Weißmann: ORF vor einer der „größten Finanzierungskrisen“

ORF-Generaldirektor Roland Weißmann warnt vor einer der „größten Finanzierungskrisen“ in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Medienhauses. Ab 2024 könne auf Basis des bestehenden Finanzierungsmodells die Erfüllung der gesetzlichen Aufträge nicht mehr garantiert werden, hielt er in einem Schreiben an den ORF-Stiftungsrat und die ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter fest.

Als Ursachen für die düstere Prognose führte der ORF-Chef „die extreme Teuerung, die explodierenden Energiekosten, Rückgänge bei den Werbeerlösen und die steigenden GIS-Abmeldungen“ an.

Die heuer in Kraft getretene Gebührenerhöhung von acht Prozent für die Jahre 2022 bis 2026 mache pro Jahr eine durchschnittliche Steigerung von 1,55 Prozent aus, rechnete Weißmann vor. Damit könne die derzeitige Inflation nicht wettgemacht werden. Schon im ersten Jahr der Gebührenperiode befinde man sich mit der gegenwärtigen Inflation über der für fünf Jahre berechneten Programmentgeltanpassung.

Programmeinschnitte drohen

Für die Jahre 2022 und 2023 erwartet Weißmann noch eine ausgeglichene Bilanz. Gelingen soll das mit einem Paket, das etwa Sachkostenreduktionen, Energiesparmaßnahmen, eine moderate Lohnrunde und ein Aussetzen der Pensionskassenbeiträge umfasst. Maßnahmen, die nicht direkt das Programm betreffen, dürften damit aber ausgeschöpft sein. Mit 2024 droht ein Einschnitt, der auch für das ORF-Publikum seh- und hörbar würde.

Dem Vernehmen nach sind gegenwärtig ein Minus von 70 Millionen Euro für 2024, ein Minus von 90 Millionen Euro für 2025 und Verluste in der Höhe von 130 Millionen Euro für 2026 prognostiziert – bei einem Umsatz von rund einer Milliarde Euro. Allerdings sind noch keine Gegenmaßnahmen eingerechnet, die die Beträge zwar schrumpfen lassen, aber auch Einschnitte beim Programm bedeuten würden. Auch für das heurige Jahr war zwischenzeitlich von einem Minus in Millionenhöhe die Rede, bevor mit dem skizzierten Sparpaket nun eine ausgeglichene Bilanz erreicht werden dürfte.

Weißmann betont Zeitdruck für Verhandlungen

Der ORF-Chef erachtet die kommenden Wochen und Monate als „richtungsweisend, in welcher Form der ORF seine mediale Leistung für die Österreicherinnen und Österreicher in Zukunft erbringen kann“. Er drängt auf eine Lösung bis Ende März 2023, um die Umstellungsmaßnahmen auch zeitgerecht implementieren zu können. Bisherige Gespräche mit Stakeholdern wie Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) deuten für Weißmann darauf hin, dass der „enge Zeitrahmen“ erkannt wird.

Neue Ideen der Grünen, ÖVP zurückhaltend

Die grüne Mediensprecherin Eva Blimlinger ließ unlängst damit aufhorchen, dass sie sich künftig eine Finanzierung des ORF aus dem Bundeshaushalt vorstellen könne. Allerdings knüpft sie das an Bedingungen: eine Indexierung – also automatische Anpassung an die Teuerung – und einen gesetzlich festgeschriebenen Betrag, der mit einer Zweidrittelmehrheit im Nationalrat abgesichert ist. Auch eine Haushaltsabgabe ist für Blimlinger noch am Tisch. Diese müsste laut der grünen Mediensprecherin gestaffelt nach sozialen Kriterien ausfallen. Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) äußerte sich bisher zurückhaltend und legte sich nicht fest.

„Durch die aktuelle Situation wird die kommende Stiftungsratssitzung eine der entscheidenden werden“, reagierte Heinz Lederer, Leiter des SPÖ-„Freundeskreises“ im Stiftungsrat. Alarmismus habe man nun genug gehabt. „Mir fehlen die Lösungsvorschläge“, so Lederer. Prinzipiell müssten die drei künftigen Finanzierungsmodelle – GIS-neu, Haushaltsabgabe und Budgetfinanzierung – am Leben bleiben. Zu einer potenziellen Budgetfinanzierung äußerte er sich aber skeptisch.

Auch stellen sich inhaltliche wie finanzielle Fragen. So befürchtet Lederer etwa, dass die Bundesländer, die derzeit über die Länderabgabe von der GIS-Gebühr profitieren, zu „Bittstellern“ im Finanzministerium werden. Berücksichtige man die gegenwärtigen Gebührenbefreiungen, das angeordnete Schließen der Streaminglücke und die mit einer Budgetfinanzierung entfallende Berechtigung zum Vorsteuerabzug, müsste der ORF zudem zwischen 900 Millionen oder gar einer Milliarde Euro erhalten. Klargestellt möchte Lederer haben, dass nicht Budgetposten wie Kultur, Sport oder Wissenschaft finanziell leiden müssen.