Leonore Gewessler
APA/Helmut Fohringer
StVO-Novelle

„Extremen Rasern“ wird Auto abgenommen

Vor gut zwei Jahren hat Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) bereits angekündigt, Autos von Rasern beschlagnahmen zu wollen. Nun wird der Plan konkret: Eine Novelle soll den „Verfall des Fahrzeugs bei rücksichtslosen und gefährlichen Geschwindigkeitsüberschreitungen“ bringen, kündigte die Ministerin bei einer Pressekonferenz am Montag in Wien an. Das Auto soll im Falle „extremen Rasens“ künftig an Ort und Stelle beschlagnahmt werden können.

Wer im Ortsgebiet um mehr als 60 km/h oder außerhalb des Ortsgebiets um mehr als 70 km/h zu schnell fährt, dessen Fahrzeug soll von der Polizei künftig an Ort und Stelle vorläufig beschlagnahmt werden. Danach soll die zuständige Bezirksverwaltungsbehörde innerhalb von zwei Wochen entscheiden, ob ein Verfall des Fahrzeugs „geboten“ ist – das Auto also beschlagnahmt bleibt oder an den Lenker bzw. die Lenkerin zurückzugeben ist.

Das Fahrzeug verfällt bei extremen Überschreitungen (also 60 km/h im Ort, 70 km/h außerhalb) insbesondere bei Wiederholungstätern, das bedeutet, ihnen kann es dauerhaft weggenommen werden. Im Extremfall kann die Beschlagnahmung des Autos auch bei Ersttätern erfolgen, so es geboten erscheint, den Täter von weiteren Raseraktionen abzuhalten – wenn etwa die Geschwindigkeiten um 80 bzw. 90 km/h (wieder im Ort bzw. außerhalb) überschritten werden, so Gewessler. Darunter fällt beispielsweise ein Raser, der mit 220 km/h über die Autobahn fährt.

Gewessler: „Werden Beschlagnahme bei rücksichtslosen Rasern umsetzen“

Die StVO-Novelle sieht eine Fahrzeugbeschlagnahmung für Raser vor.

Das Auto werde in der Folge versteigert – 70 Prozent des Erlöses sollen an den Verkehrssicherheitsfonds gehen, der Rest an die Gebietskörperschaft. „Extreme Raserei ist lebensgefährlich für alle andere Menschen auf der Straße“, sagte die Verkehrsministerin. Bei extremen Überschreitungen „hat im Straßenverkehr niemand mehr die volle Kontrolle über sein Fahrzeug, dann wird der Raser zum rücksichtslosen Täter“, so die Ministerin.

„Tatwaffe wegnehmen“

Mit der Novelle könne man „die Tatwaffe wegnehmen zum Schutz von uns allen“, so Gewessler. Gleichzeitig gestand die Ministerin ein, dass es sich juristisch um „keine einfache Aufgabe“ handle, schließlich sei es eine „schwerwiegende Maßnahme“. Doch, so Gewessler, „wenn das in anderen Ländern geht, dann muss das auch bei uns gehen“, so Gewessler. Als Beispiel wurde die Schweiz genannt, wo solcherlei Beschlagnahmungen bzw. auch eine Versteigerung möglich sind.

Gleichzeitig gab Gewessler zu bedenken, dass es sich lediglich um eine „kleine Gruppe“ handle, bei denen diese „härteren Mittel“ nötig seien. Man rede nicht über Kavaliersdelikte, wenn man einmal ein wenig zu schnell fahre: „Man kann einmal was übersehen, aber mit 120 km/h durchs Ortsgebiet zu fahren ist kein Fehler“, so Gewessler – wer so fahre, gefährde Menschenleben. „Es geht um unbelehrbare Raser.“ Ein Blick in die Vergangenheit zeige, dass bei etwa 400 bis 450 Fällen pro Jahr die neue Bestimmung anwendbar wäre, so Gewessler auf Nachfrage.

Hermann Weratschnig, Stefan Schnöll, Leonore Gewessler Andreas Ottenschläger
APA/Helmut Fohringer
Gewessler, der Salzburger Verkehrslandesrat Schnöll (ÖVP) und die Abgeordneten Hermann Weratschnig (Grüne) und Andreas Ottenschläger (ÖVP)

„Präventive Wirkung“

Der Salzburger Landesrat für Verkehr und Infrastruktur, Stefan Schnöll (ÖVP), sprach bei der Pressekonferenz von einer „präventiven Wirkung“, die mittels der Maßnahme erzielt werde. Das Auto sei „für viele ein Heiligtum“, vor allem für jene, die so schnell fahren. Bis dato habe man es Rasern „leicht gemacht“, nach extremen Geschwindigkeitsüberschreitungen mit dem Auto noch nach Hause zu fahren. Das solle bald nicht mehr möglich sein. Auch er verwies auf einen „verfassungsrechtlich sehr groben Eingriff“.

Eigentumsrecht beschränkt Eingriff

Jedoch werden Autos von Rasern künftig nicht generell versteigert werden können. „Wir können nicht in das Eigentumsrecht Dritter eingreifen“, konkretisierte ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger auf der Pressekonferenz. Gehört das Fahrzeug, mit dem der Raser erwischt wurde, beispielsweise den Eltern, oder handelt es sich um ein Leasing- oder Mietauto, dann kann es nicht für verfallen erklärt werden.

Allerdings soll für den Raser in den jeweiligen Fahrzeugpapieren ein lebenslanges Lenkverbot für das jeweilige Fahrzeug eingetragen werden. Die vorläufige Beschlagnahme des Autos von zwei Wochen, die von den Beamten an Ort und Stelle verfügt wird, gilt jedoch auch für diese Fälle.

Hürden für vorläufige Führerscheinabnahme

Zusätzlich zur Beschlagnahme wird im Führerscheingesetz vorgesehen, dass bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 40 km/h innerorts bzw. 50 km/h außerhalb des Ortsgebiets der Führerschein jedenfalls vorläufig abzunehmen ist. Bisher ist das eine Ermessensentscheidung des einschreitenden Beamten bzw. der Beamtin.

Die Novellen der Straßenverkehrsordnung (StVO) und des Führerscheingesetzes (FSG) schickt das Ministerium nun in eine sechswöchige Begutachtung. Die Stellungnahmen sollen dann eingearbeitet und die Novellen möglichst zügig in Kraft treten, sagte Gewessler, ohne einen konkreten Zeitpunkt zu nennen.

Zu schnelles Fahren Hauptursache für tödliche Unfälle

Laut dem Innenministerium wurden im Vorjahr in Österreich insgesamt 5.115.525 Geschwindigkeitsüberschreitungen angezeigt bzw. als Organstrafverfügungen geahndet. 359 Menschen starben bei Verkehrsunfällen auf Österreichs Straßen. Die vermutlichen Hauptunfallursachen der tödlichen Verkehrsunfälle waren nicht angepasste Fahrgeschwindigkeit (26,9 Prozent) vor Unachtsamkeit/Ablenkung (24,5 Prozent) und Vorrangverletzung (15,5 Prozent).

FPÖ: „Mit Rechtsstaat unvereinbar“

Die FPÖ reagierte mit Kritik: Gewessler führe „mit Unterstützung der ÖVP den Ökomarxismus“ ein und setze „die grünen Enteignungsfantasien gegen Autofahrer in die Tat um“, wie es in einer Aussendung heißt. „Die Beschlagnahme von Privateigentum erinnert an autoritäre Regime und ist mit einem demokratischen Rechtsstaat unvereinbar“, wurden FPÖ-Chef Herbert Kickl und Verkehrssprecher Christian Hafenecker zitiert. Die bisherige Rechtslage sehe bereits ausreichend Strafen vor, so Hafenecker.

Eine politische Reaktion gab es auch aus Wien: Verkehrsstadträtin Ulrike Sima (SPÖ) begrüßte die Antirasermaßnahmen des Bundes. Sima forderte aber darüber hinausgehende Maßnahmen, um „Roadrunnern“ Einhalt zu gebieten.

ARBÖ: „Unverhältnismäßige Bestrafung“ möglich

Der ARBÖ begrüßte die geplante Maßnahme grundsätzlich, meldet aber gleichzeitig Bedenken hinsichtlich der dann möglichen Beschlagnahmung an: „Unbelehrbare Raserinnen und Raser haben auf der Straße nichts verloren. Ob die Beschlagnahmung des Fahrzeugs aber die richtige Maßnahme ist, bleibt abzuwarten. Wir sehen praktische Probleme bei diesem Vorhaben“, heißt es in einer Aussendung.

Die Novelle könne zu einer „unverhältnismäßigen Bestrafung“ führen, weil der Sachwert der Autos ja völlig unterschiedlich sei. „Die Beschlagnahmung ist als Strafe zu werten. Daher zahlt jemand, dessen 1.000-Euro-Fahrzeug beschlagnahmt wird, eigentlich viel weniger Strafe als jemand, der sein 100.000-Euro-Auto abgeben muss“, wurde Generalsekretär Gerald Kumnig zitiert.

ÖAMTC: „Klar verfassungswidrig“

Der ÖAMTC sieht einen Zugriff auf fremdes Eigentum „klar verfassungswidrig". Wir glauben daher, dass eine grundlegende Überarbeitung notwendig werden wird, denn eine Verwaltungsbehörde wird diese neuen Vorgaben eventuell ressourcentechnisch nur schwer umsetzen können“, meinte Martin Hoffer, Leiter der Rechtsdienste.

Er ortete außerdem Kapazitätsprobleme bei der Überwachung der Roadrunner-Szene. „Kontrollen sind entscheidend“, sagte Hoffer. Der ÖAMTC verwies außerdem darauf, dass in Nachbarländern wie der Schweiz oder Deutschland Beschlagnahmen von Fahrzeugen mit Gerichtszuständigkeit und der Verpflichtung, den Veräußerungserlös, der die Strafdrohung übersteigt, an den Besitzer zurückzuzahlen, durchgeführt werden.

VCÖ begrüßt geplante Verschärfung

Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) hingegen begrüßte die geplante Ermöglichung der Autobeschlagnahme grundsätzlich. Jedoch ist aus Sicht des VCÖ die Grenze, ab der das Fahrzeug beschlagnahmt werden kann, zu hoch angesetzt. Der VCÖ fordert, dass ein Teil der Einnahmen aus der Versteigerung beschlagnahmter Fahrzeuge für Gemeinden zur Finanzierung von Discobussen und Anrufsammeltaxis zweckgewidmet werden.