LA River entspringt im San Fernando Valley, fließt mehr als 80 Kilometer durch die kalifornische Metropole – durch riesige Industrie- und Wohngebiete, vorbei an den großen Filmstudios Hollywoods –, bis er schließlich in den Pazifik mündet. Die meiste Zeit des Jahres führt der Fluss allerdings kaum Wasser und präsentiert sich mehr als schmales Rinnsal, oft sogar komplett ausgetrocknet.

Nach Unwettern und Schneeschmelze verwandelt er sich in einen reißenden Fluss und in jenen Zustand, vor dem die Verbauung die Metropolregion seit ihrer Errichtung effizient schützt. Vor der Kanalisierung plagten wiederkehrende Flutkatastrophen die Stadt, im Februar 1938 ereignete sich die bis dato schlimmste mit 87 Toten. Als direkte Reaktion ließ die US-Regierung das United States Army Corps of Engineers die Verbauung planen – jenes Hauptkommando des US-Heeres, das unter anderem auch für die Konstruktion und den Bau des Panamakanals verantwortlich zeichnet.

Luftaufnahme des Los Angeles River
Reuters/Bing Guan
Mehr Rinnsal als Fluss: Der LA River

Hochwasserschutz effizient, „klaffende Wunde“ blieb

In den 1960er Jahren war der LA River in seiner jetzigen Gestalt fertiggestellt – und hätte damit ein existenzielles Problem der Stadt gelöst, wie die „New York Times“ („NYT“) schreibt: „Der Kanal hat es möglich gemacht, dass sich Los Angeles als großartiger, globaler Ballungsraum mit boomender Wirtschaft und Einfamilienhäusern in grünen Gärten mit Pools entwickeln konnte.“ Und doch hätte die Lösung des existenziellen Problems eine „klaffende Wunde“ quer durch die Region hinterlassen.

Die Zahl der ansässigen Tier- und Pflanzenarten sei mittlerweile extrem dezimiert worden, die Wasserqualität drastisch verschlechtert. Das Niemandsland unter Brücken, zwischen Bahngleisen, Autobahnen und Schwerindustrie wurde zur illegalen Mülldeponie und zum Rückzugsort für kriminelle Aktivitäten jeglicher Art. Dort, wo Wohnbau zwar unattraktiv, aber möglich war, entstanden Siedlungen, die schnell als Problemviertel der Stadt galten.

Frühe Versuche, zurückzurudern

Schon während des Baus gab es Bedenken wegen der Nebenwirkungen der Hochwasserverbauung auf das Ökosystem. In den 1980er Jahren gründete sich schließlich mit den Friends of LA River die erste Organisation von Aktivistinnen und Aktivisten, die den Fluss ins Bewusstsein der Bevölkerung zurückrufen wollten. Erste Pläne für eine Renaturierung tauchten auf, unzählige weitere folgten. Dass der Fluss durch 17 eigenständige Gemeinden fließt und gleichzeitig in die Zuständigkeit des Staates Kaliforniens und der US-Bundesregierung fällt, macht die Sache allerdings höchst kompliziert.

1996 wurden Arbeitsgruppen, Studien und Pläne im ersten „LA River Master Plan“-Prozess gebündelt. Im 41-köpfigen Lenkungsausschuss des Projekts sind Vertreterinnen und Vertreter von den Gemeinden ebenso beteiligt wie solche von NGOs und Bundesbehörden. 2015 genehmigte die US-Regierung eine Milliarde Dollar für erste Projekte zwischen Griffith Park und Downtown Los Angeles.

Mitte letzten Jahres wurde laut „NYT“ mit dem neuen „LA River Master Plan 2022“, der nun für die nächsten 25 Jahre die Rahmenprojekte festlegt, aber alles andere als unumstritten ist, die „ambitionierteste Vision“ für den Fluss seit seiner Verbauung beschlossen. Gleich mehrere beteiligte Organisationen zogen nach dem Beschluss ihre Beteiligung zurück – darunter auch die Friends of LA River, wie die „Los Angeles Times“ berichtete.

Zwei Umweltorganisationen, LA Waterkeeper und das Center for Biological Diversity, brachten kurz nach der Genehmigung des Masterplans eine Klage gegen Los Angeles ein: Der Plan verletze die Umweltgesetze des Bundesstaates, da er ohne vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung abgesegnet worden sei. Der Plan sei insgesamt nicht aussagekräftig genug, was die Auswirkungen im positiven und negativen Sinne auf die unterschiedlichen Gebiete angehe.

Stararchitekt Gehry mit Plänen für Plattformparks

Eines der Projekte, die im Zentrum der Kritik stehen, stammt von dem in Kanada geborenen Stararchitekten Frank Gehry, der seit 1947 in Kalifornien lebt. Sein Konzept sieht Parkplattformen und -brücken vor, die auf Betonpfeilern oberhalb des Betonbetts gebaut werden und so den Hochwasserschutz unbeeinträchtigt lassen sollen. Bei einigen am Entwicklungsprozess des Masterplans beteiligten Gruppen sorgt dieses Projekt für großen Ärger.

Einerseits bekritteln Umweltaktivistinnen und -aktivisten, dass mit Gehrys Entwurf nichts für die Renaturierung und die Wiederherstellung des ökologischen Gleichgewichts in den betreffenden Flussabschnitten getan werde.

Angst vor Bilbao-Effekt

Andere Gruppen fürchten, dass mit der Umsetzung des Plans in der umliegenden Gegend eine extrem schnelle Gentrifizierung ausgelöst werden könnte – und so die ansässige, großteils finanzschwache Bevölkerung vertrieben werde. Dass Gehry durch den Entwurf des Guggenheim Museums in Nordspanien den Begriff Bilbao-Effekt – also die gezielte Aufwertung von Orten durch spektakuläre Bauten – quasi verantwortet hat, befeuert diese Angst.

Gehry selbst weist die Kritik gegenüber der „NYT“ vehement zurück: Er hätte selbst gehofft, einen Weg zu finden, wie man den Beton loswerden und einen wunderschönen 80 Kilometer langen Garten schaffen könnte. „Ich habe zwei Jahre unentgeltlich an der Idee gearbeitet, weil ich mich geweigert habe zu glauben, dass es nicht geht.“ Alle Studien und Fakten hätten belegt, dass der Hochwasserschutz in Betonform nötig sei, so Gehry gegenüber der „NYT“, gleichzeitig würden die Menschen in den Gebieten Grünflächen brauchen: „Die Plattformparks waren der einzige Plan, den ich für diesen Ort entwerfen konnte.“ Ob Gehrys Parks gebaut werden, steht noch in den Sternen – auch weil unklar ist, wer die immensen Kosten des Projekts übernehmen würde.