Sitzungssaal der Landeshauptleute-Konferenz in Wien
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Magenta-Trend

Das bessere Pink?

Das renommierte US-Farbinstitut Pantone hat wieder einmal entschieden: „Viva Magenta 18-750“ ist die Farbe des Jahres 2023 und damit wegweisend für die Mode-, Kunst- und Designwelt. Die zur Farbfamilie Rot zählende Nuance soll in einer „unkonventionellen Zeit“ ein „Signal der Stärke“ sein, erklärte Pantone. Magenta, das das Erbe des heuer allgegenwärtigen Pink antreten dürfte, blickt nicht zuletzt auf eine einzigartige Geschichte zurück.

„Mutig“ und „furchtlos“ sei die von Pantone gekürte Trendfarbe nach den Worten von Pantone-Geschäftsführerin Leatrice Eiseman. „Sie zeigt Optimismus und Freude – und wir wissen, dass wir das alle dringend brauchen“, wird Eiseman im britischen „Guardian“ zitiert. In gewohnt blumigem Marketingsprech erklärt das Farbinstitut auf seiner Website, dass die Farbe des Jahres 2023 „Reichtum, Wärme und Stärke“ der Natur mit dem „reichen, offenen Horizont der Digitalwelt“ verschmelze.

Fast mühelos stellt die Farbfirma die für die Natur symbolische Cochenilleschildlaus, aus der der Farbstoff Karmin gewonnen wird, dem Metaverse gegenüber, um seine zentrale Botschaft zu untermauern. Das „Magentaversum“ ist geboren, so Pantone. In virtuellen und kulturellen Sphären gewinnen jene Farbtöne tatsächlich seit geraumer Zeit an Bedeutung.

Sowohl im Design von TikTok als auch von Instagram sind Purpurtöne vorzufinden. Bei der Deutschen Telekom und deren weltweiten Töchtern (hierzulande Magenta Telekom) ist die Nuance „Telekom-Magenta“ bzw. „RAL-4010“ gar zentraler Teil der Markenidentität. Und in der Modewelt machten das Label Roksanda, Popidol Harry Styles wie auch die britische Herzogin Catherine Magenta wieder salonfähig.

Die Trendsetter

All das könnte in die Analysen der Trendforscherinnen und -forscher eingeflossen sein: Seit 2000 bestimmt Pantone, welcher Farbton für das aktuelle Jahr im Trend sein wird. Die Kür löst besonders auf Social Media jedes Jahr aufs Neue Debatten aus. Angefeuert werden diese auch von den Analysen des zweiten großen Trendsetters, des Londoner Trendforschungsinstituts WGSN.

Kate, Princess of Wales in Boston
AP/Nancy Lane
Herzogin Catherine in der Trendfarbe

Willkürlich gehen die Institute bei der Kür zur Farbe des Jahres nicht vor: Um einen Trend zu bestimmen, werden bestehende Megatrends, das gegenwärtige Weltgeschehen sowie das Konsumverhalten der Menschen analysiert, erklärte die WGSN-Expertin Petra Winter den Prozess im Frühjahr gegenüber ORF.at. Haben Pantone und WGSN erst einmal einen Trend identifiziert, so orientieren sich Modekonzerne wie Möbelhäuser und Designagenturen daran. Je mehr Labels auf den Farbzug aufspringen, desto größer der Trend.

Einer jener kalkulierten Megatrends war 2022 etwa die allgegenwärtige Farbe Pink. Zu verdanken ist das einer Zusammenarbeit zwischen Pantone und Valentino-Designer Pierpaolo Piccoli. Piccoli ließ den Farbton „Pink PP“ für seine Herbst/Winter-Kollektion 2022/23 von Pantone entwickeln. Die Influencer- und Modewelt lag ihm über Nacht zu Füßen.

Lewis Hamilton in Monza
IMAGO/Alessio De Marco
Formel-1-Star Lewis Hamilton von Kopf bis Fuß in Magenta

Eine Farbe für alle?

Das nun mit mehr Rottönen unterlegte „Viva Magenta“ erscheint quasi wie eine Fortsetzung jenes Hypes. Geht es nach Pantone, dann ist es das auch – nur allumfassender und inklusiver: „Das soll nicht heißen, dass wir Hot Pink nicht geliebt haben“, wird Laurie Pressman, Vizepräsidentin des Pantone Color Institute, von USA Today zitiert.

Andererseits erinnert „Viva Magenta“ an jene Nuance, die das Trendforschungsinstitut WGSN schon 2022 zur Farbe des Jahres kürte: „Orchid Flower“. Auch die Botschaft scheint ähnlich. Der Farbton habe eine „intensive, hyperreale und energetisierende Qualität, die sowohl im realen Leben als auch in digitalen Settings heraussticht“, hieß es in einer WGSN-Aussendung.

„In einer fordernden Zeit ist dieser strahlende Magenta-Ton eine großartige Art und Weise, um Positivität und Eskapismus zu schaffen“, hieß es weiter. Kurioserweise erinnert WGSNs Farbe des Jahres 2023 „Digital Lavender“ an Pantones Farbe des Jahres 2022 „Very Peri“. Inwieweit sich die beiden Institute gegenseitig beeinflussen, ist unklar.

Schlacht um Magenta

Der Kunsthistoriker und Autor („The World According to Colour“) James Fox hält die Kür des warmen Magenta-Tons jedenfalls für gelungen und verweist dabei auf die lange Geschichte der Farbe. Magenta sei ein „künstliches Gemisch“, das Mitte des 19. Jahrhunderts nach der zufälligen Erfindung von Mauveine, dem ersten synthetischen Anilinfarbstoff, entstand, erklärte er dem „Guardian“. Nach gleichzeitigen Entdeckungen von Chemikern in Frankreich und Großbritannien wurde 1859 in beiden Ländern ein rötlich-violetter Farbstoff namens „Fuchsin“ bzw. „Rose“ hergestellt.

Die Farbe sollte allerdings schon bald umbenannt werden. Im Zentrum stand dabei der Sardinische Krieg und die Schlacht um das norditalienische Magenta im Jahr 1859. Der Legende nach wurde bei den Gefechten zwischen dem Kaisertum Österreich und dem Königreich von Sardinien-Piemont sowie dessen Verbündeten Frankreich so viel Blut vergossen, dass der Boden jene Farbe annahm. Laut „Guardian“ habe Blut bei der Umbenennung keine Rolle gespielt. Es habe sich um ein Zeichen der Solidarität Frankreichs mit Italien gehandelt.

„So wie die meisten Briten heute die Ukraine in ihrem Kampf unterstützen, unterstützten die meisten im 19. Jahrhundert den italienischen Unabhängigkeitskrieg … Der Moment, aus dem Magenta hervorging, war in gewisser Weise unserem eigenen ähnlich“, so Fox gegenüber „Guardian“. An sich sei Magenta, das die Grenze zwischen Rot und Blau überspanne, unpolitisch und im Wesentlichen vereinheitlichend, so Fox. Teils ultraviolett, teils infrarot, „existiert es nicht im Spektrum … aber es umfasst irgendwie die gesamte Palette von Farben, die wir sehen können – und auch einige, die wir nicht sehen können“.