Kasse im Einzelhandel
ORF.at/Roland Winkler
Einigung im Handel

Gehälter steigen im Schnitt um 7,3 Prozent

Nach knapp zehn Stunden haben sich Arbeitgeber und Gewerkschaft in der fünften Verhandlungsrunde Dienstagabend auf einen neuen Kollektivvertrag für die rund 430.000 Angestellten und Lehrlinge im Handel geeinigt. Die Gehälter steigen um sieben Prozent und mindestens 145 Euro, teilte die Gewerkschaft GPA mit. Das ergebe eine durchschnittliche Erhöhung der Gehälter um 7,31 Prozent.

„Durch den Mindestbetrag bedeutet dies eine Erhöhung um bis zu 8,67 Prozent“, schreibt die Gewerkschaft in der Aussendung. Das Einstiegsgehalt für die große Zahl der Berufseinsteigerinnen und -einsteiger nach der Lehre werde um 8,06 Prozent angehoben, die bestehenden Überzahlungen blieben aufrecht.

Damit sind die zuvor verkündeten Streikdrohungen vom Tisch. In mehr als 300 Unternehmen hatte es Streikbeschlüsse aus den dortigen Betriebsversammlungen gegeben – darunter bei den großen Handelsketten – auch aus der Lebensmittelbranche –, Textilketten, Buchhändlern, Großhändlern und Baumärkte. Die Streiks wären Freitag und Samstag dieser Woche geplant gewesen.

Fünfte Runde der Gehaltsverhandlungen für Beschäftigte im Handel
APA/Eva Manhart
Die Verhandlungsrunde am Dienstag

430.000 Angestellte – vor allem Frauen

Die Gewerkschaft hatte ein Gehaltsplus von 8,5 Prozent mit einem Mindestbetrag in Höhe von 200 Euro gefordert, sodass die untersten Gehaltsstufen eine zweistellige Erhöhung bekommen sollten. Die Arbeitgeber schlugen eine steuerfreie Prämie vor, die den Beschäftigten großteils noch heuer ausbezahlt werden sollte, und boten fünf Prozent Erhöhung auf die kollektivvertraglichen Mindestgehälter. Beide Seiten musste also Abstriche machen.

Der Handels-KV ist einer der größten Kollektivverträge in Österreich und betrifft rund 430.000 Angestellte und Lehrlinge im Einzel-, Groß- und Kfz-Handel. 70 Prozent aller Beschäftigten im Handel sind Frauen. Mehr als ein Drittel davon arbeitet Teilzeit.

Einigung beim Handels-KV

Nach knapp zehn Stunden haben sich Arbeitgeber und Gewerkschaft in der fünften Verhandlungsrunde Dienstagabend auf einen neuen Kollektivvertrag für die rund 430.000 Angestellten und Lehrlinge im Handel geeinigt. Die Gehälter und Lehrlingsentschädigungen steigen laut einer Aussendung der Gewerkschaft GPA um bis zu 8,67 Prozent. Damit sind die Streikdrohungen vom Tisch.

WIFO-Experte Benjamin Bittschi sieht in der Einigung einen „vergleichsweise guten Abschluss“. Er würde auf dem Niveau der Metaller liegen, die heuer die Herbstlohnrunde mit einem durchschnittlichen Plus von 7,4 Prozent (Industrie) bzw. 7,1 Prozent (Gewerbe) brutto eingeläutet haben. „Der Abschluss ist im Bereich dessen, was erwartet wurde“, so Bittschi zur APA.

GPA: „Dauerhaft wirksamer Gehaltsabschluss“

„Für uns war es sehr wichtig, dass wir einen dauerhaft wirksamen Gehaltsabschluss über der zugrunde gelegten Inflationsrate für alle und eine stärkere Anhebung der unteren Gehaltsgruppen erreichen konnten“, so die Chefverhandlerin der Gewerkschaft GPA, Helga Fichtinger. Eine Einmalzahlung wäre laut Fichtinger auf Perspektive „ein riesiges Verlustgeschäft für die Beschäftigten“ gewesen. Es stünde den Handelsbetrieben frei, zusätzlich zur kollektivvertraglichen Erhöhung steuerfreie Prämien auf betrieblicher Ebene zu gewähren.

„Ohne den Druck der Betriebsversammlungen und die Streikbereitschaft wäre dieser Abschluss nicht möglich gewesen. Vor einer Woche standen wir noch bei einem Angebot von vier Prozent“, sagte der Vorsitzende des Wirtschaftsbereichs Handel der GPA, Martin Müllauer.

WKO: Schwierige Verhandlungen

„Die Verhandlungen waren schwierig und zäh, haben aber im fünften Anlauf doch noch zu einem Ergebnis geführt, und wir konnten einen Abschluss erreichen“, sagt Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Die Gewerkschaft habe bei zwei Vorschlägen für eine lineare Erhöhung entschieden.

„Das ist aus unserer Sicht bedauerlich, denn das andere Modell hätte unterm Strich mehr gebracht und außerdem aufgrund der Steuerbefreiung einen enormen Nettovorteil für die Arbeitnehmer:innen bedeutet, in vielen Fällen sogar noch heuer. Im Durchschnitt hätte die Prämie rund 1.000 Euro netto betragen“, so Trefelik. Laut Arbeitgeberseite liegt die durchschnittliche Erhöhung – etwas abweichend von der GPA-Berechnung – bei 7,19 Prozent.

Das Lehrlingseinkommen steige im ersten Lehrjahr auf 800 Euro, im zweiten auf 1.025 Euro, im dritten Lehrjahr auf 1.300 Euro und im vierten Lehrjahr auf 1.350 Euro. „Das macht die Lehre im heimischen Handel sehr attraktiv und bedeutet unterm Strich eine Erhöhung um fast neun Prozent für unsere Lehrlinge. Das sehen wir als wichtige Investition in die Zukunft des Handels“, sagte Trefelik.

Diskussion zu KV-Verhandlungen

Barbara Blaha vom ökosozialen Thinktank Momentum Institut und Hanno Lorenz von der arbeitgebernahen Denkfabrik Agenda diskutieren über die KV-Verhandlungen im Handel.

Handelsverband: „Absolute Oberkante“

Für den Handelsverband bewegt sich die Tarifanpassung mit sieben Prozent „auf der absoluten Oberkante, was auch viele Händler überfordert“. „Trotz der schwierigen Ausgangslage und der gravierenden wirtschaftlichen Auswirkungen von Teuerung und Energiekrise geben die heimischen Händler ihren Beschäftigten mit der heutigen KV-Einigung Halt und Planungssicherheit. Der großzügige Siebenprozentabschluss wird die Inflation mehr als ausgleichen, wenngleich jeder Euro mehr bei den Personalkosten den Handelsbetrieben in der Substanz fehlen wird“, erklärt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will in einer ersten Stellungnahme. Arbeitnehmer und Arbeitgeber müssten nun „geeint um den Erhalt der Arbeitsplätze im österreichischen Handel kämpfen“.