NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg
AP/Andreea Alexandru
„Kälte als Waffe“ Russlands

NATO plant Winterhilfen für Ukraine

Die NATO rechnet in den kommenden Monaten mit verstärkten russischen Angriffen auf die Ukraine. Präsident Wladimir Putin wolle „den Winter als Kriegswaffe“ nutzen, sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstag vor einem Außenministertreffen in der rumänischen Hauptstadt Bukarest. Er drängte die Mitgliedsländer deshalb zu weiteren zivilen und militärischen Hilfszusagen.

Von Bukarest werde die Botschaft ausgehen, „dass wir alle mehr tun müssen – sowohl um der Ukraine bei der Reparatur der zerstörten kritischen Infrastruktur zu helfen, einschließlich des Strom- und Gasnetzes, als auch, um die Angriffe selbst durch die Bereitstellung weiterer Luftabwehrsysteme zu bekämpfen“, sagte Stoltenberg. Zudem müsse sichergestellt werde, dass es für gelieferte Systeme genügend Munition und Ersatzteile gebe. Russland greife nun zivile Ziele und Städte an, weil es keine Geländegewinne mehr mache und verhindern wolle, dass die Ukraine weitere Gebiete befreie.

Bereits am Freitag hatte der NATO-Generalsekretär deutlich gemacht, dass für ihn auch eine Lieferung von deutschen Patriot-Flugabwehrsystemen in die Ukraine nicht tabu wäre. Deutschland hatte zuvor Polen Flugabwehrsysteme vom Typ Patriot zur Sicherung des polnischen Luftraums angeboten. Warschau regte dann aber eine Verlegung direkt ins Nachbarland an.

NATO-Außenminister Treffen in Rumänien

Die NATO-Außenministerinnen und Außenminister beraten sich derzeit in Rumänien, wie man der Ukraine besser helfen kann. Es wurde eine Verstärkung der Flugabwehr diskutiert sowie die Sicherstellung der Gas- und Stromversorgung.

„NATO gehen die Panzer nicht aus“

Die NATO hat unterdessen nach litauischen Angaben genügend Panzer, die sie der Ukraine überlassen könnte. „Der NATO gehen die Panzer nicht aus“, sagte der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis vor dem Treffen mit seinen NATO-Kollegen in Bukarest. „Wenn wir also den Bestand an Panzern ausweiten, die in die Ukraine geschickt werden, hat die NATO die Chance, die Versorgung aufrechtzuerhalten.“

„250 Kilometer von hier beginnt der russische Terror“, sagte die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock in Bukarest. „Wir erleben auf brutale Art und Weise, dass der russische Präsident Kälte jetzt als Kriegswaffe einsetzt.“ Ukrainischen Familien drohe das Erfrieren. Baerbock verwies auf die jüngste deutsche Zusage von 150 Millionen Euro für die Ukraine. Generatoren, Winterdecken und Krankenwagen seien auf dem Weg. Stoltenberg erwartet weitere Zusagen von den Mitgliedsländern, etwa für Minenräumer und Drohnenstörsysteme.

Kuleba will aktuelle Bedürfnisse darlegen

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba wollte seinen NATO-Kollegen die akuten Bedürfnisse seines Landes bei einem Abendessen schildern. Baerbock leitet am Rande der NATO-Tagung ein Treffen der sieben großen Industriestaaten (G-7) mit bis zu 20 Partnerländern zum Wiederaufbau der ukrainischen Energieinfrastruktur.

Zurückhaltend äußerte sich Baerbock zur polnischen Forderung, die Bundesregierung solle ein Patriot-Luftabwehrsystem an die Ukraine liefern statt an Warschau. Die NATO müsse angesichts der vielen militärischen Hilfen für Kiew auch sicherstellen, was sie „in ihrem eigenen Bündnisgebiet an Materialien“ habe, so Baerbock. Dabei müsse die Militärallianz „abgewogen alle notwendigen Schritte gemeinsam gehen“. Die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hatte in dieser Frage das Gespräch mit den NATO-Partnern gesucht.

NATO wird Hilfe für Ukraine aufstocken

Die NATO-Mitglieder werden nach den Worten von Generalsekretär Jens Stoltenberg ihre Hilfe für die Ukraine aufstocken. Das verkündete Stoltenberg vor einem Treffen der NATO-Außenministerinnen und -minister in Bukarest. Dieses diene als Plattform, um die westliche Hilfe für den Wiederaufbau der durch russische Angriffe zerstörten Energieinfrastruktur zu verstärken.

Italien plant Engagement für Stromnetz der Ukraine

Italien will seinen Beitrag zur Instandhaltung des ukrainischen Stromnetzes, das durch russische Raketenangriffe schwer beschädigt wurde, leisten. So sollen italienische Energiekonzerne die notwendige Technologie liefern, um das Stromnetz funktionsfähig zu halten, sagte Außenminister Antonio Tajani bei seiner Ankunft auf der NATO-Außenministertagung. „Wir engagieren uns, um dem ukrainischen Volk einen Winter ohne Tragödien zu sichern“, betonte Tajani.

Eine Niederlage der Ukraine gegen Russland käme einer Kapitulation und nicht dem Frieden gleich. „Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit für das ukrainische Volk“, sagte Tajani. „Wir müssen für den Frieden arbeiten, aber solange die Ukraine angegriffen wird, wird es schwer sein, sich an einen Verhandlungstisch zu setzen“, sagte der Außenminister.

Über weitere Waffenlieferungen Italiens an die Ukraine müsse das Parlament in Rom entscheiden. „Die Koalitionsparteien werden im Parlament einen einheitlichen Text vorlegen, der zeigt, dass es in Rom eine Regierung und eine Mehrheit gibt, die die Rechte der Ukraine unterstützt: Recht bedeutet die Unabhängigkeit des ukrainischen Territoriums“, so Tajani.

USA kündigt weitere 53 Mio. Dollar an Hilfen an

Die USA kündigten unterdessen am Rande des Treffens weitere Hilfen für die Ukraine im Umfang von 53 Millionen Dollar (gut 51 Millionen Euro) an. Damit wollen die Vereinigten Staaten „wichtige Ausrüstung für das Stromnetz bereitstellen“, wie Außenminister Antony Blinken in der rumänischen Hauptstadt erklärte. Die ukrainische Energieinfrastruktur ist durch russische Angriffe erheblich gestört.

Das US-Paket umfasst unter anderem Transformatoren, Trennschalter, Fahrzeuge und andere Ausrüstung. Washington will sie als Soforthilfe an die Ukraine liefern. Zuvor hatten die USA bereits 55 Millionen Dollar unter anderem für Generatoren in Aussicht gestellt.

Parlamentspalast in der rumänischen Hauptstadt Bukarest
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Der Bukarester Parlamentspalast dient als Tagungsort der NATO-Außenminister

Treffen in Bukarester Parlamentspalast

Die NATO-Außenminister tagen im monumentalen Bukarester Parlamentspalast, den der frühere rumänische Machthaber Nicolae Ceausescu in den 1980er Jahren als Zeichen seiner Macht von Moskaus Gnaden errichten ließ. Das ist auch für die NATO ein symbolischer Ort: Dort sagte die Militärallianz der Ukraine und Georgien 2008 erstmals die Mitgliedschaft zu.

Die damalige deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere verhinderten auf dem Gipfel aber den von US-Präsident George W. Bush geforderten Beitritt. Der Grund waren Befürchtungen vor einem Konflikt mit Russland.