Frau auf dem Weg zu einem Wahllokal
Reuters/Cheney Orr
Georgia

Stichwahl könnte Biden stärken

Hochspannung herrscht am Dienstag, einen Monat nach den eigentlichen Midterms, bei der Stichwahl im US-Bundesstaat Georgia um einen noch offenen Senatssitz. Die Demokraten unter Joe Biden könnten damit – sollte ihr Kandidat gewinnen – ihren hauchdünnen Vorsprung im US-Senat um eine Stimme mehr absichern. Die Republikaner wollen das auf jeden Fall verhindern.

Bereits zum Ende der Vorauswahl und Briefwahl zeichnete sich eine hohe Beteiligung ab, wie es aus dem Innenministerium in Georgia hieß. Alleine bis Freitagfrüh hätten mindestens 1,47 Millionen Bürger und Bürgerinnen ihre Stimmzettel persönlich oder per Post vorab abgegeben, erklärte der republikanische Innenminister Brad Raffensperger. Das entspreche 37 Prozent der Gesamtstimmen bei der regulären Zwischenwahl am 8. November.

Bei der Stichwahl stehen sich der demokratische Amtsinhaber Raphael Warnock und sein republikanischer Herausforderer Herschel Walker gegenüber. Umfragen sagen ein sehr enges Rennen voraus, wie etwa „Politico“ schreibt. Demokraten und Republikaner investierten nochmals viel Geld in die Stichwahl. Beide Parteien gaben sich zuversichtlich, dass ihr Kandidat gewinnt. Die Wahl ist für beide Parteien der letzte Test, um ihre Basis zu mobilisieren und auch ihre Wirkung auf noch Unentschlossene zu testen, so die „Washington Post“.

Raphael Warnock
Reuters/Bob Strong
Raphael Warnock bei einem Wahlkampfauftritt

Walker und die Werwölfe

Republikaner, die weniger Sitze bei den Midterms als erhofft gewonnen hatten, hoffen in Georgia auf einen sauber abgesicherten Sieg. Walker, ein ehemaliger American-Football-Spieler, und Warnock, der Amtsinhaber und Pastor einer prominenten, überwiegend schwarzen Kirche in Atlanta, hatten an diesem Wochenende ihre letzten Wahlkampfauftritte. Walker war wegen seines Lebenslaufes bereits vor den Midterms in Kritik geraten. So arbeitete er nicht, wie er nahegelegt hatte, bei der US-Bundespolizei FBI.

Auch einen Hochschulabschluss, wie er angab, hat er nicht. Er brach sein Studium für eine Karriere als Football-Spieler ab. Auch machte er mit wirren Aussagen über Vampire und Werwölfe von sich reden. „Ich weiß nicht, ob ihr wisst, dass Vampire coole Leute sind“, sagte Walker an seine Zuhörerinnen und Zuhörer gerichtet. „Aber lasst mich euch etwas sagen, das ich herausgefunden habe: Ein Werwolf kann einen Vampir töten. Wusstet ihr das? Ich wusste das nicht. Deswegen will ich kein Vampir mehr sein, ich will ein Werwolf sein.“

 Herschel Walker
Reuters/Alyssa Pointer
Herschel Walker bei einem Wahlkampfauftritt

Außereheliche Kinder und Abtreibungsvorwürfe

Unter Druck geriet Walker auch durch frühere Vorwürfe der häuslichen Gewalt durch seine Ex-Frau. Zusätzlich wurde auch bekannt, dass er drei außereheliche Kinder hat. Vor den Midterms warfen ihm zwei Frauen vor, sie in der Vergangenheit zu Abtreibungen gedrängt zu haben. Walker gibt sich als erzkonservativer Politiker, dem Familienwerte über alles gehen – und als strikter Abtreibungsgegner.

Die Republikaner hoffen, dass sie ihre Wählerinnen und Wähler mit Kritik an Biden und der Politik der Demokraten zum Urnengang bewegen können, so die „Washington Post“ weiter. Groß ist allerdings die Kritik an dem von Ex-Präsident Donald Trump unterstützten Walker, nicht geeignet für das Amt zu sein. Die Republikaner denken bereits an die Wahlen 2024 und wie sie die Mehrheit zurückgewinnen können, 2024 stehen auch die Präsidentschaftswahlen an.

Georgia-Stichwahl als Wahlkrimi

Ein Monat nach den Kongresszwischenwahlen in den USA wird im Staat Georgia die Stichwahl um einen Senatssitz abgehalten. Der von Ex-Präsident Donald Trump unterstützte frühere American-Football-Star Herschel Walker von den Republikanern fordert dabei Amtsinhaber Raphael Warnock von den Demokraten heraus. Umfragen sagen ein sehr enges Rennen voraus, beide Parteien haben noch einmal viel investiert.

Alle Augen blicken deshalb auch auf Trump. Es sei daher wichtig, mit einem Sieg diesen Urnengang zu beschließen, so der republikanische Stratege Brad Todd in der „Washington Post“. Wegen der tiefen politischen Gräben in den USA lassen sich viele konservative Wählerinnen und Wähler allerdings auch von einem Kandidaten wie Walker oder dessen „Fehlern“ nicht abschrecken, und wählen die Republikaner.

Demokratischer Senatssitz wäre Polster für Biden

Die Stichwahl war notwendig geworden, da in dem Südstaat der Gewinner die Mehrheit haben muss. Das war in dem Wahlgang zuvor nicht der Fall gewesen, hatte es doch noch einen weiteren Kandidaten um den Senatssitz gegeben. Die Wahl ist wichtig, aber sie wird nicht über die Kontrolle über den Senat entscheiden. Bei den Wahlen vor einem Monat hatten sich die Demokraten von Präsident Joe Biden bereits 50 der 100 Senatssitze gesichert. Weil Vizepräsidentin Kamala Harris als Senatspräsidentin in Pattsituationen mitstimmen darf, haben die Demokraten die Kontrolle über das Oberhaus bereits sicher.

Joe Biden
Reuters/Kevin Lamarque
US-Präsident Joe Biden könnte durch diesen Urnengang etwas gewinnen

Mit einem Sieg Warnocks könnten sie sich ein kleines und willkommenes Polster verschaffen. Eine Mehrheit von 51 Senatoren hätte für die Demokraten auch den Vorteil, dass die Ausschüsse des Oberhauses nicht mehr paritätisch besetzt werden müssten. Auch das würde der Regierungspartei die parlamentarische Arbeit einfacher machen, unter anderem bei der Bestätigung von wichtigen Personalentscheidungen in Regierung und Bundesjustiz.

Trump als Hilfe oder Schaden für Kandidaten?

Dass die Demokraten ihre Senatsmehrheit bei den Midterms trotz der hohen Inflation und schlechter Umfragewerte für Biden verteidigen konnten, liegt auch an umstrittenen Kandidaten und Kandidatinnen, die Trump den Republikanern gewissermaßen aufgedrängt hatte. Vor Kurzem hatte Trump seine erneute Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2024 bekanntgegeben.

Trump sorgte am Wochenende wieder für Aufregung – ob zum Nutzen oder zum Schaden für seinen Kandidaten wird sich zeigen. Aus dem Wahlkampfendspurt in Georgia hielt sich Trump zwar heraus, der ehemalige US-Präsident sorgte aber mit einer Äußerung über eine Außerkraftsetzung der Verfassung für Empörung. Trump hatte in seinem Onlinenetzwerk Truth Social am Samstag erneut seine Falschbehauptung verbreitet, er sei bei der Wahl 2020 durch Wahlbetrug um eine zweite Amtszeit gebracht worden. „Ein massiver Betrug dieser Art und dieses Ausmaßes ermöglicht die Aufhebung aller Regeln, Vorschriften und Artikel, sogar derjenigen, die in der Verfassung stehen“, schrieb Trump.

Donald Trump
Reuters/Jonathan Ernst
Trump bei der Ankündigung seiner Kandidatur für die republikanische Vorwahl im Rennen ums Weiße Haus Mitte November

Kritik auch von Republikanern

Das Weiße Haus verurteilte Trumps Äußerung umgehend. „Die Verfassung und alles, wofür sie steht, anzugreifen, ist ein Gräuel für die Seele unserer Nation und sollte allgemein verurteilt werden“, erklärte der Sprecher Andrew Bates. Politiker der Demokraten griffen Trump scharf an.

„Er fordert ein Ende der konstitutionellen Demokratie Amerikas“, erklärte der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer. „Er ist außer Kontrolle und eine Gefahr für unsere Demokratie.“ Der Abgeordnete Ted Lieu wies Trumps Äußerung als „antiamerikanisch und faschistisch“ zurück. Der Abgeordnete Don Beyer erklärte, Trump habe sich damit „offen zum Feind der Verfassung erklärt“.

Kritik kam aber auch von einigen Republikanern. Der Abgeordnete Adam Kinzinger bezeichnete Trumps Äußerung als „verrückt“. Kein Konservativer könne ihn nun noch unterstützen. John Bolton, der bis zu einem Zerwürfnis Trumps Nationaler Sicherheitsberater war, erklärte, „alle echten Konservativen“ müssten eine Kandidatur Trumps bei der Präsidentschaftswahl 2024 verhindern.

Abendessen mit Antisemiten

Zuvor hatte Trump mit einem Abendessen mit Antisemiten Ende November für Empörung gesorgt. Das Weiße Haus, aber auch Republikaner verurteilten Trump, dass er sich in seinem Anwesen in Florida mit einem bekannten weißen Rassisten und dem wegen antisemitischer Äußerungen kritisierten Rapper Kanye West getroffen hatte. „Intoleranz, Hass und Antisemitismus haben in Amerika absolut keinen Platz – auch nicht in Mar-a-Lago“, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Bates. Die Leugnung des Holocaust sei „widerwärtig und gefährlich“ und müsse „entschieden verurteilt werden“, so Bates.

Trump hatte Ende November mit West in Mar-a-Lago in Florida zu Abend gegessen. Trump verteidigte sich und sagte, dieser habe Freunde mitgebracht, darunter Nick Fuentes, einen ausgesprochenen Antisemiten und Rassisten. „Ich kannte Nick Fuentes nicht“, schrieb Trump in Truth Social.

Mitstreiter: „Inakzeptabel“

Fuentes ist ein Holocaust-Leugner, dessen YouTube-Kanal Anfang 2020 dauerhaft gesperrt wurde, weil er gegen die Plattformrichtlinien für Hassreden verstoßen hatte. West hatte zuletzt ebenfalls mit umstrittenen Aktionen und antisemitischen Äußerungen für Empörung gesorgt, zuletzt hatte er in einem Interview Sympathien für Adolf Hitler geäußert.

Sein Treffen mit Fuentes wurde nun auch von früheren Mitstreitern als „inakzeptabel“ kritisiert. „Antisemiten verdienen kein Pardon unter US-Führungspersönlichkeiten, egal ob rechts oder links“, schrieb David Friedman, Trumps ehemaliger Botschafter in Israel, in Twitter. Ein solcher Besuch wie der von West und Fuentes sei „inakzeptabel“.