Luftbild der schwimmenden Solaranlage im Silbersee III, Haltern am See, Ruhrgebiet, Deutschland
IMAGO/blickwinkel/M. Woike
Energiegewinnung

Solarpaneele lernen das Schwimmen

Um die Klima- und Energieziele zu erreichen und unabhängiger von Öl und Gas zu werden, braucht es bekanntlich mehr Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energiequellen. Eine wichtige Säule ist die Solarkraft – und Potenzial hat diese nicht nur an Land, sondern zunehmend auch auf dem Wasser. Schwimmende Solaranlagen sind weltweit auf dem Vormarsch und bieten sich dabei vor allem in Ländern an, in denen Platz Mangelware ist.

In den vergangenen Jahren hat es laut einem Bericht der BBC einen weltweiten Boom beim Bau schwimmender PV-Anlagen gegeben. Die installierte Leistung hat sich von 2015 auf 2020 fast verzwanzigfacht. Freilich sind schwimmende Solaranlagen nach wie vor Nischenprojekte – der weltweite Anteil unter den PV-Anlagen liegt Schätzungen zufolge bei lediglich einem Prozent.

Doch Fachleute rechnen mit beträchtlichem Wachstum und enormem Potenzial. Immerhin haben die Anlagen den unübersehbaren Vorteil, dass sie auf Gewässern errichtet werden können, deren Oberflächen derzeit ungenutzt sind. Dabei bieten sich Stauseen, Wasserreservoirs, Sandgewinnungsteiche, Baggerseen und ähnliche Gewässer an. Auch Experimente im Meer gibt es – besonders in Küstenbereichen und in Verbindung mit Offshore-Windanlagen. Hier sind Wind und Wetter allerdings große Unsicherheitsfaktoren.

Luftbild der schwimmenden Solaranlage im Silbersee III, Haltern am See, Ruhrgebiet, Deutschland
IMAGO/Hans Blossey
Eine schwimmende Solaranlage im deutschen Ruhrgebiet

Enormes Potenzial, Vorteile für Gewässer

Größter Vorteil ist dabei fraglos die Platzersparnis. Würde man zehn Prozent aller künstlich geschaffenen Stauseen der Welt mit schwimmenden Solaranlagen ausstatten, ergäbe sich eine Kapazität von 20 Terawatt, zitiert die BBC eine Analyse des Solar Energy Research Institute of Singapore (SERIS). Das ist 20-mal mehr als die gesamte heute existierende weltweite Photovoltaikkapazität.

Es gibt allerdings noch weitere Vorteile: So wird etwa die Effizienz der Paneele durch den natürlichen Kühlungseffekt des Wassers gesteigert, zudem kann die Abschattung durch die Solarpaneele die Verdunstung des Wassers reduzieren, die Temperatur senken und so die Wasserqualität verbessern. Besonders interessant ist auch eine Nutzung bei bestehenden Wasserkraftanlagen, wo sich Synergieeffekte mit bestehender Strominfrastruktur ergeben können. Sie könnten unter anderem dabei helfen, Trockenperioden zu überwinden.

Unten Fischzucht, oben Sonnenenergie

Vor allem in Asien wird bereits seit längerer Zeit mit Solaranlagen auf Wasserflächen experimentiert. In der chinesischen Provinz Zhejiang wurde bereits 2017 die Hangzhou Fengling Solarfischfarm eröffnet. Während unter Wasser auf rund 30 Hektar Fisch gezüchtet wird, produzieren über der Wasseroberfläche Tausende Solarmodule Sonnenstrom. Die Anlage hat im Endausbau eine Kapazität von rund 320 Megawatt (MW). Zum Vergleich: Das ist doppelt so viel wie die geplante Kapazität der größten österreichischen PV-Anlage, die derzeit in Nickelsdorf entsteht.

Luftbild einer schwimmenden Solaranlage in Huainan, Chinas
APA/AFP
China gilt im Solarbereich generell als Vorreiter, das gilt auch für die schwimmenden Anlagen. Im Bild ein Solarpark in Huainan.

Eine flächenmäßig noch größere Solaranlage findet sich am Sirindhorn-Staudamm in Thailand. Auf einer Wasserfläche von 720.000 Quadratmetern wurde ein Hybridsystem mit über 144.000 Solarmodulen errichtet, das tagsüber Sonnenlicht in Strom umwandelt und nachts Wasserkraft erzeugt. Ihre Leistung soll bei 45 Megawatt liegen, damit will man jährlich 47.000 Tonnen Kohlendioxidemissionen einsparen. Noch 15 weitere dieser Anlagen will Thailand bauen. Indien will beide Projekte übertrumpfen und plant eine Anlage am Omkareshwar-Staudamm am Fluss Narmada, die eine Kapazität von 600 MW haben soll.

Luftbild der schwimmenden Solaranlage am Sirindhorn-Damm in Thailand, 2022
APA/AFP/Jack Taylor
Die Anlage am Sirindhorn-Staudamm in Thailand

Aber auch kleinere Länder liebäugeln mit den Vorteilen schwimmender Solaranlagen. Für hoch entwickelte Staaten mit wenig Landmasse sind sie besonders interessant – etwa für Japan, Südkorea und Singapur. Dort scheitert die Errichtung von PV-Anlagen oft an Platzmangel und alternativer Nutzung, horrenden Grundstückspreisen, Widerstand gegen Großprojekte und strenger Regulierung.

Luftansicht der schwimmenden Solaranlage im Hapcheon-Damm in Südkorea
SCOTRA
Im südkoreanischen Hapcheon-Damm schwimmen Solarpaneele in Blumenform

Auch Europa zieht mittlerweile nach. Zu den Vorreitern gehören die an künstlichen Gewässern reichen Niederlande, wo schwimmende Solaranlagen einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten sollen. Erste Anlagen gibt es auch in Deutschland und Großbritannien. In Österreich entsteht derzeit ebenfalls eine – konkret in Grafenwörth (Niederösterreich). Sie soll künftig etwa 7.500 Haushalte mit Ökostrom versorgen, die Fertigstellung ist für das Frühjahr geplant – mehr dazu in noe.ORF.at.

Bau und Wartung teurer

Doch der Bau bietet auch besondere Herausforderungen. Ihre Errichtung und Wartung ist teurer als bei Anlagen auf dem Land, das Risiko für Verschmutzung und Korrosion höher. Auch wasserrechtliche Vorgaben und Konflikte mit anderer Gewässernutzung – etwa Schifffahrt, Fischfang oder Freizeitnutzung – könnten zum Hindernis werden, ebenso konservatorische Überlegungen.

So könnten schwimmende Solaranlagen an den falschen Stellen auch zu einer Verschlechterung der Wasserqualität und zu einem Risiko für die Tierwelt in den Gewässern werden, so eine Studie der Universität Lancaster.

Mit der Sonne gehen

Zudem sind schwimmende PV-Anlagen schwierig zu positionieren. Diesem Problem begegnet ein neues Pilotprojekt im niederländischen See Oostvoornse Meer – es ist die erste schwimmende Solaranlage, welche mit Paneelen ausgestattet ist, die sich automatisch am Verlauf der Sonne ausrichten. Durch entsprechende Trackingsysteme könne die Effizienz um rund ein Drittel gesteigert werden.

Trotz dieser Hindernisse wird ein signifikanter Ausbau der Technologie erwartet. Das wird auch notwendig sein – denn ein deutlicher Ausbau der Gewinnung von Solarenergie ist notwendig, um sich den Klimazielen auch nur anzunähern. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) muss allein bis 2030 das Sechsfache der derzeitigen Menge erreicht werden, um sich dem Szenario der „Netto-Null-Emissionen bis 2050“ anzunähern. Für diesen Ausbau brauche es mehr Einsatz von Politik und Privatwirtschaft.