Chinesisches Frachtschiff im Hafen von Gwadar, Pakistan
AP/Muhammad Yousuf
„Seidenstraße“

Chinas Problem mit eigenem Prestigeprojekt

China versucht seit Jahren, mit Milliardenkrediten und dem Bau von Infrastruktur, dem Projekt „Neue Seidenstraße“, vor allem in Entwicklungsländern Einfluss zu gewinnen. Das gelingt auch sehr erfolgreich. Doch das Vorgehen sorgt zunehmend für Kritik in den von chinesischen Investitionen überschütteten Ländern, bis hin zu Attentaten auf Chinesen.

Das geopolitische Prestigeprojekt „Neue Seidenstraße“ wird für Peking zunehmend zu einem zweischneidigen Schwert. So wirft der Westen dem neuen Konkurrenten um Einfluss in Afrika, Asien und Südamerika vor, Entwicklungsländer in eine Schuldenspirale zu treiben. Chinas Außenministerium weist das regelmäßig als „Lüge“ des Westens zurück. Tatsächlich basiert chinesisches Engagement zu 90 Prozent auf Krediten und nur zu einem minimalen Teil auf Entwicklungshilfe. In Europa und den USA ist das Verhältnis dagegen annähernd umgekehrt.

Wegen der Immobilienkrise in China, die zunehmend zu einem Risiko für das gesamte Finanzsystem des Landes wird, haben die Banken die Kreditbedingungen deutlich veschärft. Dazu kommt ein rasantes Ansteigen der Zinsen aufgrund der Inflation und des damit einhergehenden weltweiten Leitzinsauftriebs. Von Kritikerinnen und Kritikern wird China daher immer wieder Neokolonialismus vorgeworfen – also genau das, was Peking vorgab, nicht zu sein, und womit es sich so von Europa und den USA abgrenzen wollte.

Grafik zu möglichen Routen der neuen Seidenstraße
Grafik: APA/ORF.at

Erwachen in unsicheren Verhältnissen

Korruption und politische Instabilität in den Zielländern gefährden nicht nur chinesische Vorzeigeprojekte, sondern gefährden auch chinesischen Besitz und vor allem die Sicherheit chinesischer Staatsbürger.

„Die Chinesen müssen sich damit abfinden, dass es sich um instabile Länder mit fragilen innenpolitischen Verhältnissen handelt“, so Yun Sun, Leiter des China-Programms der Washingtoner Denkfabrik Stimson Center, gegenüber dem „Wall Street Journal“. „Wenn man hier aktiv ist, stößt man auf genau diese Probleme.“

Ziel von Attacken

Immer öfter werden Chinesen in diesen Ländern Ziel von Gewalt und Entführung. Die Lokalbevölkerung sieht sie in der Regel zudem als wohlhabender an. Und teils wirft sie ihnen vor, sich auf deren Kosten zu bereichern.

Der US-Thinktank Oxus Society zählte 160 solcher Zwischenfälle allein in Zentralasien von 2018 bis 2021, es gibt sie aber auch in Afrika – etwa in der Demokratischen Republik (DR) Kongo, in der chinesische Firmen den Bergbau dominieren. Mehr als 440.000 Chinesinnen und Chinesen waren laut dem Unternehmerverbands China International Contractors Association Ende 2021 für ihre Firmen im Ausland tätig.

Dorfbewohner beim Ballspielen vor dem Hintergrund des Hafens von Gwadar, Pakistan
Reuters/Akhtar Soomro
Kinder und Jugendliche spielen Fußball – im Hintergrund der Hafen von Gwadar

Großprojekte gegen Lokalbevölkerung

Eines der wichtigsten Länder im Rahmen der „Neuen Seidenstraße“ aus chinesischer Sicht ist Pakistan, mit dem Peking enge militärische Beziehungen und auch der gemeinsame Rivale Indien verbinden. Umgerechnet rund 24 Mrd. Euro hat Peking bereits in Pakistan investiert – darunter Straßen, Kraftwerke und vor allem der Hochseehafen in Gwadar in der Provinz Belutschistan.

Der Hafen, nahe einer der strategisch wichtigsten Meerengen, der Straße von Hormus, gelegen, soll zum großen wirtschaftlichen Umschlagplatz werden. Doch das zeichnet sich bisher nicht ab, im Gegenteil: Vor allem in der lokalen Bevölkerung stößt das Projekt, das auch einen Flughafen und eine Freihandelszone vorsieht, auf anhaltenden Widerstand. Die dort lebenden Menschen haben teils nicht einmal Strom oder eine auch nur grundlegende Gesundheitsversorgung.

Die Befreiungsarmee von Belutschistan, eine säkulare Aufstandsbewegung, die gegen die Ausbeutung der Bodenschätze durch die Zentralregierung kämpft, und auch pakistanische Taliban greifen immer wieder Chinesen an. Neben dem Anschlag auf Chinesen auf dem Gelände des von Peking finanzierten Konfuzius-Instituts an der Uni von Karachi im April wurde unter anderem bereits ein Bus mit chinesischen Bauarbeitern angegriffen. Weiters gab es einen – gescheiterten – Mordanschlag auf den chinesischen Botschafter.

Sicherheitskräfte nach einem Anschlag in Pakistan
Reuters/Akhtar Soomro
Polizei bewacht den Ort des Anschlags am Eingang zum Konfuzius-Institut

„Feind Nummer eins“

Die enge Verflechtung mit der pakistanischen Politik führe dazu, dass China „für viele militante Gruppen zum Feind Nummer eins“ geworden sei, so der Außenpolitikexperte Raffaello Pantucci, der auf Chinas geopolitische Pläne spezialisiert ist, gegenüber dem „Wall Street Journal“.

Anders als die Vorgängerregierung ist die aktuelle pakistanische Regierung erneut um eine stärkere Annäherung an China bemüht. Islamabad möchte gern auch chinesische Privatunternehmen ins Land locken und sie dazu bringen, etwa Produktionsstätten in Pakistan aufzubauen, insbesondere rund um den Hafen von Gwadar. Im Rahmen des „Neue Seidenstraße“-Projekts sind bisher fast ausschließlich chinesische Staatsunternehmen aktiv. Nach den Anschlägen wurden entsprechende Pläne freilich von chinesischen Unternehmen abgeblasen.

Cocktail aus Korruption und Profit

So wie in Afrika fehlt es auch beim chinesischen Engagement in Pakistan an Transparenz. Das ist in einem Land mit verbreiteter Korruption doppelt schädlich. Und Erfahrungen in anderen Ländern wie etwa Nigeria zeigen, dass vielfach die lokale Wirtschaft kaum von den chinesischen Investitionen profitiert, sondern es vielmehr chinesische Firmen sind, die an der wirtschaftlichen Entwicklung verdienen, wie das Monatsmagazin „The Diplomat“ berichtete. Das liegt gerade auch an den Ländern selbst und nicht nur an China – doch für Peking gilt: Mitgefangen, mitgehangen.