Menschen auf der Straße
ORF.at/Dominique Hammer
Prognose bis 2080

Demografischer Wandel und seine Folgen

Österreich wächst. Doch ohne Zuwanderung würde die Bevölkerungszahl bis 2080 auf das Niveau der 1950er Jahre sinken. Das berichtete die Statistik Austria am Mittwoch. Schon seit 2020 fällt Österreichs Geburtenbilanz negativ aus, während das durchschnittliche Alter der heimischen Bevölkerung weiter steigt. Das erhöht den Druck auf den Arbeitsmarkt und das heimische Pensions- und Gesundheitssystem.

Lebten 1951 noch 6,9 Millionen Menschen in Österreich, sind es heuer schon neun Millionen. „Bereits Mitte der 2050er Jahre wird Österreich die Zehnmillionenmarke durchbrechen, und wir erwarten ein weiteres Bevölkerungswachstum bis 2080 auf 10,5 Millionen Einwohner“, sagte Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas am Mittwoch bei einer Onlinepressekonferenz.

Dass Österreichs Bevölkerung wächst, liegt laut ihm ausschließlich an der Zuwanderung, denn die Geburtenbilanz in Österreich fällt seit 2020 negativ aus. „Ohne Zuwanderung würde Österreich schrumpfen, und zwar bis zum Jahr 2080 auf 6,7 Millionen Menschen“, so Thomas. Damit wäre die Bevölkerungszahl Österreichs auf dem Niveau der 1950er Jahre.

Zuwanderung aus der Ukraine

Dass Österreich derzeit besonders kräftig wächst, liegt laut dem Statistiker auch am Krieg in der Ukraine. Die Flucht aus der Ukraine führe heuer zu einer höheren Zuwanderung als im Jahr 2015, in dem viele Menschen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak nach Österreich kamen, so Thomas. Insgesamt wanderten in den ersten zwei Quartalen dieses Jahres 90.075 Personen zu, dabei lag der Frauenanteil bei 60 Prozent.

Insgesamt lebten laut Bevölkerungsprognose mit 1. Oktober etwa 64.500 Ukrainerinnen und Ukrainer in Österreich, die seit Jahresbeginn zugewandert sind. Kriegsbedingt sei dabei der Frauenanteil in der Kohorte der Personen im wehrfähigen Alter wesentlich höher als in anderen. Unklar ist freilich, wie nachhaltig diese Zuwanderung ist. Angenommen wird, dass viele Ukrainerinnen und Ukrainer in ihre Heimat zurückkehren, sobald das möglich ist.

Wien wächst am stärksten

Das kräftigste Bevölkerungswachstum soll es laut Prognose in Wien geben. Bis zum Jahr 2040 soll die Wiener Bevölkerung um 14,2 Prozent und bis 2080 um 34,3 Prozent im Vergleich zu 2021 wachsen. Schon in zwei Jahren soll Wien die Zwei-Millionen-Einwohner-Grenze knacken. Starke Wachstumsraten soll es ebenfalls in Vorarlberg (plus 10,1 Prozent bis 2040 und plus 22,6 Prozent bis 2080) und Niederösterreich (plus 7,3 Prozent bis 2040 und 20,4 Prozent bis 2080) geben.

Lediglich für Kärnten erwartet die Prognose einen Rückgang der Bevölkerung, und zwar um 0,5 Prozent bis 2040 und um 4,7 Prozent bis 2080. Somit dürfte Salzburg Kärnten in den kommenden Jahren bei der Bevölkerungszahl überholen und zum sechstgrößten Bundesland werden.

Lebenserwartung steigt

Gleichzeitig wird Österreichs Bevölkerung immer älter. Derzeit liegt die durchschnittliche Lebenserwartung von Männern bei 78,9 Jahren. Seit 1951 ist sie um 16,5 Jahre gestiegen, bis 2080 sollen Männer im Schnitt nochmals um rund zehn Jahre älter werden.

Mit durchschnittlich 83,7 Jahren sind Frauen seit 1951 um rund 15,9 Jahre älter geworden, bis 2080 sollen sie durchschnittlich 92 Jahre alt werden. Vor allem der Anteil an betagten und hochbetagten Menschen (80 Jahre und mehr) wird laut Prognose künftig steigen. Bis 2040 erwartet die Prognose einen Anstieg von Menschen in diesem Alter um 58 Prozent, bis 2080 sogar um 144 Prozent.

Mehr Ältere, Zahl der Jüngeren bleiben konstant

Derzeit leben in Österreich etwa gleich viele Seniorinnen und Senioren ab 65 Jahren wie Kinder und Jugendliche unter 20, sie machen je rund 19 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Das soll sich allerdings künftig ändern. Dafür sind insbesondere die starken Geburtsjahrgänge der „Babyboomer“ in den 1950er und 1960er Jahren verantwortlich, die sukzessive ins Pensionsalter aufrücken.

2040 dürfte die Bevölkerung ab dem Alter von 65 Jahren um 45,5 Prozent (bzw. rund 790.000 Personen) größer sein als 2021 und damit auf 26,1 Prozent insgesamt steigen. Der Anteil der Personen bis 19 Jahren bleibt bis 2080, so die Prognose, bei rund 20 Prozent.

Zahl der Erwerbstätigen am Zenit

Schon heuer erreicht laut Statistik Austria die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter von 20 bis unter 65 Jahren mit 5,51 Mio. ihr vorläufiges Maximum, bis 2040 werde sie um knapp 244.000 Personen (minus vier Prozent) unter diesen Wert sinken. Nach 2040 bleibt die Zahl der Erwerbsfähigen der Prognose zufolge weitgehend konstant, bevor sie ab 2060 wieder steigt.

Der demografische Wandel hat dementsprechend auch starke Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Mit Ausnahme des ersten Jahres der Coronavirus-Krise geht die Zahl der offenen Stellen (nach Berechnung des AMS sowie der Statistik Austria) in den letzten Jahren fast kontinuierlich nach oben. „Das ist ein deutliches Zeichen für den sich verschärfenden Fachkräftemangel, und das hat auch mit der demografischen Entwicklung zu tun“, so der Statistiker.

Bei der Erwerbsbeteiligung von Frauen bestehe in Österreich trotz eines starken Anstiegs in den letzten Jahren noch Luft nach oben. „Was wir seit Jahren und Jahrzehnten beobachten, ist ein sehr starker Anstieg der Teilzeiterwerbsquoten, vor allem Frauen zwischen 50 und 64 Jahren arbeiten zu knapp 15 Prozent nur in Teilzeit“, so Regina Fuchs, Leiterin der Direktion Bevölkerung in der Statistik Austria.

Pensionssystem auf dem Prüfstand

Auf eine Person im Alter von über 64 Jahren kommen in Österreich derzeit also etwa drei Personen im Erwerbsalter (20 bis 64 Jahre), 1961 waren es noch sechs. Ab 2040 verändert sich dieses Verhältnis auf eins zu zwei. Laut Thomas bedeutet das, „dass umlagefinanzierte Sicherungssysteme, hier vorrangig Pensionen, Pflege und Gesundheit, unter Finanzierungsdruck geraten“.

Laut Thomas stiegen seit 1995 einerseits der Finanzierungsbedarf der Pensionsversicherungen, andererseits die Zuschüsse des Bundes zu den Pensionen fast kontinuierlich. So betrugen die Bundeszuschüsse im Jahr 1995 rund 3,7 Mrd. Euro und machten knapp 2,6 Prozent des BIP aus. 2020 lagen sie schon bei rund elf Mrd. Euro und machten etwa 2,98 Prozent des BIP aus. „Diese Entwicklung geht weiter“, so Thomas.

Ein Pensionssystem habe bei einer sich verändernden demografischen Struktur nur eine begrenzte Anzahl von Reaktionsmöglichkeiten, so Thomas. Einerseits könnten entweder die Pensionen sinken oder die Beiträge bzw. Bundeszuschüsse steigen, wie es in den vergangenen Jahren schon der Fall war. Zudem könne zumindest das faktische Pensionsantrittsalter erhöht werden. Allerdings: „Wir sehen, dass die Erwerbsbeteiligung Älterer auch schon vor dem gesetzlichen Pensionsantrittsalter deutlich absinkt“, sagte er.