Die Vereinbarung für die Produktion iranischer Kampfdrohnen sei Anfang November im Iran ausgehandelt worden, schreibt die „Washington Post“ unter Berufung auf Geheimdienstinformationen. Russland setzte im Angriffskrieg gegen die Ukraine bereits Hunderte Kamikazedrohnen vom iranischen Typ Schahed-136 ein. Sie können einige hundert Kilometer weit fliegen, kreisen eine Zeit lang über einem Zielgebiet und stürzen dann mit einer Sprengladung auf ein Ziel herab.
Die russische Armee setzt die Drohnen unter anderem für Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur ein. Mit einer eigenen Produktion könnte Russland die Attacken ausweiten. Aktuell sei die iranische Seite dabei, Konstruktionsunterlagen und Schlüsselkomponenten für die Produktion zu übergeben, schrieb die „Washington Post“. Sie bezog sich auf drei Regierungsbeamte.
Sie seien mit Geheimdiensterkenntnissen vertraut, die US-amerikanischen und anderen westlichen Diensten vorlägen. Damit könne die Produktion innerhalb weniger Monate beginnen, sagten drei mit der Angelegenheit vertraute Insider der Zeitung. Das russische Verteidigungsministerium reagierte zunächst nicht auf eine Bitte der Nachrichtenagentur Reuters um eine Stellungnahme.
TASS: AKW Saporischschja unter Beschuss
Das Atomkraftwerk Saporischschja wird unterdessen russischen Angaben zufolge beschossen. Die staatliche Nachrichtenagentur TASS zitiert den russischen Energiekonzern Rosenergoatom mit der Darstellung, die Ukraine habe in die Nähe einer nuklearen Lagereinrichtung geschossen. Messungen zufolge sei keine radioaktive Strahlung ausgetreten.
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), die Atomaufsichtsbehörde der Vereinten Nationen, verurteilte am Sonntag den Angriff auf das von Russland kontrollierte Kernkraftwerk Saporischschja in der Ukraine. „Wer auch immer dahintersteckt: Es muss umgehend aufhören“, verlangte IAEA-Chef Rafael Grossi. „Wie ich schon oft gesagt habe: Ihr spielt mit dem Feuer!“
Ukraine: 60 Attacken mit Raketenwerfern
Die russischen Truppen hatten erst vor Kurzem die Großstadt Cherson sowie das umliegende Gebiet nordwestlich des Flusses Dnipro geräumt und sich unter dem Druck der ukrainischen Streitkräfte auf die östliche Seite des Dnipro zurückgezogen.
Seit Samstag konnten ukrainische Einheiten dem Generalstab zufolge zahlreiche russische Angriffe in den Gebieten Luhansk und Donezk abwehren. Das ukrainische Militär zählte rund 60 russische Attacken mit Raketenwerfern. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.
Kiew: Russen verlegen Einheiten in Osten
Die russischen Streitkräfte verlegen nach Erkenntnissen des ukrainischen Generalstabs aus dem Gebiet Cherson abgezogene Einheiten in die Gebiete Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine. In Luhansk richteten die russischen Besatzer zusätzliche Kontrollpunkte ein, um Deserteure zu identifizieren und festzunehmen, hieß es demnach heute. Die russische Armee greife zwar häufig mit Raketen an, es sei aber noch zu früh, von einer neuen Großoffensive zu sprechen.
Das erklärte der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Jurij Ihnat, dem Internetportal Ukrajinska Prawda zufolge im ukrainischen Fernsehen. Es komme aber im Donbas in der Ostukraine zu schweren Kampfhandlungen.
Kiew: Seit Kriegsbeginn mehr als 8.300 Zivilisten getötet
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine am 24. Februar sind mehr als 8.300 Zivilistinnen und Zivilisten getötet worden, darunter 437 Kinder. Das erklärte der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Kostin laut einem Bericht des Internetportals Unian vom Sonntag. Mehr als 11.000 Menschen seien verletzt worden. Die tatsächliche Zahl der Opfer dürfte Kostin zufolge aber höher liegen, da ukrainische Behörden zu einigen von Russland besetzten Gebieten noch keinen Zugang hätten.
Die ukrainischen Behörden registrierten den Angaben zufolge mehr als 45.000 Kriegsverbrechen. 216 Personen seien als mutmaßliche Kriegsverbrecher gemeldet worden, darunter 17 russische Kriegsgefangene. Von 60 Personen angeklagten Personen seien bisher zwölf verurteilt worden.
Kostin: Über 700 Leichen entdeckt
Die ukrainischen Behörden stoßen in befreiten Gebieten rund um Cherson, Charkiw und Donezk nach offizieller Darstellung auf immer mehr Beweise für Gräueltaten der einstigen russischen Besatzer. In den vergangenen zwei Monaten seien in diesen Gebieten bereits über 700 Leichen entdeckt worden, hatte Kostin am Samstagabend im Staatsfernsehen gesagt. In rund 90 Prozent der Fälle habe es sich um Zivilpersonen gehandelt.
Daneben seien etwa 20 Orte entdeckt worden, an denen Zivilisten verhört und in Gefangenschaft gehalten worden seien, erklärte er weiter. „Wir haben praktisch in fast jedem Dorf in der Region Charkiw Stellen gefunden, an denen sie friedliche Zivilisten getötet haben“, sagte Kostin. Eine ähnliche Situation fänden die Ermittler jetzt in der vor Kurzem befreiten Region Cherson in der Südukraine vor. „Und jeden Tag erhalten wir neue Informationen.“
London: Führungsschwäche in Russlands Truppen
Trotz eines relativ geordneten Rückzugs der russischen Truppen aus dem ukrainischen Gebiet Cherson sind Moskaus Streitkräfte nach Einschätzung britischer Militärexperten von Führungsschwäche und einer Kultur der Vertuschung geprägt. Das geht aus dem täglichen Geheimdienstupdate des britischen Verteidigungsministeriums in London heute hervor. Demnach mangelt es auf mittlerer und unterer Befehlsebene an militärischer Führung.
Die Ukraine sieht unterdessen die Versorgung mit Strom im Land trotz der zahlreichen russischen Angriffe auf die Stromerzeugungsinfrastruktur unter Kontrolle. „Wir dementieren die in sozialen Netzwerken und Onlinemedien verbreiteten Panikmeldungen und versichern Ihnen, dass die Lage zwar schwierig, aber unter Kontrolle ist“, erklärte das ukrainische Ministerium für Energie am Samstag. Zuvor hatten die Kiewer Behörden erklärt, dass eine vollständige Abschaltung des Stromnetzes in der Hauptstadt nach den russischen Angriffen nicht auszuschließen sei.
Die Ukraine wies unterdessen Vorschläge zu Verhandlungen mit Russland erneut zurück. „Wenn man auf dem Schlachtfeld die Initiative ergreift, ist es etwas bizarr, Vorschläge zu erhalten wie: ‚Ihr müsst verhandeln‘“, sagte der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak in Kiew. Das würde bedeuten, dass das Land, „das seine Gebiete zurückgewinnt, vor dem Land kapitulieren muss, das verliert.“