Zweifel an Klimaversprechen der Fußball-WM

Die Machthaber in Katar rühmen sich damit, dass die Fußball-WM 2022 als erstes CO2-neutrales Turnier in die Geschichte eingehen wird. Doch Fachleute sehen dieses Versprechen mit Skepsis und üben scharfe Kritik. Viele sprechen von „Greenwashing“ und prophezeien, der CO2-Ausstoß werde am Ende weit über dem Durchschnitt vergangener Weltmeisterschaften liegen.

Die Strategie der Gastgeber, um die ausgeglichene Klimabilanz zu erreichen, fußt auf zwei Pfeilern: Einerseits sollen im Zusammenhang mit der WM so wenige Emissionen wie möglich verursacht werden, andererseits will man die trotzdem zwangsläufig anfallenden Emissionen wettmachen – etwa durch Aufforstungen, für die CO2-Zertifikate vergeben werden. Doch viele der vorgeblichen Klimaschutzbemühungen werfen Fragen auf.

Vorwurf der Augenauswischerei

So geben die Veranstalter etwa an, dass beim Neubau der acht WM-Stadien auf Wasser- und Energieeffizienz geachtet worden sei. Betont wird etwa die Verwendung recycelter Materialien. Abseits der Vorwürfe, dass beim Bau der Stadien Arbeitsrechte aufs gröbste missachtet wurden, bleibt außerdem als Faktum: Die Stadien wurden nur für diese WM errichtet. Wie ihre Nachnutzung aussehen soll, ist weitgehend offen.

Gerne wird auch von einer WM der kurzen Wege gesprochen. Sieben der acht WM-Arenen sind so nah beieinander, dass sie auf die Fläche Wiens passen würden. Sie sind noch dazu mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erschlossen. Doch sei das „reine Schönfärberei“, wie Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb im Interview mit dem „Standard“ sagte.

Die Unterkünfte im Emirat reichen nämlich bei Weitem nicht, um alle Fans unterzubringen. Zumindest rund 100.000 Fans sollen in der Gruppenphase täglich per Flugzeug ankommen, an den stärksten Tagen bis zu 500.000 – ökologisch eine mittlere Katastrophe. Energiefresser sind auch die Kühlanlagen in den Stadien und den Trainingsstätten.

Gaskraftwerke für neue Bäume

Die klimatischen Bedingungen in der Region rufen auch Kritik an den Ausgleichsprojekten hervor. Ausgerechnet in Doha und Umgebung sollen Millionen Bäume, Büsche und Grashalme gepflanzt werden. Das Nutzwasser dafür kommt aus riesigen Meerwasserentsalzungsanlagen, die mittels Gaskraftwerken betrieben werden – mit entsprechendem CO2-Austausch.

Bis die Pflanzen in relevanten Mengen Kohlendioxid speichern können, würden außerdem Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte vergehen, schätzen Experten.

CO2-Bilanz mit blinden Flecken

Ein FIFA-Bericht – in Übereinstimmung mit dem Greenhouse Gas Protocol – bezifferte den zu erwartenden CO2-Fußabdruck der Weltmeisterschaft im Juni 2021 mit 3,63 Millionen Tonnen. Vieles spricht aber dafür, dass die Berechnungsmethode einige blinde Flecken in Bezug auf Folgewirkungen aufweist und viel zu niedrig angesetzt ist.

Zu diesem Fazit kommt etwa eine Studie der österreichischen NGO Carbon Market Watch aus diesem Jahr. In Wirklichkeit werde der CO2-Ausstoß bis zu achtmal so hoch sein. Auch Wissenschaftler der Universität Lancaster schauten sich die Analyse an. Dabei ergab sich ein mindestens dreimal so hoher Wert für die gesamte Weltmeisterschaft, sagte Klimaforscher Mike Berners-Lee jüngst der BBC.