Nayib Bukele und Xi Jinping
APA/AFP/Noel Celis
Nach Bitcoin-Debakel

China will El Salvador „retten“

Unter den Turbulenzen auf dem Kryptomarkt leiden derzeit nicht nur Investoren, sondern auch Länder wie El Salvador, die auf Bitcoin als Währung setzen. Das Land war bereits zuvor hoch verschuldet gewesen – die Lage dürfte sich nun verschärfen. Dass China seine wirtschaftliche Kooperation mit El Salvador ausgerechnet jetzt ausbauen möchte, sorgt für Befürchtungen, El Salvador könnte sich endgültig von den USA abwenden. Und auch Chinas Rolle bei der Schuldentilgung ärmerer Länder wird einmal mehr infrage gestellt.

An dem Tag, an dem die Kryptowährungsbörse FTX ihre Insolvenz anmeldete, kündigte der Präsident von El Salvador, Nayib Bukele, ein Freihandelsabkommen mit China an. Die Volksrepublik und der Staat in Mittelamerika würden zusammenarbeiten, um den Prozess „so bald wie möglich“ abzuschließen, teilte die chinesische Botschaft in El Salvador mit. China hatte Dünger und Mehl an El Salvador gespendet, die „die Auswirkungen der weltweiten Wirtschaftskrise abmildern“ würden, erklärte Bukele.

„China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, und lange Zeit war El Salvador von diesem Potenzial für unseren Handel, unsere Produkte und den wirtschaftlichen Austausch isoliert“, sagte Präsident Bukele während der Veranstaltung, an der auch der Botschafter des asiatischen Landes, Ou Jianhong, teilnahm.

Im August 2018 brach El Salvador seine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan ab und bezog damit Stellung in dem Konflikt rund um den umkämpften Status der Insel. Daraufhin begann China mit dem Bau eines Stadions und einer Bibliothek in dem Land. Die Schritte zeugen von einer zunehmenden Annäherung zwischen den beiden Ländern, schreibt CNN Espagnol mit Verweis auf eine Aussage von El Salvadors Vizepräsident Felix Ulloa, China wolle die notleidenden Anleihen El Salvadors kaufen.

Bitcoin

Bitcoin ist die bekannteste Digitalwährung. Sie wird nicht von einer Zentralbank kontrolliert, sondern durch ein dezentrales, energieintensives Computerverfahren geschaffen. Die Kryptowährung gilt als Spekulationsobjekt und ist heftigen Kursschwankungen unterworfen. Deshalb ist Bitcoin nach Meinung der meisten Experten als Zahlungsmittel eigentlich recht ungeeignet.

Bitcoin-Währung verschärfte Misere

Das Angebot käme für El Salvador nicht ungelegen. Das zentralamerikanische Land mit 6,5 Millionen Einwohnern ist hoch verschuldet und muss 2023 und 2025 Staatsanleihen in der Höhe von 1,6 Milliarden Dollar zurückzahlen. Die Regierung unter Bukele setzt seit knapp einem Jahr auf die Kryptowährung Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel, um die finanzielle Lage zu entschärfen – obwohl der Internationale Währungsfonds (IWF) wegen heftigen Kursschwankungen dringend davon abgeraten hatte.

Im Gesetzestext El Salvadors wurde damals festgeschrieben, dass es für das Wirtschaftswachstum der Nation nötig sei, eine digitale Währung zuzulassen, deren Wert allein von marktwirtschaftlichen Kriterien abhänge. Damit sollten Arbeitsplätze geschaffen und Tausende Menschen in den formellen Wirtschaftskreislauf integriert werden. Die jüngsten Turbulenzen haben jedoch das finanzielle Risiko El Salvadors erhöht, und die Verwendung der Kryptowährung hat sich nach Ansicht von Fachleuten nicht durchgesetzt.

Zu Beginn des Jahres versprach Bukele, dass sein Land auf Bitcoin lautende Anleihen ausgeben würde, um die Staatsschulden zu begleichen, und prognostizierte, dass der Bitcoin-Kurs 100.000 Dollar erreichen würde – was bis heute nicht eintrat. Als El Salvador am 7. September 2021 Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel einführte, lag der Wert der Kryptowährung bei fast 47.000 Dollar. Ein Jahr später war sie weniger als die Hälfte wert und wurde mit rund 19.800 Dollar gehandelt.

„Völlige Neuausrichtung der Außenpolitik“

Dem salvadorianischen Wirtschaftswissenschaftler Luis Membrano zufolge hätte eine Schuldenfinanzierung durch China nicht nur finanzielle, sondern auch politische Konsequenzen. Sollte das Angebot tatsächlich umgesetzt werden, so würde das eine endgültige Abkehr von den USA darstellen und das zentralamerikanische Land näher an China, Russland und die Türkei heranführen. „Das würde eine völlige Neuausrichtung der Außenpolitik El Salvadors bedeuten“, sagte er dem „Guardian“.

Laut Evan Ellis, einem leitenden Mitarbeiter des in Washington DC ansässigen Centre for Strategic & International Studies, erfolgt die Unterstützung Chinas zudem nicht ohne Hintergedanken, denn China verdiene „gutes Geld mit diesen Geschäften“, sagte er gegenüber dem „Guardian“. So könnte das Land Wege finden, „die Kredite mit langfristigen kommerziellen und strategischen Vorteilen zu verknüpfen, die den Weg für chinesische Unternehmen ebnen“.

Kooperation mit Vorteilen für Bukele

Eine engere Bindung an China könnte gleichzeitig auch Bukeles eigenen Ambitionen entgegenkommen. Dass er für eine Wiederwahl kandidieren möchte, obwohl die Verfassung des Landes es verbietet, hat vor allem in den USA und Europa für Bedenken gesorgt, dass damit autoritäre Tendenzen in El Salvador zurückkehren könnten.

„Wenn populistische Regierungen, ob links oder rechts, an die Macht kommen, fungiert China als unvoreingenommener Bürge“, so Ellis gegenüber dem „Guardian“. „China kann Bukele finanzielle Unabhängigkeit verschaffen, um autoritär zu sein und die Verfassung mit Füßen zu treten.“

Nayib Bukele in Santa Maria Mizata, 2021
AP/Salvador Melendez
Während eines Kongresses für Kryptowährungsinvestoren kündigte Bukele den Bau einer „Bitcoin“-Stadt an

Kreditvergabe als Teil von „strategischem Wettbewerb“

Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums bestritt zwar, von einem Kauf der Anleihen El Salvadors gewusst zu haben. Und auch führende Politiker des mittelamerikanischen Landes nahmen die Äußerungen schnell zurück und erklärten, sie seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. Die Debatte werfe aber in jedem Fall Schlaglicht auf das Dilemma des chinesischen Staatschefs Xi Jinping, wie viel Schuldenerlass Peking als weltweit größter Gläubiger der Entwicklungsländer weiterhin gewähren sollte, schreibt die Finanzseite Bloomberg.

China sei in letzter Zeit bereits viel vorsichtiger mit seinen Auslandsfinanzierungen geworden, da die Null-Covid-Politik seiner Wirtschaft geschadet habe, so Bloomberg. Dass China weiterhin als wichtigster Kreditgeber für viele Entwicklungsländer auftrete, sei jedoch Teil eines breiteren strategischen Wettbewerbs mit den USA um globalen Einfluss. Die USA haben Chinas Kreditvergabemodell bereits mehrmals als „Schuldenfalle“ bezeichnet, was Peking vehement zurückwies.

Dass China zunehmend als Unterstützer bei der Rückzahlung des hohen Schuldenstands vieler Entwicklungs- und Schwellenländer auftritt, sorgte auch für Diskussionen auf dem diesjährigen G-20-Gipfel der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in Bali. Ohne China namentlich zu erwähnen, wurde in der Abschlusserklärung betont, wie wichtig es sei, dass alle offiziellen und privaten bilateralen Gläubiger transparent zusammenarbeiten sollten.