Gasspeicheranlage und Druckmanometer in der Nähe von Kiel
IMAGO/penofoto/Petra Nowack
Weiter kein Deckel

Streit über Gaspreise bremst EU-Notfallpläne

Es tut sich weiter nichts bei der Suche nach einem Gaspreisdeckel, auf den sich alle EU-Staaten einigen können. Der Streit blockiert nun auch die anderen Notfallpläne, denn das Treffen der EU-Energieministerinnen und -minister in Brüssel ist am Donnerstag ohne Ergebnis ausgegangen. Einige Staaten wollen erst den Deckel fixieren, obwohl man sich bei anderen Plänen einig ist. Die nächste Chance auf einen Deal gibt es erst Mitte Dezember.

Dass der Gaspreisdeckel das große Streitthema in Brüssel werden wird, stand schon im Vorfeld des Notfalltreffens fest. Dass am Donnerstagnachmittag aber überhaupt kein greifbares Ergebnis präsentiert werden konnte, wird wohl für breite Enttäuschung in vielen Ländern sorgen.

Auch Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) sagte im Anschluss an das Treffen: „Es gibt nichts schönzureden: Die Ergebnisse des heutigen Treffens bleiben hinter den Erwartungen zurück.“ Prinzipiell sei man sich zwar bei einigen Maßnahmen einig, etwa zur Eindämmung der Spekulation, dem gemeinsamen Gaseinkauf und schnelleren Genehmigungsverfahren. Doch diese sollen nun wegen des Wunsches einiger Staaten erst dann beschlossen werden, wenn es auch grünes Licht für einen Gaspreisdeckel gibt.

Die österreichische Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne)
Reuters/Johanna Geron
Energieministerin Gewessler zeigte sich vom Ergebnis enttäuscht

„Die vorgeschlagenen Maßnahmen hätten uns geholfen, die Preise zu senken und unsere Unabhängigkeit zu stärken. Jetzt vergehen wieder wertvolle Wochen, in denen nichts passiert“, so Gewessler weiter. Konkret soll es nun am 13. Dezember zu einem weiteren Sondertreffen der Ministerinnen und Minister kommen – und dann alles gemeinsam beschlossen und umgesetzt werden. So die Theorie.

Positionen seit Monaten unverändert

Denn in der Praxis ist klar, dass die Positionen eigentlich seit Monaten verhärtet sind. Das zeigte sich auch im Vorfeld des diesmaligen Treffens. Der von der EU-Kommission kurzfristig vorgestellte Vorschlag für einen Deckel wurde von jenen Ländern scharf kritisiert, die schon bisher viel schärfere Maßnahmen forderten.

Eine Gruppe von 15 Staaten, angeführt vor allem von Spanien und Frankreich, hält den Kommissionsvorschlag für nicht ausreichend und glaubt nicht, dass er so wirken kann. Die polnische Ministerin Anna Moskwa nannte diesen Deckel bereits vor dem Treffen einen „Witz“. „Der Text, der auf dem Tisch liegt, ist nicht zufriedenstellend“, sagte unterdessen die belgische Energieministerin Tinne Van der Straeten. Der Vorschlag zur Deckelung der Preise „geht nicht weit genug, um unsere Unternehmen und unsere Industrie zu schützen. Die Kommission wird neue Vorschläge machen müssen“, sagte Frankreichs Energieministerin Agnes Pannier-Runacher im Anschluss.

Eine zweite kleinere Gruppe, geführt von Deutschland, sieht einen Deckel allgemein kritisch. „Man kann zusammenfassend sagen, dass alle irgendwie unglücklich sind mit dem Vorschlag der Kommission“, sagte der deutsche Wirtschaftsstaatssekretär Sven Giegold zum Auftakt. Auch Österreich galt bisher als eher zurückhaltend und fordert ein anderes Modell, das die EU-Kommission prüfen will, aber bisher noch nicht vorgestellt hat. Die skeptischen Staaten argumentieren vor allem mit der Versorgungssicherheit, die sie durch einen Deckel gefährdet sehen.

Bericht zur EU-Gaspreisdeckeldebatte

Benedict Feichtner (ORF) berichtet aus Brüssel über die Uneinigkeit in der Debatte über einen europäischen Gaspreisdeckel.

Ein Deckel mit vielen Bedingungen

Dass die Kommission überhaupt erst zwei Tage vor dem Treffen ihren Vorschlag auf den Tisch legte, dürfte die Situation ebenfalls erschwert haben. Konkret will man eine Preisobergrenze für den niederländischen Handelsplatz TTF, der für Europa besonders wichtig ist. Als Obergrenze wurden 275 Euro pro Megawattstunde vorgeschlagen, allerdings nur unter bestimmten Bedingungen. Greifen soll die Maßnahme erst, wenn dieser Wert zwei Wochen lang überschritten wird. Und auch dann nur, wenn der Preis pro Megawattstunde um 58 Euro höher liegt als der internationale Preis von Flüssiggas.

Ein Arbeiter in einem Gasspeicher in Saint-Illiers-la-Ville (Frankreich)
Reuters/Christian Hartmann
Der von der EU vorgeschlagene Deckel für den Gaspreis ist an viele Bedingungen geknüpft

Neben den kritischen Stimmen aus der Politik gaben auch Fachleute vernichtende Urteile ab. „Die Bedingungen, die vorgeschlagen wurden, sind so formuliert, dass sie wahrscheinlich nie erfüllt werden“, so Christian Egenhofer vom Brüsseler Thinktank CEPS gegenüber ORF.at. „Wahrscheinlich reden wir eher über ein Placebo“, so der Experte.

Georg Zachmann vom Thinktank Bruegel sagte im Interview unterdessen, dass der von der Kommission vorgeschlagene Deckel „gleichermaßen Befürworter und Gegner vor den Kopf stoßen“ würde. Brüssel sieht Zachmann dafür aber nicht allein verantwortlich: Die Kommission habe von den 27 EU-Staaten einen „unmöglichen Auftrag“ erhalten, sie hätte „einen Mechanismus erfinden sollen, der die Preise senkt, ohne dass die Mengen knapp werden“.

Letzte Chance im Dezember

In Kraft treten sollte der Mechanismus mit den vielen Ausnahmen eigentlich mit 1. Jänner. Dazu ist die Zeit jetzt enorm knapp. Die Einigung muss dabei übrigens nicht einstimmig ausfallen – einzelne Länder können also einen etwaigen Gaspreisdeckel nicht blockieren.

Ob die nötige Mehrheit – 55 Prozent der Mitgliedsstaaten, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren – nun im Dezember zustande kommt, ist aber noch unklar. Sollte am 13. Dezember doch weißer Rauch in Brüssel aufsteigen, könnte sich eine Lösung bis Jänner dennoch ausgehen. Denn nur zwei Tage danach treffen die EU-Staats- und -Regierungsspitzen zusammen und könnten den Vorschlag absegnen.