Ukrainischer Soldat in einem Schützengraben nahe Bachmut
Reuters/Leah Millis
Kälte, Schlamm, Krankheiten

Bachmut „wie Verdun 1916“

Seit Monaten wird Bachmut im Osten der Ukraine belagert, beide Kriegsparteien ergehen sich in einer beispiellosen Materialschlacht. Die kleine, aber strategisch wichtige Stadt ist inzwischen verwüstet, ukrainische wie russische Truppen leiden in den Schützengräben unter Kälte und Krankheiten. Beobachter wie den österreichischen Oberst Markus Reisner erinnert der Kampf um Bachmut an Szenen aus dem Ersten Weltkrieg.

Bachmut liegt keine 20 Kilometer von der Grenze zu den prorussischen Separatistenrepubliken Donezk und Luhansk entfernt. Vom Stadtrand Bachmuts können die Menschen die Front sehen, Reihen von ukrainischen Artilleriegeschützen und Panzern säumen die Landschaft. An den Frontlinien verbarrikadierten sich beide Seiten in ihren Schützengräben, der Angriffs- wurde besonders in Bachmut zum Stellungskrieg.

Die Belagerung der kleinen Stadt dauert nun schon neun Monate an. Bachmut ist Teil eines Verteidigungswalls vor dem Ballungsraum Slowjansk und Kramatorsk. Die russischen Truppen dort versuchen immer wieder aufs Neue, den Verteidigungsriegel zu knacken, um Zugriff zum Donbas zu bekommen. Aber auch die jüngsten Nachrichten aus der Stadt verheißen Rückschläge für die russische Seite: Laut ukrainischem Militär wurden am Montag erneut russische Angriffe zurückgeschlagen.

„Apokalyptische Bilder“

„Die Lage im Donbas hat sich seit Kriegsanfang quasi nicht verändert“, so Oberst Reisner zu ORF.at. Der Historiker und Gardekommandant analysiert seit Beginn der russischen Invasion auf dem YouTube-Kanal des Bundesheeres den Kriegsverlauf. Die Ukraine habe sich schon in den vergangenen Jahren penibel im Donbas vorbereitet, so Reisner. Es gebe drei Verteidigungslinien: Panzergräben, Minenfelder und Stellungen.

Russlands Truppen werden mit frisch einberufenen Reservisten gestützt, zudem sind schon lange Söldner der berüchtigten Wagner-Gruppe in Bachmut im Einsatz. „Der russischen Seite sind auch immer wieder Durchbrüche gelungen, aber nicht nachhaltig“, sagt Reisner. Inzwischen hätten sie die Taktik geändert, statt schneller Vorstöße gebe es nun langsamere Versuche, unterstützt von starkem Artilleriebeschuss. „Das ergibt dann diese apokalyptischen Bilder.“

Zehntausende Granaten am Tag

Schon im Sommer sei die Materialschlacht enorm gewesen, inzwischen sei sie nur leicht reduziert worden. Heute schießen die russischen Truppen bis zu 50.000 Artilleriegranaten am Tag ab, die ukrainischen zwischen 10.000 und 12.000, so Reisner. Entsprechend verwüstet sieht Bachmut aus, Zustände in der Stadt gleichen Szenen aus dem Ersten Weltkrieg, „wie Verdun 1916“, so Reisner.

Zerstörte Gebäude in Bakhmut
AP/Libkos
„Wie eine Mondlandschaft“: Bachmut ist weiterhin stark umkämpft

Bachmut „geriet zu einem zerstörerischen Strudel für die Armeen beider Länder“, schrieb etwa die „New York Times“: „Monatelang haben sie hier Massen von Truppen und Material in die Schlacht geworfen, während die Russen verzweifelt versuchen, die Stadt zu erobern, und die Ukrainer, sie zu halten.“ Die Stadt sei zermahlen, dennoch fallen die Geschoße in bisher unbekanntem Ausmaß.

Soldaten leiden an „Grabenfüßen“

Der Winter tut sein Übriges, nach dem ersten Schnee folgten Tage eisigen Regens und damit der Schlamm. Hinzu kommen auch hier andauernd Stromausfälle. Immer noch leben zudem Zivilistinnen und Zivilisten in der ehemals 70.000-Menschen-Stadt, obwohl die Infrastruktur komplett zerstört ist und auch Trinkwasser schon lange nicht mehr fließt.

Auf beiden Seiten steigen täglich die Totenzahlen. Am Ortsrand von Bachmut tobt ein Häuserkampf. Auch die Krankheiten, die in den Schützengräben Bachmuts umhergehen, erinnern an langanhaltende Kriege der Vergangenheit. Vermehrt kommen Berichte über Soldaten mit „Grabenfüßen“ („Trench Feet“) auf. Durch Dreck, Nässe und Kälte nehmen die Extremitäten Schaden.

Für beide Seiten ist Bachmut aber von strategischer und auch moralischer Bedeutung. Wie der gesamte Krieg hängt auch das Schicksal der Stadt vom Nachschub ab. Hier sei die Ukraine im Nachteil, so Reisner. Sie müssen den Nachschub heranschaffen, etwa über die zerstörte Verkehrswege, während Russland dieses Problem nicht habe. „Wie es weitergeht, hängt nur von der Durchhaltefähigkeit auf beiden Seiten ab“, so Reisner.