Migranten in Mazedonien
Reuters/Ognen Teofilovski
Vorstoß von Kommission

EU will Aktionsplan zu Balkan-Route

Die EU-Innenministerinnen und -minister in Brüssel haben am Freitag über irreguläre Migration beraten. Eigentlich sollte es in erster Linie um die Situation im Mittelmeer-Raum gehen, doch die EU-Kommission kündigte auch einen Aktionsplan für die Westbalkan-Route an. Österreich stellte Forderungen an die EU. Die geplante Schengen-Erweiterung, gegen die sich Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) ausspricht, stand nicht auf der Tagesordnung – spielte aber wohl dennoch eine Rolle.

Der für Migration zuständige Vizepräsident der EU-Kommission, Margaritis Schinas, sagte unmittelbar vor dem Treffen, dass man „einen weiteren Aktionsplan für die Westbalkan-Route vorlegen“ wolle. Dieser solle noch vor dem Westbalkan-Gipfel am 6. Dezember in Tirana auf dem Tisch liegen, so Schinas.

Allgemeines Ziel sei es, „wie Architekten an einem umfassenden, strukturellen europäischen Rahmen für Migration und Asyl zu arbeiten“, so Schinas weiter. Man wolle nicht von „Krise zu Krise, von Schiff zu Schiff, von Vorfall zu Vorfall“ arbeiten, sondern brauche einen Rahmen, der sich „auf EU-Recht, unsere Werte und Grundsätze stützt“.

Ylva Johansson
Reuters/Tobias Schwarz
EU-Kommissarin Johansson äußerte Verständnis für Österreichs Situation

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson sagte im Hinblick auf Österreich, dass es eines der Länder sei, das „am stärksten unter Druck“ sei, weshalb es „wichtig ist, die Westbalkan-Route anzugehen“. Gleichzeitig verwies sie auf bereits getroffene Maßnahmen, nun wolle man einen Aktionsplan vorstellen für die „kommenden Herausforderungen“.

Österreich stellt fünf Forderungen an EU-Kommission

Innenminister Karner stellte seinerseits Forderungen an die EU-Kommission. Fünf konkrete Punkte sprach er in einem Brief an Johannson und Schinas an: erstens ein Pilotprojekt für Asylverfahren in einem EU-Land an der EU-Außengrenze, zweitens eine „Zurückweisungsrichtlinie“, mit der Einzelfallprüfungen nicht mehr erforderlich wären, drittens Asylverfahren in sicheren Drittstaaten, viertens die leichtere Aberkennung des Schutzstatus nach der Verfahrensrichtlinie auch bei nicht schweren Straftaten und fünftens mehr Unterstützung von EU-Staaten für Frontex an der EU-Außengrenze und in Drittstaaten.

Von der EU-Kommission erwarte er auch eine weitere finanzielle Unterstützung für den Außengrenzschutz, so Karner. „Wir haben in Österreich eine unerträgliche Situation“, sagte der Minister vor dem Treffen. „Wir hatten an der Grenze im heurigen Jahr über 100.000 Aufgriffe, und davon sind 75.000 nicht registriert, obwohl wir ein Binnenland sind.“ Er sagte, „da funktioniert etwas nicht am System“, Karner erwarte sich „konkrete Maßnahmen“. „Ich bin bereit, einige Vorschläge des österreichischen Ministers zu übernehmen“, so Johansson zu dem Brief aus dem Innenministerium.

Karner weiter gegen Schengen-Erweiterung

Nicht auf der Tagesordnung stand die Schengen-Erweiterung, angesprochen darauf wiederholte Karner aber seine Position, „dass ich es für Österreich nicht für sinnvoll halte, dass man ein System, das nicht funktioniert – und Schengen funktioniert nicht, ist funktionslos – derzeit noch zu vergrößern“. Er wiederholte seine Aussagen, wonach der Großteil der Ankommenden über die Balkan-Route komme, „und dass Kroatien nicht das Problem ist“.

Innenminister Gerhard Karner
APA/AFP/Michal Cizek
Innenminister Karner, hier bei einem Ministertreffen am Donnerstag in Prag, ist weiter gegen die Schengen-Erweiterung

Darauf angesprochen, ob man die Zustimmung zur Schengen-Erweiterung etwa an konkrete Maßnahmen zur Balkan-Route knüpfen wolle, sagte Karner lediglich, dass er sich „aus jetziger Sicht“ die Erweiterung nicht vorstellen könne. „Aber das steht heute nicht am Programm“, so Karner auf nochmalige Nachfrage. Konkret wollen die Innenministerinnen und -minister am 8. Dezember darüber abstimmen.

Karner ortete Unterstützung für seine Forderungen. Er habe zuletzt intensive Kontakte mit der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft sowie zu Griechenland, Polen und Litauen gehabt. Eine Erleichterung erwartet sich der Innenminister auch von der geänderten Visapolitik durch Serbien. Gegenüber Tunesien habe Belgrad bereits reagiert, bis Jahresende werde Serbien auch seine Visapolitik gegenüber Indien anpassen. Allein im heurigen Jahr habe Österreich 15.000 Anträge aus Indien, im Vorjahr seien es noch 200 gewesen.

Kogler gegen Schengen-Veto

Zuletzt schaltete sich in die primär innenpolitisch geprägte Debatte über die Schengen-Erweiterung auch der ÖVP-Koalitionspartner ein. Die Grünen unterstützen kein Veto Österreichs gegen einen Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens. Das sagte Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler angesichts der Vetodrohungen von Innenminister Karner und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). „Österreich unterstützt bis heute offiziell, dass neben Kroatien auch Rumänien und Bulgarien dem Schengen-Raum beitreten sollen“, so Kogler gegenüber der „Tiroler Tageszeitung“ (Freitag-Ausgabe).

Keine Annäherung in Streit Frankreich – Italien

Eigentlicher Auslöser des Treffens war der Streit zwischen Frankreich und Italien über die Aufnahme von Geflüchteten. Solange die italienische Regierung die Häfen nicht für Rettungsschiffe öffne, werde Frankreich nicht wie zugesagt Tausende Menschen von Italien übernehmen, sagte der französische Innenminister Gerald Darmanin.

Italien hatte zuletzt einem solchen Schiff die Einfahrt in einen Hafen verweigert, worauf dieses nach Frankreich fahren musste. Die Regierung in Paris war darüber empört und verwies darauf, dass Rettungsschiffe eigentlich ein Recht darauf hätten, in den nächstgelegenen Hafen zu fahren. Italien kritisiert hingegen mangelnde Solidarität anderer EU-Staaten in der Flüchtlingspolitik und fordert mehr Unterstützung.

Schinas skeptisch bei Aufnahmezentren außerhalb der EU

Vizekommissionspräsident Schinas dämpfte unterdessen Erwartungen nach Aufnahmezentren für Asylsuchende in Afrika. Die vorherige EU-Kommission von Jean-Claude Juncker habe das versucht, „und es hat nicht funktioniert. Ich sehe nicht, wie es jetzt funktionieren soll“, sagte er.