Die Iranische Sportlerin Elnaz Rekabi
APA/AFP/Rhea Kang
Kletterin ohne Kopftuch

Haus von Rekabis Familie im Iran zerstört

Hunderte Menschen sind bei den Protesten im Iran mittlerweile getötet worden – das Regime geht weiter mit Härte gegen die Demonstrierenden vor. Noch bevor es zu diesen Gewaltexzessen im Land kam, hatte die Kletterin Elnas Rekabi die iranischen Behörden auf den Plan gerufen, weil sie im September bei den Asienmeisterschaften in Seoul das für iranische Sportlerinnen obligatorische Kopftuch nicht getragen hatte. Nun wurde Berichten zufolge das Haus ihrer Familie zerstört.

Ein in sozialen Netzwerken kursierendes Video zeigt die Ruinen eines in Schutt gelegten Hauses, gleich zu Beginn der Sequenz sind auch Medaillen zu erkennen, die in den Trümmern liegen. Den Angaben zufolge im Video zu sehen sein soll Rekabis Bruder, der ebenfalls Spitzensportler ist. Gegner der iranischen Führung verurteilten das Video als Racheakt an der Sportlerin – wenn auch nicht umgehend klar war, wann die Aufnahmen gemacht wurden.

Der Abriss des Hauses wurde mittlerweile über einen Bericht der halbamtlichen Nachrichtenagentur Tasnim bestätigt – allerdings wird darauf verwiesen, dass der Abriss auf den Umstand zurückzuführen sei, wonach die Familie keine gültige Baugenehmigung besessen habe. Das Verfahren sei schon im Vorfeld von Rekabis Wettkampfteilnahme ohne Kopftuch in Gang gesetzt gewesen, hieß es in der Darstellung.

Weltweite Aufmerksamkeit

Die Aktion Rekabis erlangte weltweit Aufmerksamkeit und wurde als Zeichen ihrer Solidarität mit der Frauenbewegung im Iran und den Protesten gegen den Kopftuchzwang gesehen. Im Iran müssen Frauen ihr Haar mit einem Hidschab, ihre Arme und Beine mit lockerer Kleidung bedecken. Auch Sportlerinnen müssen sich an die Kleiderordnung halten, wenn sie den Iran offiziell bei Wettkämpfen im Ausland vertreten.

Elnaz Rekabi
EBU/International Federation of Sport Climbing
Rekabi bei den Asienmeisterschaften in Seoul – sie trat ohne Kopftuch an. Später entschuldigte sie sich, offenbar unter starkem Druck.

Mit ihrem mutigen Auftritt wurde Rekabi über Nacht zur Galionsfigur der Proteste gegen das iranische System und den Kopftuchzwang im Land. Zwar war sie damals nach ihrem Auftritt in Seoul nach Teheran zurückgekehrt, aber es gab Spekulationen über einen strikten Hausarrest und ein Kontaktverbot mit den Medien. In der Folge entschuldigte sich Rekabi und sprach von einem „Versehen“ – offenbar nach starker Einschüchterung, die Entschuldigung war Berichten zufolge erzwungen worden.

„Arbeiten“ an Kopftuchgesetz

Das Kopftuch ist Thema geblieben: Derzeit würden das iranische Parlament und die Justiz nach Angaben des Generalstaatsanwalts das entsprechende Gesetz prüfen, wie es hieß. „Das Parlament und die Justiz arbeiten“ an diesem Thema, sagte Generalstaatsanwalt Mohammed Dschafar Montaseri laut der Nachrichtenagentur ISNA am Freitag. Er kündigte Ergebnisse in „ein oder zwei Wochen“ an, äußerte sich aber nicht dazu, was an dem Gesetz geändert werden könnte.

Der iranische Präsident Ebrahim Raisi hatte im Juli auf eine strenge Durchsetzung der Kopftuchpflicht „durch alle staatlichen Institutionen" gedrängt. Am Samstag sagte er hingegen: Unsere Verfassung hat starke und unveränderliche Werte und Prinzipien. (…) Aber es gibt Methoden zur Umsetzung der Verfassung, die geändert werden können.“ Seit 1983 müssen Frauen im Iran das Kopftuch tragen.

Blutige Proteste seit Wochen

Im Iran finden seit Wochen Proteste statt. Auslöser war der Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini – sie war Mitte September von der Religionspolizei festgenommen worden, weil sie gegen die Kleiderordnung verstoßen haben soll. Seitdem tragen immer mehr Frauen kein Kopftuch mehr. Der Iran macht seinen Erzfeind USA sowie dessen Verbündete, darunter Großbritannien und Israel, für die gewaltsamen Zusammenstöße verantwortlich.

Nach Angaben eines Generals Anfang der Woche wurden dabei mehr als 300 Menschen getötet. Am Samstag erklärte der Oberste Nationale Sicherheitsrat, „mehr als 200 Menschen“ seien getötet worden. Diese Zahl umfasst laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA „tote Zivilisten und Sicherheitskräfte, Opfer von Zusammenstößen zwischen verfeindeten Gruppen, Randalierer sowie konterrevolutionäre und separatistische Gruppen“.

Die Menschenrechtsorganisation Iran Human Rights (IFR) mit Sitz in Oslo hingegen sprach am Dienstag von mindestens 448 Menschen, die „bei den anhaltenden landesweiten Protesten von Sicherheitskräften getötet“ worden seien. Nach Angaben von UNO-Menschenrechtskommissar Volker Türk aus der vergangenen Woche wurden überdies 14.000 Menschen beim Vorgehen der Staatsführung gegen die Proteste festgenommen, darunter auch Kinder.

Weitere bekannte Schauspielerin festgenommen

Auch zahlreiche Prominente aus Kunst, Sport und Politik sind betroffen. Am Samstag erst wurde eine weitere bekannte Schauspielerin festgenommen. Mitra Hadschdschar sei am Samstag nach einer Durchsuchung ihrer Wohnung festgenommen worden, berichtete die Zeitung „Schargh“ unter Berufung auf eine Organisation, die Festnahmen von Künstlern beobachtet.